Sechzig Firmen, die Hardware für die Backbone-Infrastruktur des Internets herstellen, warnen die US-Regierung in einem offenen Brief vor strengeren Regeln zur Netzneutralität. Die von der Federal Communications Commission (FCC) geplanten Auflagen könnten ihnen zufolge zu deutlich weniger Investitionen führen. Zu den Absendern des Schreibens zählen Cisco, Ciena, Intel, IBM, Juniper Networks und Qualcomm.
Die FCC arbeitet derzeit an Trafficmanagement-Richtlinien für Anbieter von Breitbanddiensten. Sie versucht, einen Kompromiss zwischen den Interessen von Internet-Service-Providern einerseits und Webfirmen sowie Endanwendern andererseits zu treffen. Die ISPs würden gerne gegen Gebühren bestimmte Dienste bevorzugt behandeln. Webfirmen und User hingegen wünschen sich einen Erhalt der Gleichbehandlung aller Inhalte nach dem Prinzip der Netzneutralität.
Die FCC erwägt, Telekommunikationsnetze unter die Title II genannten Regeln für öffentliche Versorgungsbetriebe zu nehmen. Sie gelten bereits für Telefondienste und würden verhindern, dass Breitbandanbieter Aufpreise für mehr Durchsatz verlangen können. Die Hardwareanbieter – als Zulieferer der ISPs natürlich keineswegs neutral – argumentieren: „Title II würde zu einer Verlangsamung, wenn nicht einem Stopp des Breitbandausbaus führen, denn wenn man nicht weiß, ob sich eine Investition später auszahlen wird, tätigt man sie nicht erst. Die Verknappung der Investitionen würde sich dann langsam ausbreiten, zuerst Technikfirmen wie unsere betreffen und sich anschließend auf die Gesamtwirtschaft auswirken.“
Konkret geben sie an, dass strengere Regeln zu 45,4 Milliarden Dollar weniger Investitionen in die Internetinfrastruktur führen werden.
Der Brief war eine Idee der Telecommunications Industry Association – einer Vereinigung von Zulieferern und Herstellern von Hardware für Telekommunikationsnetze. Ihr gehören viele der Unterzeichnerfirmen an. Er vertritt uneindeutig die Position großer Netzbetreiber wie AT&T oder Verizon – beides wichtige Kunden.
Präsident Barack Obama hatte sich vergangenen Monat dafür ausgesprochen, Breitbandnetze wie Versorgungsnetze (etwa Strom, Wasser und Gas) zu behandeln, um ein „freies und offenes Internet“ zu gewährleisten. Auch Internetfirmen wie Amazon, Google und Facebook befürworten diesen Ansatz. Die FCC-Entscheidung war ursprünglich noch für dieses Jahr angekündigt, wird sich aber mutmaßlich bis Anfang 2015 verschieben.
In Deutschland hat das Bundeswirtschaftsministerium vor einer Woche einen Kompromiss zur Netzneutralität vorgelegt. Unternehmen sollen nur dann gegen Gebühr schnelle Spezialdienste anbieten dürfen, wenn sie zugleich garantiert ausreichend Bandbreite für den reibungslosen und diskriminierungsfreien Datenverkehr im offenen Internet bereitstellen. Kritiker bemängeln, der Ansatz sei grundsätzlich fehlerhaft. Ein schnellerer Dienst bedeute immer, dass mindestens ein anderer ausgebremst werde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich zuvor öffentlich für Spezialdienste im Internet stark gemacht. „Innovationsfreundliches Internet heißt, dass es eine bestimmte Sicherheit für Spezialdienste gibt“, sagte sie auf einer Veranstaltung von Vodafone in Berlin. Anwendungen wie Telemedizin oder fahrerloses Autofahren benötigten „eine fehlerfreie und immer gesicherte Übertragung“, setzten also berechenbare Qualitätsstandards voraus.
[mit Material von Ben Fox Rubin, News.com]
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