Am letzten Freitag hat BlackBerry für 425 Millionen Dollar den sich selbst als Mobile-Security-Spezialisten bezeichnenden Hersteller Good übernommen. Meine spontane Reaktion war: „Das passt“. Auch jetzt stehe ich zu dieser Aussage, doch bin selbst erstaunt, wie viele unterschiedliche Aspekte dieser Deal für den Enterprise-Mobility-Markt haben könnte, wenn man etwas länger nachdenkt. Für die Einschätzung, kurz zu mir selbst: Mein Unternehmen hat das mobile Drucken für BlackBerry erfunden und war jahrelang engagierter BlackBerry-Partner. Heute treten wir für einen offenen, produktiven Enterprise-Mobility-Ansatz ein, der die inzwischen sehr ausgereiften und sicheren nativen Managementfunktionen von iOS und Android nutzt.

Was ist da eigentlich passiert? BlackBerry, Hersteller des legendären Enterprise-Smartphones, das vor allem für sicheren, schnellen Email-Empfang mit Tastatur steht, hat seinen Erzrivalen Good Technologies Inc. Übernommen. Dieser stand lange für den gleichen Ansatz auf allen Nicht-BlackBerry-Geräten – zu BlackBerrys besten Zeiten war dies vor allem Palm. Hier gehen zwei zusammen, die die gleiche Philosophie teilen.

Good ist Akquisitionen gewohnt: 2000 gegründet, wurde Good erstmalig bereits 2006 von Motorola übernommen, mit recht ähnlichen Absichten, wie jetzt von BlackBerry. Doch bereits 2009 veräußerte Motorola die Good-Assets weiter an Visto, ein Mobile-E-Mail-Unternehmen, an dem sich zuvor NTP beteiligt hatte, genau der Patent-Troll, der es damals schaffte, Research in Motion –  wie BlackBerry ja lange Zeit zuvor hieß – zu einer Zahlung von 450 Millionen Dollar für die Beilegung eines Patentstreits zu bewegen. Visto nannte sich nach der Akquisition in Good Technology um.

Kunden, die sich nun gerade – unter anderem auf Empfehlung von Gartner – von BlackBerry abgewandt und für Good entschieden hatten, stellen nun fest, dass sie nach der Migration wieder bei BlackBerry gelandet waren. Dementsprechend erbost waren dann auch die Kommentare betroffener Kunden zu dem Blogbeitrag von Good-CEO Christy Wyatt.

Gartner hatte in seiner Empfehlung vor allem auch die finanziell unsichere Lage des Unternehmens ins Feld geführt, die sich durch die Akquisition keineswegs verbesserte. Good versuchte noch im Mai, per Börsengang 100 Millionen Dollar Kapital einzusammeln. Ein Blick auf die in diesem Zuge veröffentlichten Zahlen zeigt, dass die Akquisition auf keiner Seite für Party- Stimmung sorgen dürfte. Weder haben die Good-Investoren einen nennenswerten Gewinn erzielt, noch hilft Good BlackBerry dabei, seine Bilanz zu verbessern. Die Akquisition bietet einige Chancen, aber diese müssen konsequent ergriffen werden. Von allein wird sich hier wenig entwickeln, und genau dies macht die Vorhersagen sehr schwer. Aber ich wage mich einfach mal an ein paar Thesen:

BlackBerry setzt die Vision von BlackBerry-Diensten auf allen Geräten um

Die Idee, BlackBerry-Funktionen auf allen Plattformen anzubieten, verfolgt BlackBerry seit 2004, damals in Form des legendären Siemens SK65. Mit der Akquisition von Good und konsequenter Umsetzung, könnte diese Vision nun tatsächlich Wirklichkeit werden. Durch den Containeransatz ist die Lösung dabei unabhängig von fragmentierten Smartphone-Landschaften.

Es entsteht ein allumfassender Patent-Pool

Das Wort „Troll“ wäre in diesem Zusammenhang übertrieben, denn BlackBerry betreibt ja ein aktives, zu seinem Patent-Portfolio passenden Geschäft. Good und BlackBerry sitzen aber beide auf einem umfassenden Patent-Portfolio und erzielen mit diesem signifikante Erträge. So erzielte Good 2012 19,8 Prozent seines Umsatzes aus diesem Geschäft, 2014 waren es immerhin noch 9,5 Prozent, was vor allem an dem steigendem Produktumsatz lag. Goods Bestrebungen, sein Patent-Portfolio zu verteidigen, lassen sich auf einer eigens geschaffenen Website nachverfolgen. Da auch BlackBerry recht aktiv in diesem Segment ist, sollte sich der Rest der Branche auf neue Patentstreitigkeiten einstellen.

