Die Staaten der Europäischen Union haben sich gegen eine Abschaffung der Roaminggebühren bis Ende 2015 ausgesprochen. Stattdessen votierte die Mehrheit der 28 Mitglieder im Europäischen Rat dafür, die Frist mindestens bis 2018 zu verlängern. Zugleich wollen sie aber Maßnahmen einleiten, die Reisenden innerhalb der EU eine günstigere Nutzung ihres Mobiltelefons erlauben.
Mit seiner Entscheidung stellte sich der Rat der EU-Staaten gegen die Pläne des EU-Parlaments. Dieses hatte Anfang April 2014 mit großer Mehrheit für die Abschaffung der Roaminggebühren bis zum 15. Dezember 2015 gestimmt. Nur bei zweckwidriger oder missbräuchlicher Nutzung wollte es weiter eine Gebühr erheben. Zugleich sprachen sich die Parlamentarier dafür aus, die Netzneutralität weiterhin ohne größere Einschränkungen im Telekom-Paket festzuschreiben.
Der grundsätzliche Wegfall der Roamingentgelte sollte die Grundlage für einen einheitlichen Telekommunikationsmarkt innerhalb der EU bilden. Die Preise, die Verbraucher fürs Roaming zahlen müssen, sollten vom lokalen Wettbewerb im jeweiligen Reiseland bestimmt werden.
Die Mitgliedsstaaten schwebt jedoch ein anderes Konzept auf Grundlage eines „Basis-Roaming-Rabatts“ vor. Sobald ein festgelegtes Datenvolumen verbraucht ist, sollen die Netzbetreiber eine Zusatzgebühr für die weitere Datennutzung erheben können – die angeblich deutlich niedriger ausfallen soll als die bisherigen Entgelte. Dem Europäischen Rat zufolge darf die Gebühr für Gespräche, SMS und Daten nicht die maximalen Wholesale-Gebühren überschreiten, die Provider für die Nutzung von Netzen in anderen Mitgliedsstaaten entrichten müssen.
Das vom Rat vorgeschlagene Gratisvolumen von 5 MByte pro Tag hat ihm bereits deutliche Kritik eingebracht. Die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) wies darauf hin, das sich damit gerade einmal 15 E-Mails mit Anhang oder 250 ohne Anhang abrufen ließen. In einem Brief (PDF) an den Europäischen Rat erklärten mehr als 100 Abgeordnete, dass derlei Pläne die Bürger „zweifellos sehr enttäuschen“ würden. „Die Lücke zwischen einer Abschaffung der Roaminggebühren und 5 MByte pro Tag ist unermesslich groß“, heißt es darin.
Wesentlich schärfere Kritik äußerte Guy Verhofstadt, Vorsitzender der liberalen Fraktion ALDE: „Das ist ein Skandal. Die Abschaffung der Roaminggebühren und die Schaffung eines einheitlichen Telekommunikationsmarktes waren im Wahlkampf ein Hauptanliegen aller Parteien, von denen viele nun für die Blockade dieser Maßnahmen verantwortlich sind. Das schließt auch EU-Präsident Juncker ein, der nun mit ansehen muss, wie seine eigenen europäischen Regierungen seine Anliegen im Rat abwürgen. Er sollte Frau Merkel morgen klar machen, dass die Realisierung eines einheitlichen digitalen Marktes ein Schlüssel für Wettbewerb und Wachstum in Europa ist.“
In Bezug auf den Vorschlag des Ministerrats ergänzte Verhofstadt: „Zu sagen, dem Text fehlt es an Ehrgeiz, ist eine Untertreibung. Unsere Partei wird diesen Text sicher nicht akzeptieren, da die einzigen Profiteure nur die nationalen Telekommunikationskonzerne selbst sind. Die Mitgliedsstaaten sollten sich schämen.“
Wenig überraschend begrüßte auf der anderen Seite der Branchenverband ETNO, der die Telekom-Carrier in Europa vertritt, den Vorschlag des Rates. „Wir sollten nicht die Zielsetzung des anfänglichen Vorschlags der Kommission vergessen, nämlich Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern. Eine Regulierung, die neue Geschäftsmodelle ausschließt und die Umsätze schwächt, kann in niemandes Interesse sein“, sagte ETNO-Chairman Steven Tas.
Hinsichtlich der Netzneutralität vertritt der Rat unter dem Vorsitz von Lettland die Position, dass Netzbetreiber mit ISPs und Firmen Vereinbarungen über Services mit verschiedenen Qualitätsstufen abschließen dürfen sollten, solange dies die übrigen Internetdienste nicht negativ beeinflusst. Über die Einhaltung dieser Vorgaben sollen die nationalen Regulierungsbehörden wachen.
Die erneute Diskussion über Netzneutralität in Europa folgt auf eine Entscheidung der US Federal Communications Commission (FCC) jegliche Priorisierung des Datenverkehrs zu untersagen. Ein erster Entwurf des FCC-Chairman Tom Wheeler sah im vergangenen Jahr noch bezahlte Überholspuren vor.
[mit Material von Liam Tung, ZDNet.com]
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