Apple-Anwalt im iTunes-Kartellprozess: „Das ist alles nur ausgedacht“

Im iTunes-Kartellprozess haben am Montag die Anwälte beider Parteien ihre Schlussplädoyers gehalten. Apples Rechtsbeistand verteidigte die Position des iPhone-Herstellers mit dem Argument, die Kläger hätten sich ihre Vorwürfe nur „ausgedacht“. „Es gibt keine Beweise, dass das je passiert ist, keine Verbraucher, keine iPod-Nutzer, keine Umfragen, keine Apple-Geschäftsunterlagen“, beendete Apple-Anwalt Bill Isaacson seine Ausführungen.

Die Geschworenen forderte er auf, zugunsten seines Mandanten zu entscheiden. Sie sollten „ein großartiges Unternehmen nicht dafür haftbar machen“ und „auf Basis von Unsinn“ auffordern, seine Innovationen einzustellen.

Die Kläger hatten zuvor erneut unterstellt, Apple habe sich zu viel Kontrolle über das Nutzererlebnis von Verbrauchern gesichert und damit möglicherweise gegen Kartellgesetze verstoßen. „Apple glaubt nicht, dass Sie diesen iPod besitzen“, sagte der Kläger-Anwalt Patrick Coughlin. „Sie glauben, dass sie immer noch das Recht haben, zu entscheiden, welcher Drittanbieter auf einem Gerät Musik wiedergeben kann, dass Sie gekauft haben und besitzen.“ Durch den Ausschluss von MP3-Dateien konkurrierender Anbieter habe Apple das Nutzererlebnis eingeschränkt und direkt auf die zur Verfügung stehende Musikauswahl Einfluss genommen.

Der bereits 2005 eingereichten Sammelklage zufolge soll Apple seine „dominante Marktposition im Bereich Musikdownloads und tragbare Medienplayer“ ausgenutzt haben, um „den Wettbewerb zu schwächen und sein Monopol zu stärken“. Mit FairPlay codierte Musik lässt sich nur auf iPods und keinen anderen Geräten abspielen. Es verhindert auch, dass bei anderen Anbietern gekaufte Musik auf iPods wiedergegeben werden kann.

Seit 2. Dezember verhandelt ein Bezirksgericht in Nordkalifornien die Klage, die im Namen von 8 Millionen Kunden eingereicht wurde, die zwischen dem 12. September 2006 und dem 31. März 2009 bestimmte iPod-Modelle gekauft haben. Im Raum steht eine Schadenersatzforderung von 350 Millionen Dollar, die laut US-Kartellgesetzen auf mehr als eine Milliarde Dollar verdreifacht werden kann.

Im Lauf der Verhandlung hatte iTunes-Chef Eddy Cue zwar eingeräumt, Apple habe die Nutzung von Songs aus anderen Quellen als dem iTunes Store verhindert, um den iPod vor Hackern zu schützen. Die Rechteverwaltung an sich sei aber auf Verlangen der Musikindustrie eingeführt worden. „Ohne die Abschottung wäre Apple niemals im Musikgeschäft so erfolgreich gewesen“, sagte Cue.

Der frühere Apple-Entwickler Rod Schultz sagte zudem aus, er habe daran gearbeitet, „100 Prozent aller Nicht-iTunes-Clients abzublocken„. Laut Wall Street Journal erklärte er außerhalb des Gerichtssaals, in einer frühen Phase habe die Arbeit seines Teams dem Verlangen des Marktes für digitale Musik nach einem Copyright-Schutz entsprochen. Später habe es jedoch die „marktbeherrschende Stellung“ des iPods bewirkt.

Auf aktuelle Apple-Produkte hat der Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss. Das Unternehmen bietet seit 2009 nur noch DRM-freie Musik in seinem iTunes Store an. Schon 2007 hatte der damalige CEO Steve Jobs die Abschaffung jeglicher Rechteverwaltung gefordert. Sie sei lediglich auf Druck der Musikindustrie eingeführt worden.

Die Geschworenen müssen nun entscheiden, ob Apple tatsächlich im Markt für digitale Musik über ein Monopol verfügte, und ob es FairPlay wirklich nur benutzt hat, um sich vor Hackern zu schützen, oder ob die digitale Rechteverwaltung doch eingesetzt wurde, um unliebsame Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Die Jury muss sich zudem mit dem Vorwurf beschäftigen, Apple habe durch die Abschottung die iPod-Preise künstlich hoch halten können.

Im Detail geht es auch darum, ob Apple seine iTunes-Software und die iPod-Firmware nur aktualisiert hat, um dem Wettbewerb zu schaden, oder ob es sich bei den Updates um Produktverbesserungen handelte. Letztere sind laut der vorsitzenden Richterin Gonzalez Rogers nach dem Kartellgesetz Sherman Antitrust Act vollkommen legal. Ein Unternehmen müsse einem Konkurrenten nicht helfen, indem es seine Produkte interoperabel mache, Informationen weitergebe oder seine Technik lizenziere, sagte die Richterin den Geschworenen. Mit einem Urteil ist noch in dieser Woche zu rechnen.

[mit Material von Nick Statt, News.com]

Tipp: Wie gut kennen Sie Apple? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.

Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

Recent Posts

KI-gestütztes Programmieren bringt IT-Herausforderungen mit sich

OutSystems-Studie: 62 Prozent der Befragten haben Sicherheits- und Governance-Bedenken bei Softwareentwicklung mit KI-Unterstützung.

3 Tagen ago

Studie: Ein Drittel aller E-Mails an Unternehmen sind unerwünscht

Der Cybersecurity Report von Hornetsecurity stuft 2,3 Prozent der Inhalte gar als bösartig ein. Die…

6 Tagen ago

HubPhish: Phishing-Kampagne zielt auf europäische Unternehmen

Die Hintermänner haben es auf Zugangsdaten zu Microsoft Azure abgesehen. Die Kampagne ist bis mindestens…

1 Woche ago

1. Januar 2025: Umstieg auf E-Rechnung im B2B-Geschäftsverkehr

Cloud-Plattform für elektronische Beschaffungsprozesse mit automatisierter Abwicklung elektronischer Rechnungen.

1 Woche ago

Google schließt schwerwiegende Sicherheitslücken in Chrome 131

Mindestens eine Schwachstelle erlaubt eine Remotecodeausführung. Dem Entdecker zahlt Google eine besonders hohe Belohnung von…

1 Woche ago

Erreichbarkeit im Weihnachtsurlaub weiterhin hoch

Nur rund die Hälfte schaltet während der Feiertage komplett vom Job ab. Die anderen sind…

1 Woche ago