Enterprise Mobility steht vor einem Rückschritt

BlackBerry und Good stehen ganz klar für Sicherheit. Doch Sicherheit ist nicht nur relativ, sondern wird auch immer mit Kompromissen hinsichtlich Produktivität und Offenheit erkauft. Gerade war der Markt an der Schwelle – dank sehr guter Sicherheitsfunktionen von iOS und Android for Work – die Produktivität in den Vordergrund zu stellen. Ein gelungener Launch einer kombinierten BlackBerry/Good-Lösung könnte aber dazu führen, dass viele IT-Leiter „auf Nummer sicher gehen“ und einem restriktiven Containeransatz wieder verstärkt den Vortritt lassen. App-Vielfalt und Offenheit sowie eine maximale Usability würden dann wieder der Vergangenheit angehören. Unternehmen sollten daher für sich ganz klar prüfen, welches Maß an Sicherheit und welches Maß an Produktivität sie benötigen.

Apple erhöht das Tempo für seinen Enterprise-Ansatz

Ein gelungener Launch würde im Enterprise Umfeld aber auch eine Gegenreaktion der Apple-IBM-Allianz provozieren. Konnte Apple seine Marktstellung bislang recht ungestört ausbauen, könnte ein Erfolg von BlackBerry durchaus einen ernstzunehmenden Gegenspieler erzeugen, der Apple zu verstärkter Innovation im Enterprise-Kontext motiviert. Letztendlich ein Gewinn für das gesamte Marktsegment.

BlackBerry wird ernstzunehmender EMM-Anbieter

Es kann allerdings auch sein, dass BlackBerry sich auf die 64 Prozent iOS-Anteil unter den Good-Installationen besinnt und sich in die Reihe der EMM-Anbieter einreiht, damit würde BlackBerry indirekt die Enterprise-Strategie von Apple unterstützen.

Und die BlackBerry-Hardware?

Aber wie geht es weiter mit der BlackBerry-Hardware? Ist Good der neue BlackBerry Enterprise Server und das erwartete BlackBerry-Smartphone mit Android der BlackBerry der Zukunft? Wäre dies der Fall, würde BlackBerry das Modell der Firma Silent Circle mit seinem Blackphone imitieren, aber vermutlich mit wesentlich höherer Durchschlagkraft. Damit würde aber auch der BlackBerry mit seinem eigenen Betriebssystem vom Markt verschwinden.

Wie bereits anfangs erwähnt, gibt es viele offene Fragen. Entscheidend wird sein, ob der Container-Ansatz noch zeitgemäß ist und von einer breiteren Masse akzeptiert wird. Sicherheit allein wird kein Unternehmen voranbringen. Während der eine sich noch über seinen abgeschlossenen Container freut, verliert er eventuell gerade Marktanteile an seinen Mitbewerber, der Kundenanfragen, Schadensmeldungen et cetera per Whats App annimmt. Wer sich heute noch für eine Containerlösung entscheidet, könnte bald im Abseits stehen.

BlackBerry hat sich mit der Akquisition einige interessante Handlungsalternativen erkauft, es wird spannend, wie diese umgesetzt werden.

AUTOR

Carsten Mickeleit ...

... ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Cortado AG (vorher ThinPrint AG) und Mitbegründer der Teamplace GmbH. Nach seinem Studium arbeitete Carsten Mickeleit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für System und Planungstheorie. 1990 rief er das Systemhaus Carano ins Leben und war hier zuständig für Vertrieb, Marketing und Technologie. 1999 gründete er die ThinPrint AG und entwickelte das Unternehmen - jetzt Cortado AG – zum führenden Anbieter von softwarebasierten Druck- sowie Enterprise-Mobility-Lösungen. Carsten Mickeleit hat einen Universitätsabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin mit Spezialisierung auf Finanzen und Elektronik.

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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