Die European Union Agency for Network and Information Security (ENISA) hat sich gegen Hintertüren in Verschlüsselungssoftware ausgesprochen. Die EU-Behörde lehnt auch Gesetze ab, die Verschlüsselung schwächen, indem sie beispielsweise eine Obergrenze für Schlüssellängen vorschreiben. Beides schadet ihrer Ansicht nach der IT-Branche und den Nutzern und helfe Kriminellen.
„Heute ist Rechenleistung als Service ein Fakt, also gilt diese Annahme nicht mehr“, schreibt die ENISA. „Die Computing-Kosten sinken systematisch in immer kürzeren Abständen. Angriffe, die außerhalb der Reichweite von allen außer einem Staat erscheinen, werden dies nicht für immer bleiben.“
Die Sicherheitsbehörde verweist außerdem auf einen Bericht des US-Ausschusses für Wirtschaft, Wissenschaft und Transport aus dem Jahr 1999. Darin wird festgestellt, dass im Ausland entwickelte Verschlüsselungsprodukte auf demselben technischen Stand sind wie Produkte von US-Firmen, was darauf hindeute, dass das Exportverbot letztlich einen Wettbewerbsvorteil der USA aufgeweicht habe.
Diesen Aspekt stellt auch eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Studie der Harvard University in den Vordergrund. Auch sie geht davon aus, dass ein Verbot von Verschlüsselung in den USA letztlich nur Nutzern und Firmen schaden wird, da schon jetzt die meisten Verschlüsselungsprodukte außerhalb der USA entwickelt würden.
Im Rahmen der Studie wurden 865 Verschlüsselungsprodukte untersucht. Lediglich 319 stammten von US-Firmen, was einem Anteil von 37 Prozent entspricht. Der Sicherheitsexperte Bruce Schneier – einer der Autoren der Studie – merkte dazu an: „Jeder, der einer Überwachung in den USA entgehen will, kann aus 546 konkurrierenden Produkten wählen.“
Täglich unterschreiben wir Empfangsbestätigungen von Paketen, Mietwagenverträge oder Kreditkartenzahlungen mit elektronischen Unterschriften. Im Geschäftsalltag fühlen sich jedoch insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen häufig noch abgeschreckt, elektronische Signaturen einzusetzen. Sofern sie richtig in die passenden Geschäftsprozesse integriert werden, bieten sie aber einen großen Mehrwert und sind verbindlicher als eine Bestätigung per E-Mail.
Darüber hinaus argumentiert die ENISA, dass die Folgen einer Schwächung von Verschlüsselung heute gar nicht absehbar sind. Beispiele seien die Sicherheitslücken Freak und Logjam, die beide auf schwachen Verschlüsselungstechniken in Export-Produkten und damit auf vor mehr als 15 Jahren erlassenen Gesetzen basierten.
Dass Verschlüsselung die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden erschwert, nimmt die ENISA in Kauf. Richtlinien zur Schwächung von Verschlüsselung bedeuteten neue Risiken für IT-Infrastrukturen und Nachteile für regulierte Unternehmen, während nicht den Gesetzen unterliegende Anbieter in der Lage seien, sicherere Dienste zu niedrigeren Kosten zu entwickeln. Den europäischen Gesetzgebern empfiehlt die ENISA, weder Sicherheitsfunktionen in Computersoftware noch den Export von Sicherheitsfunktionen zu beschränken und alle bereits geltenden Auflagen aufzuheben.
[mit Material von Liam Tung, ZDNet.com]
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