Rabatte für Gesundheitsdaten: Was die deutschen Krankenversicherer planen

Im Zeitalter von Mobility und Big Data werden Aktivitäts-Tracker respektive sogenannte Fitness-Armbänder immer populärer. Sie finden sich inzwischen auch auf der Liste der beliebtesten Technik-Weihnachtsgeschenke: 16 Prozent der im Auftrag des Bitkom Befragten planen, sich zu Weihnachten 2014 eines anzuschaffen oder zu verschenken. Mit ihnen kann der Nutzer unter anderem Schritte zählen, die zurückgelegte Distanz anzeigen oder die beim Sport verbrannten Kalorien errechnen lassen. Manche von ihnen überwachen auch Schlafdauer- und zyklen, um über diese Parameter die Schlafqualität zu ermitteln – oder aber sie messen mit speziellen Sensoren die Herzfrequenz respektive den Puls .

Ein Smartphone und ein Aktivitäts-Tracker wie Microsoft Band ist alles, was gesundheitsbewusste Nutzer zur Datenübermittlung an ihre Krankenkasse benötigen (Bild: Microsoft)

Rabatte und Prämien für Preisgabe von Gesundheitsdaten

Diese durch die Fitness-Tracker gesammelten Informationen wecken nicht nur beim Anwender in seiner Rolle als Selbstoptimierer Begehrlichkeiten, sondern auch bei den Krankenversicherungen. Marktforscher sehen in den aggregierten Körper- und Bewegungsdaten enormes Potenzial und regen an, sie zukünftig für „verhaltensabhängige Tarifmodelle“ zu verwerten. Das bedeutet, dass der Versicherte seiner Krankenkasse die per Fitness-Armband gesammelten Gesundheitsdaten, wie Blutdruck, Blutzucker oder Fettspiegel, per Smartphone-App übermittelt, damit die Versicherung den gegenwärtigen Lebensstil analysieren kann.

Das Versprechen: Wer gesund lebt, sich regelmäßig bewegt und viel Sport treibt, erhält dafür Vergünstigungen in Form von Rabatten oder Prämien. Denn der Versicherte kostet die Krankenkasse bei gesundem Lebenswandel voraussichtlich ja weniger Geld, so das Kalkül dahinter.

Allerdings sind hierbei auch die Nachteile offensichtlich: Zum einen könnten individualisierte Tarife zur Ausgrenzung kranker Menschen führen, die etwa aufgrund eines Unfalls sich nicht oder nur eingeschränkt bewegen können. Zum anderen sind solche Modelle auch aus Datenschutzgründen bedenklich, da die Versicherten mutmaßlich ihrer Krankenversicherung nicht jede körperliche Aktivität mitteilen möchten.

Versicherungskonzern Generali prescht vor

Nichtsdestotrotz will der Versicherungskonzern Generali sich künftig auf dieses Feld vorwagen und hat mit „Vitality“ ein entsprechendes Programm angekündigt. In Zusammenarbeit mit dem südafrikanischen Versicherer und Finanzdienstleister Discovery plant die Versicherungsgruppe ein verhaltensbasierendes Tarifmodell, das darauf ausgerichtet ist, die Versicherten durch Belohnungen zu gesundheitsbewusstem Verhalten zu animieren. Darunter vesteht die Generali etwa Maßnahmen wie Sport oder gesunde Ernährung.

„Wir sehen einen Trend zu stärkerem Gesundheitsbewusstsein. Immer mehr Menschen nehmen ohnehin ihr Smartphone mit zum Sport, um damit ihre Leistungsfähigkeit ermitteln zu können. Auch die Verkaufszahlen von Fitness-Armbändern nehmen Marktstudien zufolge stetig zu. Daher plädieren wir für eine risikogerechte Einordnung eines entsprechenden gesundheitsfördernden Verhaltens“, erläutert Silvia Lorger-Michel, Unternehmenssprecherin bei Generali.

Entgegen anderslautender Medienberichte, die schon über Fitness-Tracker und eine Smartphone-App gemutmaßt hatten, seien die Einzelheiten zur technischen Umsetzung des Vitality-Programms aber noch unklar. Laut Lorger-Michel hat die Produktentwicklung hierzulande erst begonnen. Bis Ende 2015 sollen sich erste Versicherte in Deutschland, Österreich und Frankreich jedoch schon dafür anmelden können.

Gesetzliche Krankenkassen: „Gesundheitszustand spielt ausdrücklich keine Rolle“

Bislang steht die Generali mit ihrem Vorstoß allerdings weitgehend alleine da. Denn vor allem gesetzliche Krankenversicherungen wie AOK oder DAK-Gesundheit lehnen auf Anfrage von ZDNet unisono individualisierte Tarifmodelle ab. Sie berufen sich dabei auf das ihnen zugrunde liegende Solidaritätsprinzip.

