Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat ihren Widerstand gegen die Abschaffung der sogenannten WLAN-Störerhaftung offenbar aufgegeben. Bundeskanzlerin Merkel soll in der Sache „ein Machtwort“ gesprochen haben, wie die Bild berichtet. Bisher hatte die Union darauf bestanden, dass eine Befreiung von der Störerhaftung nur bei passwortgeschützten Verbindungen mit Vorschaltseite möglich ist. Diese Vorgaben für Betreiber frei nutzbarer WLAN-Hotspots sollen nun wegfallen. Damit wäre der Weg frei für eine großzügigere Regelung „noch diesen Monat“.
Ein dann endlich im Frühjahr 2015 vorgelegter Gesetzentwurf sah vor, dass Nutzer offener WLANs sich zumindest anmelden und dabei auf einer Vorschaltseite zusichern müssen, dass sie nur legale Inhalte nutzen werden. Kritiker bemängelten, dass damit vorgesehene Identifikations- und Dokumentationspflichten für WLAN-Betreiber dem eigentlich verfolgten Ziel nicht dienlich seien, in Deutschland flächendeckend offene Internetzugänge einzuführen. Juristen monierten zudem, dass die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „zumutbare Maßnahmen“ an dem ebenfalls beabsichtigten Ziel vorbeigehe, mehr Rechtssicherheit für Gewerbetreibende zu schaffen.
Entgegen der Hoffnungen der Kritiker hatte sich an dem Entwurf bis Juni 2015 wenig geändert, als er unter der offiziellen Bezeichnung „Zweites Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes“ zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung der EU-Kommission vorgelegt wurde. Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) lobte damals zwar, dass die Bundesregierung mit der Neufassung die Trennung zwischen Privatpersonen und kommerziellen Anbietern abgeschafft hatte, bemängelte aber zugleich die für beide Nutzergruppen aus seiner Sicht unnötigen bürokratische Hürden.
Ohne Cloud-Technologie sähe der Alltag heute ganz anders aus. Dropbox, Facebook, Google und Musikdienste gäbe es nicht. Erst Cloud-Technologien haben diese Services ermöglicht und treiben heute Innovationen schneller denn je voran.
Der Verband der Deutschen Internetwirtschaft (eco) war ebenfalls unzufrieden: Das Gesetz bringe im Vergleich zu dem schon im Frühjahr 2015 kritisierten Entwurf keine wirkliche Verbesserung der Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber. Und die Regelung zu sogenannten gefahrgeneigten Diensten sei für Hosting-Anbieter nach wie vor „höchst problematisch“.
Kritik an der Bundesregierung kam jedoch nicht nur aus den Reihen der Industrie. In einem gemeinsamen Schreiben wandten sich kurz darauf auch die Vereine Digitale Gesellschaft und Förderverein Freie Netze sowie der Bundesverband der Verbraucherzentralen an die EU-Kommission und forderten diese auf, das Gesetz zu stoppen. Sie sahen darin einen Verstoß gegen die Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie der EU und gegen europäische Grundrechte.
Die Kritik wurde in der Folge auch von der Politik aufgegriffen, fand aber zunächst keine Mehrheiten. Im November 2015 scheiterte Thüringen im Bundesrat mit dem Antrag, die WLAN-Störerhaftung komplett abzuschaffen. Immerhin wurde damals aber der Antrag Nordrhein-Westfalens angenommen, die Pflicht für „angemessene Sicherungsmaßnahmen“ aus dem Gesetzentwurf zu streichen. Begründet wurde das mit den schon lange zuvor von Juristen geäußerten Bedenken, dass so nur neue, unbestimmte Rechtsbegriffe eingeführt würden, deren Auslegung dann später bereits absehbar die Gerichte beschäftige. In diesem Sinne hatte sich der Bundesrat übrigens schon im Herbst 2012 in einer „Entschließung zur Beschränkung des Haftungsrisikos für Betreiber drahtloser lokaler Netzwerke“ geäußert.
Für die entscheidende Wendung in der Sache sorgte letztlich – wie von Verbänden und Verbraucherschützern gehofft – die EU. Mitte März erklärte Maciej Szpunar, Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Betreiber öffentlicher WLAN-Netze könnten nicht für Urheberrechtsverletzungen der Nutzern haftbar gemacht werden. Sie müssten den Zugang auch nicht zwangsläufig per Passwort absichern, wie es im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen war.
Die Argumentation machte sich dann kurz darauf auch der ohnehin WLAN-begeisterte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrint (CSU) zu eigen, der sich in einem Interview Ende März gegen die Störerhaftung aussprach. Er schloss sich damit seinem Parteifreund, dem bayerischen Heimatminister Markus Söder, an, der bereits im Rahmen seiner Regierungserklärung Ende November 2014 bislang nicht umgesetzte Pläne für ein bayernweites WLAN vorlegte und ankündigte, als Grundlage dafür im Bundesrat auf die Abschaffung der Störerhaftung zu drängen.
Als dazu in der 938. Sitzung des Bundesrats Gelegenheit war, verzichtete Bayern jedoch im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern auf einen ausführlichen Redebeitrag und begnügte sich mit einer kurzen Stellungnahme von Staatsminister Marcel Huber. Darin heißt es: „Das Ziel des Gesetzentwurfs, eine umfassende Verfügbarkeit von mobilem Internet über WLAN-Zugänge durch mehr Rechtssicherheit für Anbieter zu befördern, ist zu unterstützen. Der Freistaat Bayern hält die Sorge der Inhalteanbieter für nachvollziehbar, dass damit mehr Urheberrechtsverletzungen drohen, und hält ein klares Signal zu Gunsten des Urheberrechtsschutzes im Internet und damit für die Kultur-, Kreativ- und Markenindustrie für erforderlich. Gleiches gilt für den Schutz des Persönlichkeitsrechts und anderer schutzwürdiger Interessen.“
In der Stellungnahme heißt es weiter: „Der Freistaat Bayern fordert daher die unverzügliche Aufnahme der Arbeiten zu einem effektiven Schutz dieser Rechtspositionen bei der Nutzung von WLAN-Hotspots diesseits einer bewussten Förderung der Eingriffe durch den Zugangs-Provider, die das Gesetz jetzt schon ahndet. Geeignete Maßnahmen zum Schutz der Urheber und anderer berechtigter Interessen sind das notwendige Gegenstück zum umfassenden Ausschluss der Störerhaftung von WLAN-Anbietern.“ Dabei solle man sich an Regeln anderer EU-Staaten orientieren, ohne sie unkritisch zu übernehmen. Als Vorbilder empfahl Huber das „Three Strikes“-Verfahren in Großbritannien oder die Möglichkeit zur Identifizierung von Nutzern nach österreichischem Recht.
[mit Material von Peter Marwan, silicon.de]
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