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Zwei Wochen unterwegs mit der Apple Watch

10. April, 9:00 Uhr. Apple meint es gut mit uns Mitteleuropäern. Während die Amerikaner zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens einsatzbereit vor ihrem Rechner sitzen müssen, um eine Apple Watch vorzubestellen, müssen wir für den Vorbestellungsstart weder eine Nachtschicht einlegen, noch den Wecker stellen.

Die Aufgabe für meinen US-Kollegen und mich ist klar: Jeder bestellt seine Wunschuhr und eine zusätzliche Watch, die auf unserem nächsten Event verlost werden soll. Wir stellen schnell fest, dass ausgerechnet unsere Wunschuhren, eine Stahlversion mit dunkelblauem Band und eine Sport-Version in schwarz, den Verkaufsstart verweigern und erst zwei bis vier Wochen später geliefert werden können. Also machen wir uns auf die Suche nach einer wirklich verfügbaren Apple Watch. Es ist die Sport-Watch mit babyblauem Armband. Und sie kommt tatsächlich pünktlich. Dass dieses Modell nicht besonders beliebt zu sein scheint, merken wir spätestens, als Apple uns dieses noch einmal – geschickt verpackt als besonderen Service für Entwickler – mit sofortiger Lieferung zum Verkaufsstart anbietet.

Die Apple Watch kommt tatsächlich wie versprochen. Schnell habe ich unsere Entwickler überzeugt, dass zunächst ich die Uhr nutzen kann, denn unsere Featureliste bei Teamplace – unserer Cloud Storage Lösung für Teams – hat aktuell andere Prioritäten. So mache ich mich mit der nagelneuen Apple Watch auf einen zweiwöchigen US-Trip. Ich habe unter anderem die Hoffnung, mit diesem Chronographen am Arm bestens für das Networking auf zwei Events, die ich besuchen werde, gerüstet zu sein. Mein erster Eindruck: Sie ist auf keine Fälle zu groß. Verglichen mit der Uhr aus den 50er Jahren, die ich von meinem Vater geerbt habe, ist sie nur etwas dicker. Im Vergleich zu meiner wasserdichten Uhr, die ich zum Wellenreiten nutze, wirkt sie fast schon klein. Würde die Apple Watch 2 kleiner werden, wäre dies auf keinen Fall ein Argument zum Wechsel.

Nachdem man die Apple Watch mit dem iPhone gepaired hat, kann man die gesamte Konfiguration auf dem iPhone erledigen. Und so kann man wählen, dass alle Apps, die ein Watch-Derivat haben, automatisch geladen werden. Ein paar Touchübungen später hat man dann auch seine optimale Oberfläche gewählt, und es kann losgehen. In den letzten zwei Tagen vor meiner Abreise in die USA stelle ich bereits fest, dass die Activity-App mich bewegt hält. Ich muss zugeben, dass die Uhr jedes Mal Recht hat, wenn sie signalisiert: „Es ist Zeit mal wieder aufzustehen“. Ganz anders als die Pausenempfehlung meines Audis, die immer dann zuschlägt, wenn ich mich gerade besonders fit fühle. Dafür enttäuscht sie in anderer Hinsicht: Die Kopplung zwischen iPhone und Watch funktioniert nur über Bluetooth sinnvoll. Meine Idee, ich könnte das iPhone am Schreibtisch liegen lassen und würde dennoch über wichtige Mails informiert, egal in welchem Besprechungsraum innerhalb unseres WLANs ich mich befinde, realisiert sich leider nicht. Hierzu lese ich auf Seite 22 im Handbuch folgendes: „Wenn sich Ihre Apple Watch und Ihr iPhone im selben Netzwerk befinden, aber nicht per Bluetooth verbunden sind, können Sie ohne das iPhone die folgenden Aktionen mit der Apple Watch ausführen: mit iMessage Nachrichten senden und empfangen, DigitalTouch-Nachrichten senden und empfangen, Siri verwenden.“

Aber dann geht es auch schon los: Die Boardingpässe sind automatisch auch auf der Uhr verfügbar, und so versuche ich mich gleich mal mit der One World Lounge in Berlin Tegel. Und prompt geht es schief. Der eigentlich recht geniale Sicherheitsmechanismus, dass die Uhr nur am Arm funktioniert, führt auch dazu, dass dieser gleich mit unter den Scanner muss. Was schon daran scheitert, dass der Lounge-Scanner eher auf Papierdicke als auf Armbreite ausgelegt ist. Aber zum Glück ist das iPhone ja nicht weit entfernt und kann entsprechend einspringen.

Und das ist genau die UX-Challenge für jeden Entwickler: Die App auf der Watch muss so gut sein, dass man das nur ein Meter entfernte iPhone in der Tasche lassen kann. Sonst ist die App wertlos und wird der Übersichtlichkeit zuliebe gelöscht.

