Die „Grande Dame“ der IT-Messen, die CeBIT, gibt mit ihrem Messemotto all jenen Orientierung, die wissen möchten, welches Top-Thema die Branche bewegt. Im zweiten Jahr in Folge ist es der breitgefächerte Begriff „d!conomy“ – die digital economy. Das verdeutlicht den Stellenwert des Themas Digitalisierung und zeigt, dass es sich hierbei um die für Unternehmen größte und sehr individuelle Herausforderung handelt. Denn Digitalisierung bei Bosch ist anders als bei Siemens, ist anders als bei Trumpf und anders als bei Karstadt.
Die IT der vergangenen zwei Dekaden war innerhalb der Unternehmen von der Frage „Wie führe ich IT-Software von der Stange ein?“ geprägt. CIOs waren primär damit beschäftigt, Standardsoftware – wie ein ERP-System –einzuführen. Diese Kernsoftwaresysteme galt es zu implementieren, zu harmonisieren und effizient zu betreiben. Das Grundprinzip dabei: Ein System, eine Datenbank und die gesamten Unternehmensprozesse laufen über diese zentrale, monolithische Applikation. Mit dem Aufkommen der ersten Cloud-Anbieter hat man schon geahnt, dass sich dieser Ansatz überholen wird. Mit Standardsoftware differenziert man sich nicht vom Wettbewerb. Dann betraten weitere Trends, wie mobile Anwendungen und in Folge das Internet der Dinge samt seiner Datenflut, die Bühne. Der Haken daran: Die noch vorherrschende monolithische IT-Struktur kann die Digitalisierung nicht unterstützen, müssen sich doch die Unternehmen selbst und ihre Geschäftsmodelle ständig wandeln. Die „Zweiklassengesellschaft“ der Unternehmens-IT war geboren.
Ohne Software kein Geschäft – ein einfaches Mantra, das sich heute jeder CEO und CIO immer wieder vor Augen führen sollte. Doch viele Unternehmen haben das Know-how, innovative und differenzierende Softwaresysteme zu entwickeln und einzuführen durch die breit ausgerollte Standardsoftware in den letzten Jahren verloren. Vielmehr haben sie versucht, Innovationen von einem externen Softwarehersteller zu beziehen. Doch heute ist die Zukunft nicht mehr vorhersehbar – daher gibt es auch Innovationen nicht von der Stange. Der Gedanke „Wir führen jetzt ein großes IT-Projekt durch und haben dann digitalisiert“ funktioniert nicht. In einer Welt, in der Kunden alle Informationen jederzeit und an praktisch jedem Ort auf Knopfdruck zur Verfügung haben, reicht ein einzelner, bisher bewährter Wettbewerbsvorteil im Geschäftsleben nicht mehr aus. Nur wer es schafft, die Kundenansprache individuell zugeschnitten und flexibel zu gestalten, kann in einer Welt des Datenüberflusses Gehör finden. Dazu muss die IT genauso flexibel und mobil sein wie die Kundschaft. Das technologische Fundament dafür kann nur eine agile Software-Plattform bilden. Denn während ein starres Software-Produkt einsatzbereit und mit vorgefertigten Daten und Prozessen geliefert wird, bietet eine Plattform flexible digitale Fähigkeiten , mit denen Unternehmen maßgeschneidert ihre individuelle Business Logik designen, implementieren, monitoren und managen können – unabhängig von der immer wieder neuen Geschäftsidee.
Aus Daten Geschäftsideen schöpfen – schnell und mit den richtigen Tools
Am Anfang einer solchen Idee steht immer die Analyse der massenhaft zur Verfügung stehenden Daten sowie der bestehenden Customer Experience. Daraus ist die digitale Strategie abzuleiten. Es folgt der Entwurf des digitalen Geschäftsmodells, die digitale „Roadmap“ mit den Meilensteinen, die erreicht werden müssen. Schließlich geht es um die Implementierung, Ausführung und Kontrolle der Digitalstrategie. Unterstützt werden diese verschiedenen Stationen von einer IT, die das Gegenteil von ERP-Systemen ist: Sie ist agil und integriert die disruptiven Technologietrends Social, Mobile, Cloud sowie Big Data. Zudem basiert sie auf modernen Architekturprinzipien, zu denen NoSQL, Microservices, Containermanagement, Cloud, Mobile, In-Memory und SOA gehören.
Ein typischer Stolperstein auf diesem Weg: Unternehmen nehmen sich meist mehr vor, als sie umsetzen können. Sie starten euphorisch, stoßen dann jedoch schnell an die Grenze des Realisierbaren. Darum lautet die Devise „weniger ist mehr“. Nehmen wir uns ein Beispiel an den Startups im Silicon Valley. Die Erfolgreichen haben eins gemeinsam: Sie fangen mit einem klaren Fokus auf dem wirtschaftlich sinnvollsten Produkt an. Es geht nicht darum, die große Vision an die Wand zu malen und dann fünf Jahre lang daran zu arbeiten, bis sich vielleicht die Rahmenbedingungen geändert haben. Wichtig ist es, eine Vision zu haben, die in inkrementellen Schritten zum Erfolg führt. Speed ist wichtiger als Kontrolle und Agilität wichtiger als Kalkulierbarkeit. Es geht darum, Dinge schnell umzusetzen, Erfahrungen zu sammeln und, mit diesem Wissen gerüstet, wieder schnell zu reagieren.
Innovationen müssen zurück ins Unternehmen
Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung – aber sie ist zu meistern. Allerdings nicht über Standardisierung, sondern über Individualität und Differenzierung. Dabei wird die IT zum zentralen Business Enabler und Unternehmer müssen wieder das IT-Know-how aufbauen, was sie über viele Jahre versucht haben durch Outsourcing abzubauen. Gefragt ist vielmehr ein co-innovatives Vorgehen, das das Wissen der IT-Experten mit den Kompetenzen der Geschäftsverantwortlichen kombiniert. Das befördert die richtigen Entscheidungen ans Tageslicht und unterstützt zukunftsweisende, digitale Geschäftsideen, die den ständigen Wandel als Chance begreifen.
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... ist seit August 2010 Mitglied des Vorstandes der Software AG und verantwortlich für Forschung und Entwicklung. Er ist Autor zahlreicher Fach- und Zeitschriftenartikel sowie (Mit)-Herausgeber von mehr als zehn Fachbüchern. Bis zur Übernahme durch die Software AG war Dr. Jost Vorstandsmitglied der IDS Scheer AG 2000.
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