EU-Kommission beschuldigt Luxemburg illegaler Staatshilfe für Amazon

Laut vorläufiger Einschätzung der EU-Kommission hat Luxemburg dem Versandhändler Amazon unrechtmäßige Steuervorteile verschafft. Die Praxis „verbindlicher Steuervorbescheide“ komme nach aktuellem Erkenntnisstand einer illegalen Staatshilfe gleich, heißt es in einem Brief (PDF) der Kommission an die zuständigen Stellen in Luxemburg.

Das jetzt veröffentliche Schreiben ist auf den 7. Oktober 2014 datiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die EU-Kommission eine eingehende Untersuchung des Steuerabkommens zwischen dem Großherzogtum und dem US-Versender angekündigt. Der Brief liefert auch eine detaillierte Begründung für die gestartete Untersuchung.

Der Online-Händler hat seinen europäischen Hauptsitz nicht zufällig in Luxemburg: Seit 2003 gilt dort eine so genannte Steuervorentscheidung für Amazon S.à.r.l. Die Gewinne, die die europäische Tochter des Versandhändlers in Luxemburg versteuern muss, könnten zu niedrig angesetzt sein und Amazon einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen, so der Vorwurf der Wettbewerbskommission. Im Jahr 2013 hatte Amazon S.à.r.l. laut Informationen der EU-Kommission einen Nettoumsatz von 13.612.449.784 Euro.

„Die nationalen Behörden dürfen nicht zulassen, dass einzelne Unternehmen ihre zu versteuernden Gewinne mittels für sie vorteilhafter Berechnungsmethoden zu niedrig ansetzen“, erklärte der damalige EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia im Okotber 2014. „Es ist nur fair, dass Tochtergesellschaften multinationaler Konzerne ordnungsgemäß Steuern zahlen und keine Vorzugsbehandlung erhalten, die auf versteckte Beihilfen hinauslaufen könnte.“

Amazon ist nicht das einzige Unternehmen, gegen das die EU-Kommission ermittelt. Weitere Beispiele aus der IT-Branche sind Apple oder auch Google, die über ein Geflecht an Tochtergesellschaften Gewinne in Länder verschieben, wo niedrige oder überhaupt keine Steuern gezahlt werden müssen. So landen beispielsweise Gewinne von Google im Steuerparadies Bermudas. Apple hingegen transferiert europäische Gewinne nach Irland.

Grundsätzlich ist es für multinationale Konzerne nicht verboten, Gelder über Lizenzgebühren oder Kredite in Länder mit günstigeren Steuerregelungen zu verschieben. Daher ermittelt die EU auch nicht gegen Unternehmen selbst, sondern gegen die jeweiligen Regierungen, die in Form vergünstigter Steuerpraktiken eventuell gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstoßen.

Die oft angewandten „Steuertricks“ werden auch Advanced Pricing Arrangements (APA) genannt. Hier verhandelt der Steuerzahler bestimmte Regelungen mit der zuständigen Steuerbehörde. Die EU muss in dieser Ermittlung nun nachweisen, dass durch diese APAs mit Amazon eine staatliche Beihilfe für ein einzelnes Unternehmen geleistet wird. Das ist jedoch nur sehr schwer möglich. Luxemburgs Regierung äußerte sich zuversichtlich, beweisen zu können, dass die Steuerabkommen mit Amazon und anderen Konzernen keinen unfairen Wettbewerbsvorteil darstellen.

[mit Material von Martin Schindler, silicon.de]

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Microsoft nennt weitere Details zu kostenpflichtigen Patches für Windows 10

Erstmals liegen Preise für Verbraucher vor. Sie zahlen weniger als Geschäftskunden. Dafür beschränkt Microsoft den…

14 Stunden ago

Microsoft verschiebt erneut Copilot Recall

Die Entwickler arbeiten noch an weiteren „Verfeinerungen“. Windows Insider erhalten nun wohl eine erste Vorschau…

1 Tag ago

GenKI im Job: Mitarbeitende schaffen Tatsachen

Laut Bitkom-Umfrage werden in jedem dritten Unternehmen in Deutschland private KI-Zugänge genutzt. Tendenz steigend.

1 Tag ago

97 Prozent der Großunternehmen melden Cyber-Vorfälle

2023 erlitten neun von zehn Unternehmen in der DACH-Region Umsatzverluste und Kurseinbrüche in Folge von…

1 Tag ago

„Pacific Rim“-Report: riesiges, gegnerisches Angriffs-Ökosystem

Der Report „Pacific Rim“ von Sophos beschreibt Katz-und-Maus-Spiel aus Angriffs- und Verteidigungsoperationen mit staatlich unterstützten…

2 Tagen ago

DeepL setzt erstmals auf NVIDIA DGX SuperPOD mit DGX GB200-Systemen

NVIDIA DGX SuperPOD soll voraussichtlich Mitte 2025 in Betrieb genommen und für Forschungsberechnungen genutzt werden.

2 Tagen ago