Zum Boarding habe ich dann auch schon den Armschwung geübt, der die Anzeige aktiviert und gehe ohne Probleme an Bord, um dann erstmalig meine Uhr in Flugmodus zu stellen. Der routinierte Flieger stellt kurz nach dem Start seine Uhr auf die Ziel-Zeitzone. Doch wie verstelle ich die Zeit meiner Apple Watch? Mir schwant: Das muss ich mit dem iPhone erledigen. Doch beide sind brav im Flugmodus, so dass erst Bluetooth wieder aktiviert, die automatische Zeiteinstellung im iPhone deaktiviert und manuell auf die Ziel-Zeitzone gestellt werden muss. Praktisch sieht anders aus. Klar kann man sich durch die Weltzeitzonen blättern, aber komfortabel ist das nicht.

In den USA gelandet, läuft die Uhr fleißig weiter. Auch an einem Tag, der mit neun Stunden Zeitverschiebung in die Länge gezogen wurde, stellt die Batterielaufzeit kein Problem dar. Muss sie am Ende des Tages geladen werden, geschieht dies kontaktlos und ist völlig unproblematisch.

Sehr schnell hat man sich daran gewöhnt, dass das iPhone irgendwo in den Taschen verbleibt und man dennoch über alles informiert wird. Die Apple Watch wird zur zentralen Inbox. Egal, ob What’s App, Twitter, E-Mail oder – wie ich auch mit unserem Produkt ThinPrint testen konnte – anstehende Druckaufträge werden über die Apple Watch signalisiert. Wem das zu viel wird, der kann die Signalisierung auf dem iPhone sehr genau einstellen. Gerade auf Reisen fand ich die Signalisierung jedoch recht praktisch und war entsprechend verwundert, als auf meinem ersten Event genau diese Funktion versagte. Die Ursache: Das Festivalbändchen des Collision Events verursachte eine Trennung der Watch von der Hautoberfläche und verriegelte diese sofort. So setzte jegliche Signalisierung aus.

App Hersteller sollten, bevor sie eine App für die Watch entwickeln, zuerst überprüfen, wieweit einen sinnvolle Notification für Ihre App funktioniert. Aus der Erfahrung der ersten Wochen ist genau dies das Hauptfeature der Apple Watch. Während ich noch keine wirklich notwendige und sinnvolle Third Party App für die Watch gefunden habe, nutzte ich die Notification fortwährend.

Von den nativen Apple Apps gibt es eine Reihe sinnvoller und weniger sinnvolle Anwendungen. Da die Kamera des iPhones sich jetzt auch über die Apple Watch auslösen lässt, gibt es beispielsweise völlig neue Selfie-Möglichkeiten. Wer Apple Maps zur Navigation benutzt, dem wird vorm Abbiegen am Handgelenk geruckelt – ich weiß bis heute nicht, ob ich das wirklich gut finde. Und die Activity App soll für mehr Bewegung sorgen. Abgesehen von der Aufforderung zum Aufstehen, muss man dazu aber die passenden Sportarten betreiben. Bei meinen Favoriten Hockey, Beach-Volleyball und Kiten bleibt die Uhr in der Tasche und zeigt folglich meine aktivsten Tage als die faulsten an. Leider versagt auch die Stehauf-Funktion bei einem zehn Stunden Standdienst, denn auch wenn ich mir die Beine in den Bauch gestanden habe, ist meine Uhr mit mir noch immer nicht zufrieden. Vermutlich, weil die Uhr das Dauerstehen einfach nicht als Aktivität registriert. Dafür sammle ich in der Achterbahn Aktivitätspunkte ganz bequem im Sitzen.

Fazit

Ganz klar, die Apple Watch ist kein „Must Have“, aber man gewöhnt sich schnell an sie. Ich persönlich empfinde die Signalisierung am Handgelenk als recht entspannt, kann doch so das iPhone meist irgendwo in der Tasche verweilen. App-Entwickler sollten sich im Klaren darüber sein, dass eine App für die Apple Watch maximal zwei Klicks für eine Aktion benötigen und die Klickfläche am besten der gesamten Watch entsprechen sollte. Außerdem sollten sie prüfen, ob nicht eine Notification völlig ausreicht. Letztendlich habe ich dann mal die Stoppuhr gestartet, um zu wissen, wie lange der Gesetzgeber braucht, um das Lesen von E-Mails auf der Uhr im Auto zu untersagen. Ich denke, wir haben Zeit.

AUTOR

Carsten Mickeleit ...

... ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Cortado AG (vorher ThinPrint AG) und Mitbegründer der Teamplace GmbH. Nach seinem Studium arbeitete Carsten Mickeleit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für System und Planungstheorie. 1990 rief er das Systemhaus Carano ins Leben und war hier zuständig für Vertrieb, Marketing und Technologie. 1999 gründete er die ThinPrint AG und entwickelte das Unternehmen - jetzt Cortado AG – zum führenden Anbieter von softwarebasierten Druck- sowie Enterprise-Mobility-Lösungen. Carsten Mickeleit hat einen Universitätsabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin mit Spezialisierung auf Finanzen und Elektronik.

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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