Blickt man aus heutiger Sicht auf die milliardenschwere Übernahme von Veritas durch Symantec zurück, muss man sie als neutraler Beobachter schlichtweg als gescheitert bezeichnen. Die am grünen Tisch ausgerechneten Vorteile der Firmenbosse ließen sich den Kunden nicht vermitteln, das theoretisch schön klingende Konzept vom umfassenden Schutz der Information durch die Kombination aus Netzwerk-, Endpoint- und Applikationssicherheit im Zusammenspiel mit der Sicherung der Daten durch Backup, Recovery und Zugriffskontrollen war ein Traum für den Anbieter – aber aufgrund seiner Komplexität ein Alptraum für die Kunden.
Die Folge: Firmen pickten sich die für sie passenden Teile aus der Symantec-Software-Wunderwelt heraus und ließen den Rest links liegen. Up- und Cross-Selling-Versuche der durch das Bonus-System dazu getriebenen Vertriebsmannschaft wurden eher als anstrengend empfunden, denn als echte Beratung und Bereicherung – zumindest in vielen Fällen. Es kam wie es kommen musste: Einige Produkte liefen gut und wurden stark nachgefragt und verkauft, das restliche Portfolio fristete ein Nischendasein. Dies wiederum führte zur Herabstufung der Teilbereiche durch Analysten, die gerne umfassendere Ansätze und mehr Innovation gesehen hätten. Spezialisten unter den Wettbewerbern holten auf oder überholten Symantec sogar.
Der Spalter: Symantec-CEO Michael Brown (Bild: Symantec)Die beste Entscheidung des Symantec-Managements in den vergangenen zehn Jahren war es daher, die unglückliche Partnerschaft wieder aufzulösen. Dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hat, zeigt sich alleine schon daran, dass die Chefetage nach der zahn Jahre andauernden Ära von John W. Thompson in den vergangenen Jahren unruhige Zeiten erlebte: Auf den Symantec-Veteran Enrique Salem folgte 2012 Steve Bennett, ein langjähriger GE-Manager. Warum quasi ein „Fachfremder“ geholt worden war, zeigte sich bald: Bennett sollte das Unternehmen nicht technologisch neu positionieren, sondern es organisatorisch auf Vordermann bringen.
Die Maßnahmen griffen zunächst auch – zumindest aus Sicht der Anteilseigner. Die Zahlen verbesserten sich, aber die Nabelschau durch die Reorganisation, der Verlust vieler, auch fähiger Mitarbeiter, und die für eine Technologiefirma immer problematische Konzentration darauf, dass es vor allem kurzfristig in der Buchhaltung stimmt, führten dazu, dass Symantec in einigen Bereichen den Anschluss an den Markt zu verlieren drohte.
Die Mission: zurück in die Zukunft
Mit Michael Brown kam im März 2014 dann der nächste CEO. Der war schon seit 2003 im Vorstand von Veritas und kannte die Firma daher genau. Brown hatte endlich den Mut, nicht das Naheliegende und kurzfristig Erfolgversprechende, sondern das Schmerzhafte, aber aus Sicht der Firma langfristig Richtige zu tun: Schon im September 2014 gab er die Aufspaltung bekannt, seit Januar ist klar, dass der „zweite Teil“ wieder als Veritas am Markt auftreten wird. Die operative Trennung von Veritas und Symantec wird voraussichtlich im Oktober dieses Jahres vollzogen und soll dann im Januar 2016 abgeschlossen sein.
Einschätzung des Markts für Enterprise Information Management durch Gartner im November 2013 (Grafik: Gartner)Im deutschsprachigen Raum wird dann Stefan Henke Veritas leiten. Der lässt sich ebenso wenig wie jeder andere Smyantec- oder künftige Veritas-Mitarbeiter die Aussage entlocken, dass die vergangenen Jahre für das Unternehmen weitgehend verschenkte Jahre waren. Aber als einer, der schon vierzehn Jahre dabei ist und mit der Übernahme erst zu Symantec kam, ist ihm im Gespräch anzumerken, dass mit dem Veritas-Neustart große Hoffnungen verbunden sind.
