In Australien hat eine Interessengruppe aus 460 Internetfirmen (AIMIA) gegen einen „De-facto-Internet-Filter“ protestiert, den die Bundespolizei nach ihrer Darstellung unter dem Deckmantel des Vorgehens gegen Kinderpornografie eingerichtet hat. Die Firmen, zu denen Ebay, Facebook, Freelancer, Google und Yahoo7 (eine Allianz aus Yahoo und dem TV-Sender Channel 7) zählen, kritisieren vor allem, dass keinerlei Kontrolle des Systems vorgesehen ist.
Die Polizei beruft sich auf Abschnitt 313 des australischen Telekommunikationsgesetzes, um von Interpol identifizierte Kinderporno-Seiten zu zensieren. Im April 2013 war aber durch ein Versehen klar geworden, dass die Zensurmöglichkeiten von Regierungsbehörden weit darüber hinausgehen. Ein Fehler der Australian Securities and Investments Commission (ASIC) sorgte damals dafür, dass für Kunden von zwei Internet-Service-Providern mindestens 250.000 Websites blockiert waren. Die Maßnahme sollte sich eigentlich nur gegen eine Betrugskampagne richten.
Nachforschungen ergaben, dass mindestens drei Regierungsbehörden unter Berufung auf Abschnitt 313 die Möglichkeit haben, Websites zu blockieren, und dass es keine Kontrollinstanz gibt. Das Kommunikationsministerium räumte ein, dass Sperrmaßnahmen eigentlich ministerielle Zustimmung erfordern müssten. Allerdings handle es sich eigentlich nicht um einen Filter.
Die Firmengruppe AIMIA schreibt nun: „Unsere Branche ist besorgt, dass es keine natürlich Grenze für die offenbar fortschreitende Ausweitung dieses Systems gibt.“ Nichts hindere die Regierung, Sperren auf andere als illegale Inhalte zu erweitern. Die Aktualisierung von Sektion 313 sei extrem breit angelegt und gehe weit über die Intentionen der vorherigen Regelung hinaus.
Zudem kann in der Praxis laut AIMIA jeder Beamte einer Bezirks-, Staats- oder Bundesbehörde eine Website-Blockade veranlassen. Dies entspreche nicht den Vorgaben von Sektion 313. Dieser Abschnitt des Telekommunikationsgesetzes sei nur für die Interpol-Liste der schlimmsten Kinderpornografie-Server intendiert gewesen.
Das an die Regierung gerichtete Schreiben der AIMIA ist offensichtlich eine Reaktion auf zunehmende Versuche der australischen Regierung, Kontrolle über das Internet-Angebot zu erlangen. Derzeit wird ergänzend an einem Gesetz gearbeitet, das ISPs zur Sperre von Websites zwingen soll, die gegen das Urheberrecht verstoßen. Immerhin wird dafür eine gerichtliche Anordnung nötig sein. Gerade erst hat Kommunikationsminister Malcolm Turnbull erklärt, auch dieses System sei kein Internet-Filter. Das Wort Internet-Filter ist in Australien vorbelastet, seit Turnbulls Vorgänger Stephen Conroy unter diesem Namen eine Internetzensur einführen wollte, aber am öffentlichen Widerstand scheiterte.
Kinderschutz ist das am häufigsten gebrauchte Argument zugunsten von Internet-Filtertechniken – so auch in Deutschland, wo die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen aber mit ihrem Vorstoß scheiterte. Kritiker bezeichnen solche Filter als ineffizient – lediglich die Anfangshürde für den Zugriff auf verbotenes Material steige. Und Bürgerrechtler geben zu bedenken, dass so eine Überwachungs- und Zensur-Infrastruktur entsteht, die infolge ihrer technischen Möglichkeiten Meinungs- und Pressefreiheit bedroht.
[mit Material von Josh Taylor, ZDNet.com]
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