Der russische Kernkraftwerksbetreiber Rosenergoatom beginnt in Kürze mit dem Bau eines riesigen Rechenzentrums, das den Strom von einem seiner Kernkraftwerke beziehen wird. Als größtes Rechenzentrum des Landes soll es über bis zu 10.000 Racks verfügen und bis zu 80 Megawatt Strom verbrauchen. Die Eröffnung ist in einer ersten Stufe für März 2017 geplant und in einer zweiten Stufe im nachfolgenden Jahr.
Der staatliche Energiekonzern will nur etwa 10 Prozent der Rechenkapazität für eigene Zwecke nutzen und alles darüber hinaus Unternehmenskunden anbieten. Er spekuliert dabei offenbar auch auf Bedarf, der durch die gesetzlich vorgeschriebene Speicherung von Daten russischer Nutzer in Russland entsteht. Laut Telecom Daily hat der Staatsmonopolist zuvor bereits Facebook und Google angesprochen, ohne eine Zusage zu erhalten. Die meisten großen Technikfirmen haben noch nicht offiziell dazu Stellung genommen, ob sie dem Verlangen nach Datenspeicherung auf russischem Boden nachkommen werden.
Im September berichtete die überregionale Tageszeitung Kommersant, Apple wolle sich der Kreml-Forderung beugen und iCloud-Daten russischer Nutzer künftig in einem Rechenzentrum in Moskau speichern, um dem neuen Gesetz über die Aufbewahrung personenbezogener Daten zu entsprechen. Mit der Gesetzesänderung reagierte der Kreml angeblich auf das Bekanntwerden der NSA-Überwachung. Russland soll zeitweise sogar über einen Verkaufsstopp für das iPhone nachgedacht haben, solange die iCloud-Nutzerdaten in den USA gespeichert werden.
Rosenergoatom betreibt als staatliches Monopolunternehmen die zehn zivilen Kernkraftwerke in Russland mit insgesamt 33 Reaktoranlagen, deren Zahl es bis 2030 auf 59 Reaktoranlagen steigern will. Das neue gigantische Rechenzentrum entsteht nahe seinem Kernkraftwerk Kalinin, das sich rund 260 Kilometer nordwestlich von Moskau befindet. Sein gesamter Energiebedarf soll mit Atomstrom aus diesem Kraftwerk gedeckt werden.
Kann der Staatsmonopolist internationale Technikfirmen als Colocation-Partner seines Rechenzentrums gewinnen, steht auch deren Reputation hinsichtlich der angestrebten Nutzung von sauberer, nachhaltiger und gefahrloser Energie auf dem Spiel. In diesem Jahr lobte Greenpeace Apple, Facebook und Google ausdrücklich für ihre Fortschritte auf dem Weg zu einem „grünen Internet“, dessen Energiebedarf mit erneuerbaren Energien gedeckt wird. Dem iPhone-Hersteller bescheinigte die Umweltorganisation in ihrem Click Green Report 2015 sogar eine Vorreiterrolle, da er trotz schneller Expansion die Zusage einhielt, alle neuen Rechenzentren zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben – ohne Strom aus Kohle, Erdgas oder Kernkraft.
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