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Streit um Youtube-Video: Rechteinhaber müssen vor Löschanträgen „Fair Use“ in Betracht ziehen

Ein Bundesberufungsgericht in San Francisco hat entschieden, dass Copyright-Inhaber Medieninhalte auf eine angemessene Nutzung nach dem Fair-Use-Prinzip prüfen müssen, bevor sie einen Löschantrag nach dem Digital Millenium Copyright Act (DMCA) stellen. Sie können sonst schadenersatzpflichtig für unberechtigte Löschungen sein.

Das Verfahren geht auf die acht Jahre zurückliegende Veröffentlichung eines 29-sekündigen Videos bei Youtube zurück. Das Video von Stephanie Lenz zeigte ihre herumtollenden Kinder, während der Song „Let’s Go Crazy“ von Prince zu hören war. Im Mittelpunkt des halbminütigen Videos stand ihr Sohn Brandon, der im zweiten Lebensjahr war, eben zu laufen begonnen hatte – und zur Musik fröhlich zu tanzen begann.

Die Universal Music Group sah ihre Rechte an der im Hintergrund in einer Stereoanlage spielenden Musik verletzt, schickte daraufhin eine Takedown Notice nach dem DMCA und sorgte damit im Jahr 2007 für die Entfernung des Familienvideos mit dem tanzenden Kleinkind. „Ich war wirklich überrascht und wütend, als ich erfuhr, dass mein Video entfernt wurde“, sagte die Mutter damals. „Universal sollte keine gerichtlichen Drohungen einsetzen, um Leute daran zu hindern, dass sie Freunde und Familie an den Videoaufnahmen ihrer Kinder teilhaben lassen.“

Mit Unterstützung der Bürgerrechtsorganisation EFF (Electronic Frontier Foundation) verklagte Stephanie Lenz Universal Music, da sich der Konzern völlig zu Unrecht auf seine Verwertungsrechte für den Prince-Song berufen habe. Die Klage beruft sich auf die in den USA gesetzlich erlaubte faire Nutzung (Fair Use), die eine begrenzte Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials zum Beispiel für Kommentare und künstlerische Ausdrucksformen erlaubt. Die EFF-Anwälte sahen in der Klage die Chance auf ein Präzedenzurteil. Sie argumentierten, das Urheberrecht dürfe nicht eingesetzt werden, um Künstler, politische Kommentatoren oder sogar ganz gewöhnliche Familien zum Schweigen zu bringen.

Das aktuelle Urteil bedeutet, dass sich jetzt noch ein Geschworenengericht mit der Frage beschäftigen muss, ob im inzwischen wieder bei Youtube verfügbaren Video Fair Use gegeben ist und Universal einen bösgläubigen Löschantrag gestellt hat. Kommt die Jury zu diesem Schluss, muss der Musikkonzern außerdem damit rechnen, zu einer nominellen Schadenersatzzahlung verurteilt zu werden.

Die EFF misst dem Urteil eine große Bedeutung weit über den konkreten Fall hinaus zu. Die Bürgerrechtler verweisen auf die kommenden Präsidentschaftswahlen in den USA, in deren Vorfeld kritische Videobeiträge häufig kurze Ausschnitte aus Wahlkampfwerbung und Nachrichtensendungen verwenden, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen. TV-Sender wie Kandidaten missbrauchten gerade hier oft das Urheberrecht, um kritische Beiträge aus dem Internet zu verbannen. „Wir alle werden in den kommenden Monaten zahlreiche Online-Videos und kritische Auseinandersetzungen mit Präsidentschaftskandidaten sehen“, lobte EFF-Chefjustiziarin Corynne McSherry daher die absehbaren Auswirkungen des Urteils. „Und diese Entscheidung wird dabei helfen, dass Informationen frei von Zensur bleiben.“

Das Urteil des dreiköpfigen Richtergremiums bedeutet allerdings nicht, dass die Praxis der millionenfachen automatischen Löschanträge aufhört, die jährlich bei Internetfirmen eingehen. Die Richter trafen zwar in dieser Frage keine Entscheidung, neigten aber überwiegend zur Auffassung, dass die Prüfung mittels Algorithmen regelmäßig auch die Fair-Use-Anforderungen des DMCA erfüllen könne und für die Rechtmäßigkeit eines Antrags genüge. In den relativ wenigen verbleibenden Fällen könnten Rechteinhaber menschliche Mitarbeiter für eine genauere Abwägung einsetzen.

HIGHLIGHT

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ZDNet.de Redaktion

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