Der Ende April als ownCloud-CTO zurückgetretene Mitgründer des gleichnamigen Open-Source-Projekts, Frank Karlitschek, hat mit Nextcloud einen Fork der Filehosting-Lösung geschaffen. Vermutungen der Community in diese Richtung hatte er kurz nach seinem Abgang nicht kommentieren wollen. Jetzt erklärt er aber: „Ich selbst und die meisten Menschen aus dem Kern-Technik-Team sind an dem Punkt gekommen, an dem wir entschieden haben, mit einem Reboot von ownCloud einen besseren Weg einzuschlagen.“
Offensichtlich wurde dieses Verhältnis auch durch die Gründung der ownCloud Foundation vor wenigen Tagen aus Sicht von Karlitschek und einiger anderer Mitstreiter nicht zufriedenstellend gelöst. Die Foundation soll das Open-Source-Projekt für die File-Sync- und File-Share-Lösung fortführen und deren Ökosystem pflegen. Die Übergabe des Projekts an die Foundation hatte offenbar zum Ziel, die Akzeptanz unter Entwicklern und Anwendern zu erhöhen und die Fortführung des ownCloud-Projekts „ungeachtet aller kommerziellen Bestrebungen“ sicherzustellen.
In seiner Ankündigung zur Gründung von Nextcloud verspricht Karlitschek bessere Konditionen für Personen und Organisationen aus der Community, die etwas beitragen wollen, die Verwaltung der Marke durch eine unabhängige Stiftung und mehr Transparenz bei der Entwicklungsplanung als bei ownCloud. Anwendern sagt er Unterstützung für die meistgenutzten und verbreitetsten Funktionen von ownCloud, Unterstützung von Videokonferenzfunktionen durch Integration der freien WebRTC-Software Spreed.ME und die Übernahme einiger Funktionen zu, die bislang bei ownCloud nur in der Enterprise-Version verfügbar waren.
Die neu gegründete Firma Nextcloud GmbH beschreibt Karlitschek als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen mit einer langfristigen Vision anstatt einer Ausrichtung auf kurzfristigen Profit. Auch darin steckt offenbar ein Vorwurf an die früheren Weggefährten bei ownCloud.
Zwei davon, die ownCloud-Geschäftsführer Holger Dyroff und Markus Rex, haben sich bereits zu der Ankündigung von Nextcloud geäußert. In einer Pressemitteilung erklären sie, die Entscheidung von Frank Karlitschek, „mit kurzfristig abgeworbenen Entwicklern ein Konkurrenzprodukt zu ownCloud auf den Markt zu bringen, hat uns überrascht und – zugegebenermaßen – auch enttäuscht. Er hat sich in der Vergangenheit große Verdienste um die Entwicklung der ownCloud Community Edition erworben und wir bedauern zutiefst diese Art der Trennung“.
Die Geschäftsführer versichern jedoch, für Kunden und Anwender der ownCloud GmbH habe die Ankündigung keine Auswirkungen auf Support und Betrieb der Software: „Wir werden unverändert unser Produkt weiterentwickeln, professionellen Service anbieten und an unserer Vision des ‚Universal File Access‘ arbeiten. Wir stellen uns jedem sauberen Wettbewerb, weil wir von der Qualität von ownCloud überzeugt sind.“ Zudem verweisen sie auf die soeben gegründete Foundation, deren Ziel es sei, „die Community langfristig zu stärken und eine kostenlose, vollständig auf Open Source basierende Version von ownCloud zur Verfügung stellen zu können. Die Community Edition ist und bleibt das Rückgrat unseres Unternehmens.“
Konsequenzen hatte die Gründung von Nextcloud aber schon für die ownCloud Inc mit Sitz in Lexington, im US-Bundesstaat Massachusetts. „Unser Haupt-Kreditgeber in den USA hat unsere Kreditlinie gestrichen. Nach amerikanischem Recht sind wir damit gezwungen, die ownCloud Inc mit sofortiger Wirkung zu schließen und acht Mitarbeiter der ownCloud Inc zu entlassen“, teilten Dyroff und Rex mit. Die ownCloud GmbH sei davon jedoch „nicht unmittelbar betroffen“.
Unklar ist im Augenblick noch, wie viele der fleißigsten Entwickler von ownCloud dort bleiben und wie viele sich bei Nextcloud engagieren. Daran wird sich schließlich festmachen, welche Version sich langfristig dynamischer entwickelt und dadurch auch mehr Nutzer für sich gewinnen kann. Via Twitter hat Karlitschek jedenfalls schon angekündigt, dass die finanzielle Ausstattung der Nextcloud GmbH ausreiche, „jeden von ownCloud einzustellen, der sich nach einer neuen Arbeit umsieht“. Das zumindest klingt nicht nach einem friedlichen Auseinandergehen, sondern nach einer Kampfansage.
[mit Material von Peter Marwan, silicon.de]
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