Insbesondere liegt ihm dabei der Bereich Innovation am Herzen – ein Bereich, der während der Zeit mit Symantec oft zu kurz gekommen ist. Offenbar mussten da Ressourcen dem extrem dynamischen Security-Bereich geopfert werden. Dem im Vergleich eher behäbig erscheinenden Storage-Bereich wurde wohl zugetraut, sich „mit Bordmitteln“ behaupten zu können.
Doch der Schein trügt. Das Marktsegment „Enterprise Information Management“, wie Gartner es nennt, geriet von anderer Seite unter Druck. Zwar zahlte Hewlett-Packard unbestritten viel zu viel für die Übernahme von Autonomy, dessen dennoch vorhandenes Know-how im Bereich Datenanalyse reicht dennoch aus, um dem Konzern 2014 die Führungsposition in dem Segment zu sichern – und an dieser Stelle Symantec zu ersetzen, dass seinerseits sowohl in Bezug auf Innovationskraft als auch die Fähigkeit, seine Produkte an den Mann zu bringen schwächer eingeschätzt wurde als im Vorjahr.
Während Symantec respektive demnächst dann Veritas allerdings darauf hoffen kann, dass HP diese Position aufgrund der auch bei dem Unternehmen vorgesehenen Aufspaltung und der daraus folgenden Phase der Selbstbezogenheit wieder verliert, sollte man sich um die sich von hinten anpirschenden Firmen wesentlich mehr Sorgen machen. Proofpoint und Commvault haben in der Einschätzung von Gartner ihre Position 2014 im Vergleich zum Vorjahr ebenso leicht verbessern können wie der aus dem Messaging-Bereich kommende und bisher eher im angelsächsischen Sprachraum bekannte Anbieter Global Relay und der aus der Archivierung kommende, in den USA und Asien aktive Mitbewerber ZL Technologies.
Einschätzung des Markts für Enterprise Information Management durch Gartner im November 2014 (Grafik: Gartner)Eigentlich gefährlicher als diese beiden dürften jedoch in Europa bereits aufgrund anderer Produkte gut etablierte Anbieter sein, die nun auch in das bislang von Symantec/Veritas dominierte Segment vorstoßen – und dabei in der Einschätzung von Gartner in den vergangenen zwei Jahren enorme Fortschritte gemacht haben. Dazu zählen insbesondere Microsoft und Barracuda Networks, im deutschsprachigen Raum aber seit 2014 auch Artec IT-Solutions mit einem Appliance-basierenden Ansatz.
In der Positionierung gegen diese Firmen schlägt Veritas jetzt neue Töne an: Der von Symantec vor einiger Zeit aggressiv vorgetragene Spruch „Stop buying Storage“, mit dem man auf die Optimierungsmöglichkeiten existierender Storage-Infrastrukturen durch Software hinweisen wollte, wird jetzt nicht mehr benutzt. Der Anspruch bleibt allerdings ähnlich. „Mehr Daten bedeuten ja nicht mehr Informationen“, sagt Stefan Henke im Gespräch mit ZDNet.
Die künftigen fünf Kernprodukte von Veritas
Laut Gartner seien in vielen großen Firmen 70 Prozent der Daten nicht geschäftsrelevant. Oder anders gesagt: Sie sollten eigentlich weggeworfen werden – denn selbst wenn der Speicherplatz, auf dem sie liegen, nicht mehr unerschwinglich ist, so schlagen doch die Kosten die Verwaltung und das Backup ordentlich zu Buche.
Gartners Einschätzung des weltweiten Marktes für Enterprise Backup- und Recovery. Dank der Popularität der Netbackup-Produkte und starkem Wachstum im Bereich Appliances in jüngster Zeit dürfte Veritas hier zum Start in Deutschland besser dastehen (Grafik: Gartner).Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass niemand weiß, welche Daten denn nun wichtig sind und welche nicht. Hier setzt Veritas mit dem neuen Angebot Veritas Information Map an. Es richtet sich an Kunden, die Netbackup nutzen und ermittelt für sie mittels Extraktion der Metadaten, Informationen dazu. Über eine Kartenansicht sehen Kunden dann, wo welche Datenmengen liegen, und können sich Schritt für Schritt nach unten durchklicken.
