Von The Intercept eingesehene Gerichtsdokumente zeigen, dass Google 2011 gezwungen wurde, Ermittlern Daten zum Konto des Aktivisten Jacob Appelbaum auszuhändigen. Die Behörden setzten Zugriff auf sich etwa über ein Jahr erstreckende E-Mail-Metadaten durch. Google wurde außerdem gerichtlich untersagt, Appelbaum darüber zu informieren.
Appelbaum hat am Anonymisierungsdienst Tor mitgearbeitet und war als Freiwilliger für Wikileaks engagiert, das ab 2010 geheime Depeschen von US-Botschaftern weltweit zu publizieren begann. Der amerikanische Staatsbürger lebt heute in Berlin. Er ist unter anderem journalistisch tätig und hat an Geschichten für Guardian und Spiegel auf Basis von Dokumenten Edward Snowdens mitgewirkt. Für seine Recherchen zur Überwachung von Angela Merkels Handy erhielt er 2014 den Henri-Nannen-Preis.
The Intercept zufolge widersetzte sich Google drei Monate lang dem Zugriffsbegehren der US-Regierung, die Metadaten von Appelbaums Korrespondenz einschließlich aller IP-Adressen forderte, von denen aus er auf sein Konto zugriff. Das Justizministerium wollte Appelbaum dabei kein besonderes Recht auf Privatsphäre entsprechend dem vierten Zusatz zur US-Verfassung zuerkennen. Er sei kein Journalist. Google hingegen brachte Verfassungsbedenken vor und wollte Appelbaum umgehend über die Ermittlungen informieren. Schließlich könnten seine E-Mails vertrauliche Informationen zu Wikileaks-Quellen enthalten.
Das Justizministerium erwiderte, es gebe keine Sonderrechte für Journalisten, wenn die Regierung nicht nachweislich böswillig agiere. Zudem sei Appelbaum ja keiner. Googles ständige Weigerungen behinderten ein gesetzeskonformes Strafermittlungsverfahren, hieß es.
Geheimhaltung aber forderte das Justizministerium, weil es wegen eines ähnlichen Falles ohnehin schon in der Kritik stand: 2011 informierte Twitter eine Reihe Wikileaks-Aktivisten, dass das Justizministerium das Recht erhalten hatte, auf ihre Kontodaten zuzugreifen. Darunter waren auch Wikileaks-Gründer Julian Assange, die isländische Parlamentsabgeordnete Birgitta Jónsdóttir und der vermeintliche Wikileaks-Informant Bradley (heute Chelsea) Manning. Dies sorgte für beträchtlichen Wirbel, den die Regierungsbehörde nicht erwartet hatte. Im Fall von Appelbaums Gmail-Daten wollte sie „das Problem nicht verschärfen“.
Google hielt das für überzogen und keinen ausreichenden Grund für eine Geheimhaltung. Richter Ivan D. Davis entschied im Februar 2011 aber zugunsten des Justizministeriums. Eine Berufung Googles wurde im März 2011 von einem Bundesbezirksrichter abgelehnt.
Der jetzigen Freigabe der Gerichtsunterlagen hat die US-Regierung am 1. April 2015 zugestimmt, unter der Bedingung, eine Reihe von Schwärzungen vornehmen zu dürfen. Appelbaum scheint am 14. Mai über sein Gmail-Konto informiert worden zu sein. Er nannte die Vorgänge „eine langsam fortschreitende Travestie“, und es sei wichtig, auf „den absoluten Wahnsinn in diesen Dokumenten“ hinzuweisen.
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