„In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es keine Gesundheitsprüfungen beim Vertragsabschluss. Die gesetzlichen Krankenkassen sind Solidargemeinschaften, bei denen der Beitrag einkommensabhängig und nicht gesundheitsabhängig erhoben wird. Für die Aufnahme in eine Krankenkasse spielt der Gesundheitszustand ausdrücklich keine Rolle. Er darf auch bei Vertragsabschluss gar nicht erhoben werden“, erklärt etwa Michael Förstermann, Pressesprecher der IKK Classic. Eine solche Frage betreffe – wenn überhaupt – private Krankenversicherungen, bei denen die Beitragshöhe und das Zustandekommen eines Vertrages unter anderem vom Gesundheitszustand des potenziellen Versicherten abhingen.

Auch Daniela Preußner, Pressesprecherin der Kaufmännischen Krankenkasse, sieht entsprechende Initiativen kritisch: „Ein Wahltarif, der ausschließlich den Fokus auf Versicherte legt, die ohne gesundheitliche Einschränkung sind, widerspricht grundsätzlich dem Gedanken des Solidarprinzips.“

Die Barmer GEK offeriert Fitness-Armbänder von Fitbit, die freiwillig bereitgestellte Daten der Versicherten an eine Fitness-App übermittelt (Bild: CNET.com).

Zudem ist ein solcher Ansatz aus datenschutzrechtlicher Sicht laut Preußner bedenklich: „Für die gesetzliche Krankenversicherung ist im Bereich des Datenschutzes detailliert geregelt, welche personenbezogenen Daten Krankenkassen von ihren Versicherten erheben dürfen. Darüber hinausgehende Daten dürfen im Regelfall nicht erhoben werden, also auch keine Daten, die mit Fitness-Armbändern gewonnen werden.“

Als einzige der von ZDNet befragten großen gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland offeriert bislang die Barmer GEK ein rabattierendes Gesundheitsprogramm, bei dem Nutzer für ihre Daten Bonuspunkte erhalten. Die Versicherung bietet zu diesem Zweck eine App namens Fit2Go an, die der Nutzer mit einem Fitness-Tracker von Fitbit verbinden kann, um auf freiwilliger Basis Informationen wie Vor- und Nachnamen oder Versichertennummer zu übermitteln. Allerdings enthielten die entsprechenden Daten „keinerlei Informationen über Art, Umfang oder Dauer der Bewegung“, wie die Barmer GEK betont. Auch gebe es keine Möglichkeit zur Überprüfung durch die Krankenkasse.

Auch private Krankenversicherungen sind skeptisch

Abgesehen von der Generali plant jedoch auch keine der großen privaten Krankenkassen in Deutschland, die Einführung „verhaltensabhängiger Tarife“. Lediglich die beiden Krankenversicherer der Versicherungskammer Bayern beobachten die „digitalen Möglichkeiten“ nach eigenen Angaben „sehr genau“ und behalten es sich vor, „zu gegebener Zeit entsprechend zu reagieren“. Das heißt aber auch nicht viel, sondern soll wohl lediglich signalisieren, dass man nicht hinter dem Mond lebt.

Grundsätzlich sehen jedoch auch die privaten Versicherer solche Tarifmodelle unter Datenschutzgesichtspunkten kritisch. Birgit König, Vorstandsvorsitzende der Allianz Krankenversicherung, hebt etwa hervor, dass ihre Versicherung Bewegungsdaten nicht dazu verwenden will, die Höhe der Versicherungsprämien zu steuern. Dafür seien sie nicht geeignet: „Datenschutz steht an oberster Stelle: Wir sind daher nicht daran interessiert, aus der Datenflut von Apps entsprechende Daten zu nutzen, um daraus Gesundheits- bzw. Risikoprofile zu erstellen. Diese Daten sind hochsensibel und schutzwürdig.“

Fazit

Zumindest offiziell steht der Versicherungskonzern Generali mit seinem „Vitality“-Vorstoß weitgehend allein auf weiter Flur. Sowohl die privaten Krankenversicherungen als auch erwartungsgemäß die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland lehnen ein datengetriebenes Tarifmodell überwiegend kategorisch ab. Auf absehbare Zeit scheint das Erfassen von Körper- und Bewegungsdaten per Fitness-Tracker also ein Privatvergnügen für Selbstoptimierer zu bleiben.

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Rainer Schneider

Seit September 2013 ist Rainer hauptsächlich für ITespresso im Einsatz, schreibt aber gerne auch mal hintergründige Artikel für ZDNet und springt ebenso gerne für silicon ein. Er interessiert sich insbesondere für die Themen IT-Security und Mobile. Sein beständiges Ziel ist es, die komplexe IT-Welt so durchsichtig und verständlich wie möglich abzubilden.

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