WLAN-Betreiber sind nicht grundsätzlich für Rechtsverstöße verantwortlich, die über ihre Verbindung und mit ihrer IP-Adresse begangen werden. Eine Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg vom Dezember in dieser Sache ist jetzt veröffentlicht geworden (Aktenzeichen 217 C 121/14): In der Urteilsbegründung gesteht das Gericht einer abgemahnten Privatperson das Providerprivileg zu und schließt die sonst oft ins Feld geführte Störerhaftung aus.
Wie die Initiative „Freifunk statt Angst“ berichtet, wurden die ursprünglichen Ansprüche der von der Kanzlei von Waldorf Frommer vertreten Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany GmbH schon im August 2014 außergerichtlich zurückgenommen. Nun hat das Berliner Gericht entschieden, dass die Abmahner die Kosten des Verfahrens vollständig übernehmen müssen – also auch die Anwaltskosten des abgemahnten WLAN-Betreibers. In der Urteilsbegründung (PDF) wertet das Gericht den Rückzug der Klage als negatives Schuldanerkenntnis.
Nach Auffassung des Gerichts gab es aber von Anfang an keinen Anspruch gegen den WLAN-Betreiber – „weder auf Unterlassung, Auskunft oder Schadensersatz“, wie es in der Urteilsbegründung heißt. Zudem ist ihm nicht nachzuweisen, dass er die Urheberrechtsverletzung begangenen hat.
Zwar sei es zunächst legitim, anzunehmen, dass der Inhaber einer IP-Adresse die davon ausgehenden Aktivitäten auch verantworten muss. Bestreite er dies aber und kann dies darlegen – etwa weil er in einem Mehrpersonenhaushalt wohnt oder wie im vorliegenden Fall das WLAN anderen zur Verfügung gestellt hat -, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er deren Tun kontrolliert und für deren Aktivitäten verantwortlich ist. Ähnlich hatte dies übrigens auch das Amtsgericht Hamburg im Juni 2014 gesehen und einen Rechteinhaber abgewiesen, der einen Vermieter wegen Filesharing verklagt hatte. Er sei nicht für das Tun seiner Mieter verantwortlich, entschied es.
Das Gegenteil muss dem Betreiber des WLANs erst beweisen werden. Das Berliner Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass Abweichungen von diesem Grundsatz nur im Einzelfall zulässig sind. Dem Inhaber des ermittelten Internetzugangs darf nicht regelmäßig die Beweislast zufallen. Gerade davon waren aber viele Kanzleien, die Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen verschickten, bisher ausgegangen.
Der Betreiber des WLANs habe nachvollziehbar dargelegt, dass der unzweifelhafte Rechtsverstoß durch andere begangenen worden sein kann. Dabei habe ihm geholfen, dass nur ein Zeitpunkt und eine Urheberrechtsverletzung genannt wurde, begründet das Gericht. Schließlich scheidet laut Amtsgericht Charlottenburg auch die Störerhaftung aus: Wer ein öffentliches WLAN betreibt, ist grundsätzlich als Access-Provider einzustufen. Dieser ist gemäß Paragraph 9 Absatz 1 TDG für fremde Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich und deshalb auch „nicht verpflichtet, Nutzer oder Kunden zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinwiesen.“
Dieses Privileg war bisher nur gewerblichen Betreibern zugestanden worden. Die Digitale Gesellschaft e.V. hat bereits 2012 gefordert, es auch auf Privatpersonen zu erweitern. Der auf ihrem Gesetzentwurf basierende Antrag, den die Oppositionsparteien Ende 2013 in den Bundestag eingebrachten, wird derzeit noch im Wirtschaftsausschuss beraten. Ein von der Bundesregierung angekündigter Gegenentwurf, mit dem ausschließlich gewerbliche Anbieter von der WLAN-Störerhaftung befreit werden sollten, lässt weiter auf sich warten.
„Angesichts der sich nun in der Rechtsprechung abzeichnenden Tendenz stellen die Pläne der Bundesregierung allerdings einen Rückschritt dar. Dem Ziel, rechtssichere Bedingungen für den Betrieb offener Funknetze zu schaffen und die Verfügbarkeit offener WLAN-Zugänge zu erhöhen, würde sie mit ihrem Vorhaben in keiner Weise gerecht“, teilt der Verein Digitale Gesellschaft in einer Presseerklärung mit. Geschäftsführer Alexander Sander argumentiert: „Die konsequente und bedingungslose gesetzliche Abschaffung der WLAN-Störerhaftung ist überfällig. Angesichts der erfreulichen Entwicklung der Rechtsprechung wäre es ein verheerender Rückschritt, nur Cafés und Hotels von der Haftung freizustellen und die Betreiber zur Identifizierung der Nutzerinnen und Nutzer zu zwingen.“
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
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