Das Verfahren, so Henke, sei wesentlich einfach als der früher von der Branche verfolgte Ansatz, bei dem man vom einzelnen Dokument ausgegangen ist, und versucht hat festzustellen, ob und wie es aufbewahrt werden muss. Erst Testkunden hätten zwar nicht die von Gartner angenommenen 70 aber immerhin rund 30 Prozent der Daten so als unbedenklich löschbar einstufen können.
Unabhängig von Symantec/Veritas-Produkten lässt sich dagegen Veritas Data Insight 5.0 nutzen. Auch hier geht es darum, Compliance-Vorgaben und Governance-Regeln besser einzuhalten und das vor allem auch günstiger und mit weniger Aufwand zu tun. Mit der aktuellen Version, für den Spätsommer zu erwartenden Version lassen sich auch Cloud-Speicher einbeziehen und von der Norm abweichende Aktivitäten der Nutzer ermitteln. Wie genau das funktioniert, wird man sehen, wenn die Software verfügbar ist. Jetzt schon bekannt ist, dass Veritas das Problem in den Griff kriegen will, indem nicht die Daten und ihre Charakteristiken in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern der Nutzer und sein Verhalten. Abweichungen davon hofft man leichter erkennen zu können, als „ungewöhnliche“ Zugriffe auf Daten.
Mit diesem Logo soll der Symantec-Bereich Information Management ab Januar 2016 dann wieder als Veritas unabhängig am Markt agieren (Grafik: Veritas).Dritte Säule des Veritas-Geschäfts – neben Backup und Datensicherung – wird künftig der Bereich Verfügbarkeit, sowohl von Daten als auch von Anwendungen sein. Dafür wird mit der Veritas Resiliency Plattform eine Möglichkeit angeboten, die für das Geschäft wichtigen Anwendungen in heterogenen IT-Umgebungen kontinuierlich zu betreiben. Anspruch ist es, die „Wiederherstellung wichtiger IT-Dienste im Unternehmen vorhersagbar- und beherrschbar“ zu machen.
Das neu hinzukommende Angebot Veritas InfoScale. Das Ziel ist es hiermit, eine webbasierende Managementkonsole anzubieten, die es dem IT-Betrieb erlaubt, Software-defined-Storage zu nutzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die unverzichtbaren Anwendungen auch in komplizierten Umgebungen schlichtweg laufen.
Fazit
Veritas bekommt mit dem nun vorgestellten Produktportfolio von Symantec eine ordentliche Aussteuer mit auf den Weg. Der Vorwurf der Unübersichtlichkeit wurde entkräftet. Was bleibt, kann man an einer Hand abzählen:
Bei genauerer Betrachtung gibt es dann zwar doch wieder Teilmodule, Basis-Software und Ergänzungen. Aber das ist nebensächlich: Zunächst spricht jeder Bereich ein Problemfeld in Unternehmen an. Wer damit zu kämpfen hat, kann sich dann – auch – mit Veritas an einen Tisch setzen. Und er kann erwarten, dass dieses Problem gelöst wird – ohne dass ihm zahllose andere aufgezeigt werden, für die man auch noch eine Software mit einem schicken Namen hätte.
Damit wirft Veritas bei seinem Neuanfang einerseits die langjährige Erfahrung in die Waagschale, andererseits kann es ähnlich wie ein jüngerer, spezialisierter Anbieter auftreten, der die Welt monoperspektivisch sieht und daher auch nur ein großes Problem kennt, für das er die beste Lösung anbieten will. In einem Jahr wird man dann beurteilen können, ob das Bekenntnis zur Innovation umgesetzt und die mit den neuen Produkten in Aussicht gestellten Vorteile für die Unternehmen auch realisiert wurden. Ausreden, wenn es anders kommt, hat man bei Veritas jetzt jedenfalls nicht mehr. Braucht man aber wahrscheinlich auch nicht.
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