Cloud First steht seit einiger Zeit auf den Fahnen von SAP. Ziel ist es, aus vielen Kunden Cloud-Anwender zu machen. Und die sollen ein möglichst umfassendes SAP-Portfolio nutzen.
Doch wie die On-Premise-Welt besteht auch die Cloud nicht nur aus SAP. Viele andere Anbieter stellen Services aus dem ERP-Umfeld oder aus angrenzenden Bereichen zum Beispiel dem Kundenbeziehungsmanagement (CRM), bereit. Und diese werden bei vielen Anwendern eingesetzt. „Sehr wenige Unternehmen nutzen nur SAP und/oder ausschließlich Cloud-Sevices“, berichtet Massimo Pezzini, Analyst beim Marktforschungshaus Gartner.
Unternehmen, die nicht auf die schon eingeführten Services zugunsten von SAP-Anwendungen verzichten möchten, stehen vor der Aufgabe, beide Seiten miteinander zu integrieren. Gartner hat dafür auch schon einen eigenen Begriff kreiert: „Pervasive Integration“. Die Analysten fassen dabei die Problematik sogar noch etwas weiter. Es geht um die Verknüpfung von Cloud Services untereinander, aber auch um die Verbindung mit On-Premise-Applikationen, mobilen Apps, Big Data, sozialen Netzwerken, Geschäftspartnern und auch Objekten aus dem Internet der Dinge. Diese „Pervasive Integration“ effektiv und effizient umzusetzen, habe für CIOs hohe strategische Priorität, meint Pezzini. „Die Fähigkeit, neue Cloud-Services schnell zu integrieren, kann zum großem Wettbewerbsvorteil für Unternehmen werden“, so der Analyst.
Diese Verknüpfung rein technisch zu realisieren, ist dabei noch die leichtere Übung. Grundsätzlich werde die Integration zunehmend einfacher, glaubt Matthias Zacher, Analyst bei IDC. „Denn die Hersteller teilen ihre Lösungen in kleinere Portionen auf und bieten einzelne Funktionen als Services an.“ Dahinter stecke ein Konzept, das vor einigen Jahren ein großes und viel diskutiertes Thema war: SOA – also service-orientierte Architekturen.
„Seit zwei, drei Jahren taucht dieses Thema nun wieder auf“, sagt Zacher, „Man nennt es zwar nicht mehr so, die Idee dahinter ist aber die gleiche geblieben.“ Auch SAP geht laut Zacher diesen Weg. Die Aufteilung der Business Suite in Einzelapplikationen sei ein gutes Beispiel dafür.
Die Integration der unterschiedlichen Cloud-Services wird aber auch durch die Integrationsplattformen erleichtert. Davon gibt es im Markt laut Gartner-Analyst Pezzini einige gute und auch ausgereifte Lösungen – sowohl On-Premise als auch aus der Cloud. Dazu zählt er unter anderem Enterprise-Services-Buses, API-Management-Plattformen oder Integrationslösungen, die als Platform-as-a-Service bereitgestellt werden.
Auch SAP bietet entsprechende Möglichkeiten, zum Beispiel mit Netweaver Process Orchestration oder der cloud-basierten Integrationsplattform HCI (HANA Cloud Integration). Mit HCI etwa lassen sich viele unterschiedliche Integrationsszenarien umsetzen. Die Verknüpfung wird mithilfe von Webservices durchgeführt.
Dank der offenen Webservices-APIs lassen sich auch Systeme von Drittherstellern anbinden. Noch besser unterstützt HCI allerdings die Integration von SAP-Systemen untereinander. Denn um es den Unternehmen dabei besonders einfach zu machen, bietet SAP für HCI eine Reihe von vordefinierten Integrationsprozessen an. Dabei ist das Mapping standardmäßig vorkonfiguriert.
Das Mapping ist es aber, das Probleme bereiten kann, wenn Cloud-Services von SAP mit denen anderer Anbieter verbunden werden sollen. „Die Semantik ist entscheidend“, sagt Rainer Zinow, Senior Vice President bei SAP für die ByDesign-Solution-Strategie. Die Systeme müssten sich auf betriebswirtschaftlicher Ebene verstehen. Und das ist nicht trivial. Jede Applikation hat ihre eigenen Prozesse. Es braucht quasi eine Übersetzung, damit beide Seiten zusammenkommen können.
Das zeigt sich bereits in ganz einfachen Fragen. Zum Beispiel: „Wofür steht eine Zahl in einem bestimmten Feld?“ Für eine Währung oder eine Stückmenge? „Die Business-Seite ist die weitaus größere Herausforderung als die Technik“, sagt Zacher. Letztendlich müsse man bei der dahinter liegenden Datenstruktur Kompromisse eingehen, damit die Anwendungen miteinander verknüpft werden können.
Auch Zinow hält die Semantik für das entscheidende Problem. Diese entsprechend anzupassen, sei aufwändig und teuer. Er berichtet von einem CIO, der sich aus diesem Grund von dem Best-of-Breed-Ansatz in der IT-Struktur seines Unternehmens verabschiedete. „Er hat zu mir wörtlich gesagt, er wolle nicht mehr der ‚idiot in the middle‘ sein“, so Zinow. „Führte zum Beispiel ein Provider ein Update seines Services durch, ging erst mal wieder gar nichts.“ Der Anwender saß quasi zwischen allen Stühlen.
Um sich solche Probleme zu ersparen, wird sicher das eine oder andere Anwenderunternehmen darüber nachdenken, möglichst viele Applikationen doch aus der SAP-Cloud zu nutzen. Doch das gilt nicht für alle Services. Es gibt hochspezialisierte Anwendungen, die nur Drittanbieter mit dem nötigen Leistungsumfang bereitstellen können. Ein Beispiel dafür sind Services für das Barcode-Scanning. Auch hinsichtlich ihrer Integrationsfähigkeit unterscheiden sich die Anwendungen.
Es gibt andererseits aber auch Bereiche, die eine Verknüpfung relativ einfach machen. Laut Zacher gehört dazu etwa CRM. „Dort sind die Prozesse sehr standardisiert“, so der Analyst.
Ein Warenwirtschaftssystem könne dagegen schon größere Probleme bereiten. „Die Ausprägungen der Prozesse können in diesem Fall sehr individuell sein“, erklärt Zacher. „Das erhöht den Integrationsaufwand.“
Glaubt man den Prognosen von Gartner, werden die Probleme mit der Integration von ERP-Cloud-Services werden künftig auf viele Unternehmen zukommen. In einer Studie gehen die Marktbeobachter davon aus, dass die meisten ERP-Projekte bis 2018 genau daran scheitern. 90 Prozent der Firmen, die eine aus einzelnen Cloud-Applikationen bestehende Umgebung oder ein so genanntes Post-Modern-ERP aufbauen, werden demnach Schwierigkeiten mit der Verknüpfung der Anwendungen haben.
Laut Gartner fehlt es den Firmen vor allem an einer entsprechenden Strategie und an den notwendigen Kompetenzen. „Diese neue Umgebung verspricht zwar mehr Geschäfts-Agilität“, sagt Gartner-Analystin Carol Hardcastle. „Die lässt sich aber nur erreichen, wenn die gestiegene Komplexität erkannt und adressiert wird.“
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