Zwei von drei Industrieunternehmen (69 Prozent) in Deutschland sind in den vergangenen zwei Jahren Opfer von Datendiebstahl, Wirtschaftsspionage oder Sabotage geworden. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 504 Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit mindestens zehn Mitarbeitern ergeben. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft sind nur 51 Prozent aller Firmen von solchen Delikten betroffen. Der Schaden für die deutsche Industrie beläuft sich nach Berechnungen des Bitkom auf rund 22,4 Milliarden Euro pro Jahr.
Laut der Umfrage ereigneten sich die kriminellen Vorfälle am häufigsten in der Produktion beziehungsweise Fertigung. Das berichten 36 Prozent der betroffenen Unternehmen. Bei 30 Prozent zielten die Angriffe auf Lager und Logistik, bei 29 Prozent auf die IT und bei 23 Prozent auf Forschung und Entwicklung. Nach Branchen sind am häufigsten Maschinen- und Anlagenbau (70 Prozent) betroffen. In den Wirtschaftszweigen Chemie und Pharma sind es 68 Prozent, in der Elektrotechnik 65 Prozent und im Fahrzeugbau 61 Prozent. Auf „sonstige Industrie“ entfallen im Schnitt ebenfalls 70 Prozent der Vorfälle.
Das am häufigsten auftretende Delikt ist der Diebstahl von IT- und Kommunikationsgeräten: 32 Prozent der Unternehmen berichten, dass beispielsweise Smartphones, Computer oder Tablets gestohlen wurden. Bei einem Fünftel (20 Prozent) wurden sensible physische Dokumente, Bauteile oder Muster entwendet. Vom Diebstahl sensibler digitaler Dokumente waren 19 Prozent betroffen. Bei 18 Prozent kam es zu Sabotageakten mit dem Ziel, die betrieblichen Abläufe zu stören oder lahmzulegen. 16 Prozent der betroffenen Unternehmen registrierten Fälle von Social Engineering. Bei dieser Methode geht es darum, Mitarbeiter zu manipulieren, um an Informationen wie Passwörter zu gelangen. Bei immerhin 6 Prozent der Unternehmen wurde die elektronische Kommunikation ausgespäht und bei 5 Prozent sind Besprechungen oder Telefonate abgehört worden.
Einen Großteil der geschätzten Schadenssumme von 22,4 Milliarden Euro pro Jahr machen laut Bitkom Umsatzverluste durch Plagiate sowie Patentrechtsverletzungen aus. Es folgen Umsatzeinbußen durch den Verlust von Wettbewerbsvorteilen sowie Kosten für Rechtsstreitigkeiten. Ein weiterer Posten sind Ausgaben für die Ersatzbeschaffung von gestohlenen ITK-Geräten sowie Kosten, die durch den Ausfall von IT-Systemen oder die Störung von Betriebsabläufen entstehen. Ein weicher Faktor mit großem Gewicht sind Imageschäden, die als Folge von Sicherheitsvorfällen eintreten.
In den meisten Fällen stammen die Täter aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter: Fast zwei Drittel (65 Prozent) der betroffenen Unternehmen sagen, dass aktuelle oder ehemals Beschäftigte für die Taten verantwortlich waren. Bei einem Drittel der Befragten kamen die Angriffe aus dem unmittelbaren Umfeld von Kunden, Lieferanten oder Dienstleistern. Wettbewerber steckten bei 16 Prozent der Unternehmen hinter den Taten. Immerhin 14 Prozent machten organisierte Banden als Täter aus. Ausländische Geheimdienste konnten von 6 Prozent der betroffenen Unternehmen als Ausgangspunkt identifiziert werden.
Zur Aufklärung der Vorfälle haben 61 Prozent der Firmen eine interne Untersuchung eingeleitet und 26 Prozent externe Spezialisten beauftragt. Nur ein Viertel der betroffenen Unternehmen schaltete staatliche Stellen ein. Davon haben fast alle (96 Prozent) die Polizei informiert, die wenigsten (3 Prozent) den Verfassungsschutz, der bei Fällen von Wirtschaftsspionage oder Sabotage zuständig ist. „Kriminelle Vorfälle sollten den Behörden gemeldet werden“, sagte Holz. „Selbst wenn die Ermittlungen zu keinem Ergebnis führen, können sich die Sicherheitsbehörden ein besseres Bild der aktuellen Gefährdungslage machen und Gegenmaßnahmen entwickeln.“
Die Umfrage zeigt laut Bitkom auch, dass es in vielen Unternehmen Sicherheitsdefizite gibt. Der größte Nachholbedarf besteht aus Sicht des Branchenverbands beim Personal. Nur ein Viertel (25 Prozent) aller Industriebetriebe bietet seinen Mitarbeitern Schulungen zu Sicherheitsthemen an. Selbst in großen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern sind es nur 30 Prozent. Ein Drittel (33 Prozent) führt vor der Besetzung sensibler Positionen so genannte Background-Checks durch, bei denen Informationen über die Bewerber eingeholt werden. 7 Prozent nutzen ein Hinweissystem (Whistleblowing-Tool), mit dem verdächtiges Verhalten anonym gemeldet werden kann.
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Im Bereich der technischen IT-Sicherheit verfügen alle befragten Unternehmen über Virenscanner, Firewalls und einen Passwortschutz für Geräte. Dieser gängige Basisschutz reiche jedoch nicht mehr aus, so Holz. „Die IT-Angriffe sind immer komplexer geworden. Häufig werden sie gar nicht erkannt und der Abfluss von Daten bleibt unbemerkt.“ Deshalb seien zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen notwendig. Die Verschlüsselung von Netzwerkverbindungen sollte Holz zufolge zum Standard gehören, wird bislang aber nur von 83 Prozent der Unternehmen eingesetzt. Lediglich 48 Prozent der Industriebetriebe verschlüsseln Daten auf Datenträgern und 46 Prozent ihre elektronische Kommunikation per E-Mail. 35 Prozent verfügen über eine Absicherung des internen Netzwerks gegen Datenabfluss von innen und 27 Prozent über spezielle Angriffserkennungssysteme. Letztere analysieren die Datenströme in einer Organisation und melden verdächtige Aktivitäten. Fast jedes dritte Unternehmen (30 Prozent) setzt erweiterte Verfahren zur Benutzeridentifikation ein, etwa eine Zwei-Faktor-Authentifizierung oder biometrische Merkmale.
Laut Bitkom ergeben sich mit der Vernetzung von Maschinen über das Internet und dem Trend zur digitalen Fabrik für die Wirtschaft neue Herausforderungen bei der IT-Sicherheit. Aus seiner Sicht sollten Unternehmen daher nicht nur die technische, sondern auch die organisatorische und personelle Sicherheit erhöhen sowie eine Sicherheitszertifizierung anstreben. Der Branchenverband empfiehlt beispielsweise Regelungen, wer im internen Netzwerk auf welche Daten zugreifen darf und wer Zutritt zu sensiblen Bereichen eines Unternehmens bekommt. Zudem sollte es einen Sicherheitsbeauftragten geben, der diese Maßnahmen anstößt und überwacht. Ein Notfallmanagement ermögliche eine schnelle Reaktion im Krisenfall. Darüber hinaus müssten Mitarbeiter so geschult sein, dass sie die Zusammenhänge und Gefahren kennen und verstehen, um auf immer besser werdende Angriffe vorbereitet zu sein. Sicherheitszertifizierungen verlangten von Firmen, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. In der Praxis seien sie ein geeignetes Mittel, um höhere Sicherheitsstandards im gesamten Unternehmen zu etablieren.
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