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Apple: „US-Justiz schlimmer als China“

Im Streit um die von Apple verlangte Hilfe zur iPhone-Entschlüsselung haben sich die Fronten verhärtet und der Ton verschärft. Ein führender Apple-Manager warf der US-Regierung vor, sogar noch mehr Zugang zu Apples Software anzustreben als die chinesische Regierung. Diese Replik folgte auf eine umfangreiche gerichtliche Eingabe des Justizministeriums, die Apple unterstellte, das Gesetz falsch zu interpretieren und seine Marketingziele über die nationale Sicherheit zu stellen.

iPhone 5C (Bild: CNET).

Während Apples Rechtsvertreter eine Antwort vorbereiteten, wollten sie keine offizielle Stellungnahme abgeben. Der ungenannte Apple-Manager wollte das ebenfalls nicht, führte jedoch Gespräche mit mehreren Journalisten, um die Position des Unternehmens zu erläutern. Er bezog sich offenbar auf vorhergehende Berichte über die Absicht chinesischer Behörden, die Sicherheitstechnik von Apples Produkten zu untersuchen. Die Forderungen des US-Justizministeriums aber seien so ungewöhnlich, dass kein anderes Land jemals einen ähnlichen Zugriff verlangt habe – auch nicht China, wie er ausdrücklich erwähnte. Der Manager gab außerdem zu verstehen, dass Apple mit mehr Sicherheitsfeatures nachlegen werde, um den Zugang zu seinen Geräten weiter zu erschweren.

Wie inzwischen durchsickerte, haben sich die FBI-Ermittler durch die Rücksetzung eines iCloud-Passworts selbst einen möglichen Weg versperrt, auf einfachere Weise an die Daten zu kommen. Von Bloomberg enthüllte Details eines Decision Memo zeigt außerdem auf, dass die US-Regierung und die Sicherheitsbehörden eine breit angelegte Strategie verfolgen, um die Inhalte verschlüsselter Smartphones einsehen zu können. Dem Geheimdokument zufolge suchen sie dabei insbesondere nach Umgehungswegen, die nicht explizit als eingebaute Hintertür erscheinen, um der Diskussion über Backdoors und geschwächte Verschlüsselung auszuweichen.

Eine solche Umgehung wird auch beim fraglichen iPhone 5C angestrebt. Da es bereits auf iOS 9 aktualisiert ist, erlaubt es die Eingabe sechsstelliger Passcodes, was Brute-Force-Angriffe praktisch unmöglich macht, da nach zehn falschen Passworteingaben alle Inhalte automatisch gelöscht werden. Andererseits verfügt es noch nicht wie die folgende iPhone-Generation über den mit Touch ID einhergehenden Hochsicherheitsbereich „Secure Enclave“. Apple bleibt deshalb bei diesem Gerät wohl noch die Möglichkeit, durch ein gezieltes Firmware-Upgrade die Passwortabfrage auszuhebeln.

Ein Gericht hatte entschieden, dass Apple der US-Bundespolizei FBI helfen muss, die Verschlüsselung eines iPhone 5C zu umgehen. Richterin Sheri Pym berief sich dabei auf den All Writs Act, ein Gesetz aus dem Jahr 1789. Die Anwendung dieses Gesetzes ist allerdings umstritten. Der Supreme Court hat bereits die Reichweite des All Writs Act eingeschränkt und bestätigt, dass er weder andere Gesetze noch die Verfassung ausheble. Dritte müssten zudem Behörden aufgrund einer darauf basierenden Anordnung nicht unterstützen, wenn dies eine „außergewöhnliche Belastung“ bedeute.

Das FBI hatte sich bei seinem juristischen Vorgehen offenbar gezielt einen emotional besonders aufgeladenen Fall ausgesucht und verlangt, bei der Entsperrung eines Geräts mitzuwirken, das einem der Täter gehörte, die im Dezember 2015 im südkalifornischen San Bernardino bei einem Anschlag 14 Menschen getötet und 21 weiter verletzt haben. Das war öffentlichkeitswirksam genug, um etwa den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu einem Boykottaufruf gegen Apple zu veranlassen.

Apple-CEO Tim Cook (Bild: Joan E. Solsman/CNET)

„Für die Regierung war das vielleicht der perfekte Testfall“, kommentierte die New York Times das Vorgehen, „der es aussehen lässt, als wolle Apple die Geheimnisse von Terroristen bewahren.“ Als sich der iPhone-Hersteller der gerichtlichen Anordnung widersetzte, ein besonderes Tool für den Zugriff auf das Smartphone zu entwickeln, musste CEO Tim Cook daher eigens beteuern, „keine Sympathie für Terroristen“ zu haben.

Er verwies auch auf eine vorhergehende Zusammenarbeit Apples mit der Polizei gerade in diesem Fall. So gab es die ihm zur Verfügung stehenden Daten heraus und leistete Hilfestellungen zu den verfügbaren Optionen fürs weitere Vorgehen der Ermittler. „Wir haben alles getan, was in unserer Macht steht und zugleich gesetzeskonform ist“, schrieb er in einem offenen Brief. „Jetzt aber fordert die US-Regierung etwas von uns, was wir einfach nicht haben und was wir für zu gefährlich halten, um es zu schaffen. Sie möchte, dass wir eine Hintertür zum iPhone erstellen.“

Das sei vielleicht nicht die Wortwahl des FBI, erklärt Cook, aber es handle sich um nichts anderes als eine Hintertür – eine bisher nicht existierende Software, die Zugang zu den Daten auf einem iPhone gewährt. Die vom FBI versprochene enge Kontrolle eines solchen Werkzeugs lasse sich aber nicht garantieren.

Andere Technikfirmen aus dem Silicon Valley argumentierten ähnlich und sprachen sich erneut öffentlich gegen Hintertüren oder eine Schwächung von Verschlüsselung aus. Hier gehe es nicht mehr um die Unterstützung von Strafverfolgern anhand von gültigen Gerichtsbeschlüssen, argumentierte Google-CEO Sundar Pichai – sondern darum, „Unternehmen zu zwingen, das Hacken von Kundengeräten und -daten zu ermöglichen.“ Er befürchte, das sich daraus ein Präzedenzfall mit unabsehbaren Folgen entwickelt, und hoffe auf eine umsichtige und offene Diskussion. „Wir dürfen diesen gefährlichen Präzedenzfall nicht zulassen“, schrieb WhatsApp-CEO Jan Koum auf Facebook. „Heute stehen unsere Freiheit und Unabhängigkeit auf dem Spiel.“

ZDNet.de Redaktion

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