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China blockiert offenbar Gmail

Der E-Mail-Dienst Gmail ist seit Freitag für Nutzer aus China so gut wie nicht mehr erreichbar. Das legen zumindest die Echtzeitstatistiken von Google nahe. Demnach ist der Traffic um circa 85 Prozent gesunken. Chinesische Aktivisten vermuten laut einem Bericht des Guardian, dass die chinesische Regierung hinter der Blockade steckt. Ziel sei es, die Stellung Googles in China zu schwächen. Aufgrund der Gmail-Blockade sähen sich beispielsweise Unternehmen gezwungen, andere Web-Dienste zu nutzen.

Neben Gmail verzeichnen auch andere Google-Dienste wie Google News und einige Office Apps einen Rückgang des Datenverkehrs. Laut Google trugen keine eigenen technischen Probleme zur Nichterreichbarkeit bei. “Wir haben es überprüft und konnten auf unserer Seite keine Probleme feststellen”, erklärte ein Firmen-Sprecher gegenüber dem Guardian. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums widersprach allerdings der Darstellung. Ihr sei von einer Gmail-Blockade nichts bekannt. Außerdem setze sich die chinesische Regierung für gute Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Investoren ein.

Die Schwierigkeiten in China sind nicht neu für den US-Konzern. Seit 2010 verweigert sich Google der von China verlangten Selbstzensur und leitet chinesische Surfer auf seine unzensierte Suche in Hongkong (google.com.hk) um. Hongkong ist zwar nach Bevölkerungszahl eine der größten Metropolregionen der Volksrepublik China, gilt aber als Sonderverwaltungszone, die als frühere britische Kolonie besondere Freiheiten genießt, zu denen auch die Freiheit von der auf Chinas Festland geübten Internetzensur gehört. Auf die umgeleitete Suchergebnisliste reagierte China aber mit einer Zensur, die sich meist nicht als solche zu erkennen gibt, aber die Nutzung der Suchmaschine deutlich erschwert. 2012 sahen chinesische Google-Nutzer daher einen sogenannten Zensurhinweis. Wenn sie ein Stichwort eingeben, das von chinesischen Behörden zensiert wird und dadurch Verbindungsprobleme verursachen könnte, erscheint folgender Text: “Wir haben bemerkt, dass die Suche nach [Suchbegriff] in Festlandchina zu einer vorübergehenden Unterbrechung Ihrer Verbindung zu Google führen kann. Diese Unterbrechung liegt nicht im Einflussbereich von Google.” Im Januar 2013 stellte Google diesen Hinweis allerdings ein.

Auch im November 2012 wurden Google-Dienste blockiert. Damals vermuteten chinesische Nutzer eine Zensurmaßnahme während des beginnenden 18. Parteitags in Peking, bei dem die Kommunistische Partei eine neue Führung wählte. China ist im Umgang mit westlichen Internetanbietern wenig zimperlich. Neben Google sind auch andere Firmen von der Willkür chinesische Behörden betroffen. Nachdem die chinesische „Great Firewall“ im Juni zahlreiche Google-Dienste blockierte, traf es im September die Suchmaschine DuckDuckGo.

Im Juni 2014 beschuldigten regierungsnahe chinesische Medien zahlreiche US-Konzerne – darunter auch Google – des Geheimnisdiebstahls. Die Firmen seien nur der verlängerte Arm des US-Auslandsgeheimdiensts NSA, überwachten China, seien daher eine Bedrohung für chinesische Nutzer und gehörten bestraft. China hat die NSA-Enthüllungen mehrfach als Anlass für Polemik genutzt. Die aktuellen Anschuldigungen scheinen aber eine Antwort auf eine offizielle Beschwerde der USA im Mai zu sein, chinesisches Militär habe US-Firmenserver gehackt und Handelsgeheimnisse gestohlen. China stritt dies ab und nannte die US-Behörden heuchlerisch.

Aus Angst vor Cyberspionage versucht China zunehmend, sich von US-Technik zu lösen. So berichtete Bloomberg, die Behörden hätten die Banken des Landes ermutigt, ihre IBM-Server aufzugeben und im Rahmen eines Tests auf in China produzierte Server umzusteigen. Die jüngsten Berichte zielen möglicherweise darauf ab, die Bevölkerung von der Nutzung amerikanischer Dienstleister abzubringen. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass China einen sogenannten Vertrauensindex für Cloudanbieter einführen will. Nur die mit der höchsten Einstufung sollen anschließend für Behördenprojekte in Erwägung gezogen werden. China Daily schließt daraus, dass ausländische Angebote wohl künftig keine Chancen auf Regierungsaufträge mehr haben werden.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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