Nach Terror in Frankreich: Elf EU-Staaten fordern mehr Internet-Kontrolle

Etwa die Hälfte der EU-Staaten macht sich nach den Terroranschlägen in Frankreich in der vergangenen Woche für ein Online-Zensursystem stark. Zu den elf Unterzeichnern einer diesbezüglichen Erklärung (PDF) zählen Deutschland und Polen ebenso wie Großbritannien und Spanien.

In der Erklärung verurteilen die elf Innenminister – darunter für Deutschland Thomas de Maizière – den Mordanschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und ihren Polizeischutz ebenso wie die folgende Geiselnahme in einem koscheren Supermarkt. Sie bekennen sich zum Recht auf freie Meinungsäußerung, den Menschenrechten, Pluralismus, Demokratie, Toleranz und dem Rechsstaatsprinzip. Während diese Werte auch online erhalten bleiben müssten, sei das Internet zugleich ein Brennpunkt im „Kampf gegen Radikalisierung“.

„Wir sind betroffen über die zunehmende Nutzung des Internets, um Hass und Gewalt zu schüren, und signalisieren unsere Entschlossenheit, sicherzustellen, dass das Internet zu diesem Zweck nicht missbraucht wird“, heißt es unter dem dritten Punkt der Resolution. „Eine Zusammenarbeit mit den großen Internetanbietern ist unerlässlich, um ein schnelles Meldesystem für Material zu schaffen, das Hass und Terror propagiert, und für seine Entfernung, soweit angemessen und möglich.“

Neben Internetzensur schlagen die Innenminister als Maßnahmen die Verbreitung positiver Gegenpropaganda vor, die sich an ein junges, ihrer Vorstellung nach für Indoktrinierung anfälliges Publikum richten soll. Außerdem sollen die Einreisekontrollen für den Schengenraum verschärft werden. Auch illegalen Waffenbesitz wollen die Innenminister stärker eindämmen.

Abschließend heißt es, für diese Maßnahmen sei eine enge Kooperation mit den USA und Kanada vonnöten. Für diesen Freitag ist ein weiteres Treffen der EU-Innenminister geplant. Der Kampf gegen den Terrorismus wird auch auf der Agenda des Ratstreffens der EU-Außenminister am 19. Januar sowie des informellen Treffens der europäischen Innenminister am 28. Januar stehen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs werden auf dem nächsten EU-Gipfel am 12. Februar über Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung beraten.

Frankreich hatte schon am Tag nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo beschlossen, den Internetzugang zu Terrorismus-Seiten (und im Gefolge auch gleich zu solchen mit Kinderpornografie) auf Domain-Level zu sperren. Paris hat dazu ein Notfallverfahren bei der EU beantragt.

Eine Internetzensur gibt es heute nicht nur in China und Russland, sondern beispielsweise auch in Großbritannien und Australien. Als Anlass der Einführung dienen zumeist Urheberrechtsverstöße oder Kinderpornografie, in der Praxis weiten sich solche Sperren aber schnell aus, was in Australien etwa schon eine Allianz aus Ebay, Facebook und Google zu Protesten gebracht hat. Als explizite Antiterrormaßnahme gelten hingegen Indiens jüngste Sperren von Websites wie Vimeo, Dailymotion und Github, die angeblich dschihadistische Propaganda transportieren. Auf rätselhafte Weise kam auch die Software-Projektseite eines Leipziger Studenten auf die indische Zensurliste.

[mit Material von Charlie Osborne, ZDNet.com]

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Florian Kalenda

Seit dem Palm Vx mit Klapp-Tastatur war Florian mit keinem elektronischen Gerät mehr vollkommen zufrieden. Er nutzt derzeit privat Android, Blackberry, iOS, Ubuntu und Windows 7. Die Themen Internetpolitik und China interessieren ihn besonders.

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