In einer aktuellen Finanzierungsrunde hat das US-Start-up Atlas Informatics, das hinter dem Angebot Atlas Recall steht, 20,7 Millionen Dollar erhalten. Das frische Kapital kommt von Microsoft, Nathan Myhrvold, dem ehemaligen Microsoft-CTO und Mitgründer von Intellectual Ventures sowie dem Wagniskapitalgeber Aspect Ventures. Auch Jordan Ritter, der CEO von Atlas ist kein Unbekannter: Er hat beispielsweise auch Cloudmark gegründet und war entscheidend an der Entstehung von Napster beteiligt. Nun soll das von ihm geführte Unternehmen die Suche revolutionieren.
„Atlas Recall stellt ein durchsuchbares, fotografisches Gedächtnis all dessen zur Verfügung, das Sie einmal auf einem der von Ihnen genutzten Geräte, Apps und Cloud-Dienste digital betrachtet haben“, so das ehrgeizige Versprechen. Ob das eingelöst wird, kann jetzt theoretisch jeder nach einer Registrierung auf der Website ausprobieren, nachdem die öffentliche Beta inzwischen freigeschaltet wurde.
All die Fragen, die sich bei einem so tief in die persönlichen Gewohnheiten und Aktivitäten eingreifenden Dienst sofort aufdrängenden, werden jedefalls auf dem Papier alle zufriedenstellend beantwortet: Natürlich wird bei Atlas Recall alles verschlüsselt und natürlich lässt sich über Einstellungen festlegen, was vom Dienst „gemerkt“ werden soll. Außerdem versichert der Anbieter, dass er keinen Zugriff auf die APIs der von den Anwendern genutzten Dienste benötigt.
Und Missverständnissen vorzubeugen: Atlas will keine neue Konkurrenz zu Google sein. Es überlässt ihm die Suche nach Dingen, die man nicht weiß. Es ist eher schon eine Konkurrenz zur sündhaft teuren und wenig erfolgreichen Google Search Appliance, die mit dem Versprechen angetreten ist, alles zu finden, was innerhalb eines Unternehmens gespeichert ist – aber eben mit dem Anspruch, diese Funktionen für das persönliche digitale Universum jeden Nutzers zu bieten. Sozusagen eine Desktop-Suche für „den Desktop, Mobilgeräte und ganzen Rest“ – um ein Zitat des britischen Autors Douglas Adams abzuwandeln.
Atlas Recall indexiert wirklich alles, was der Nutzer auf seinem Rechner oder eben einem anderen von ihm verwandten Gerät aufruft, liest, betrachtet, speichert oder weiterleitet, sei das nun ein Word-Dokument, Facebook-Seiten, E-Mails Inhalte von Apps oder was auch immer, um diese Aufgabe zu erfüllen. Im Gegensatz zu früheren Indexierungsversuchen soll dieser im Laufe der Zeit unvorstellbare Wust an Informationen aber durchsuchbar und für Nutzer leicht erschließbar sein, weil er nicht entsprechend den Bedürfnissen von Computern organisiert ist, sondern so organisiert wird, wie Menschen ihn sortieren würden.
CEO Jordan Ritter deutet in einem ausführlicheren Gespräch mit TechCrunch auch nur an, was damit genau gemeint ist. Die Erinnerung an digitale Inhalte der Menschen überspannt alle Geräte und Anwendungen. Hat man das interessante Video nun auf Facebook, Youtube, Vimeo oder einer Firmenwebsite gesehen? Wo stand noch einmal das Rezept für die leckeren Plätzchen? Auf der Kochwebsite, einem per E-Mail erhaltenen PDF oder Online-Forum? Der Mensch vergisst den Ort, Atlas Recall nicht – so das Versprechen.
Atlas Recall muss sich nicht nur alle Inhalte merken, damit das funktioniert, sondern auch zahllose Metadaten über den Zusammenhang, in dem sie stehen – etwa wann sie betrachtet wurden, wo man zu dem Zeitpunkt gewesen ist, was davor und danach geschehen ist und welche anderen Fenster und Apps gleichzeitig geöffnet waren.
Um die Datenmengen beherrschbar zu machen, gibt es Filter für Inhaltstypen, das Datum oder Zeiträume und in jeder Ergebnisliste Drill-down-Möglichkeiten. Bei bestimmten Aktivitäten lässt sich Atlas Recall auch zuvor abstellen. An was man sich ohne Hilfe der Software erinnern kann oder woran man vielleicht gar nicht erinnert werden möchte oder woran man die „Allwissende Müllhalde“ nicht teilhaben lassen will, muss und kann jeder selbst entscheiden.
Denn die ganze Sache hat natürlich einen Haken: Damit das funktioniert, müssen die gesamten Metadaten in der Cloud gespeichert werden. Anders ist das gar nicht möglich. Ritter erklärt daher gegenüber TechCrunch, dass „Vertrauen aufgebaut“ werden müsse – stellt sich aber selbst das Zeugnis aus, als ehemaliger Security Engineer das Zeug dazu zu haben. Außerdem argumentiert er mit dem geplanten Geschäftsmodell: Das basiere nicht darauf, die Daten zu durchforsten und zu nutzen, so wie das bei Google und Facebook der Fall ist. Atlas arbeitet daran, die finale Version mit einem Freemium-Modell zu vermarkten – ohne Werbung, aber mit Kosten für Nutzer, die nicht nur die Basisfunktionen verwenden oder es in Firmen einsetzen wollen.
[Mit Material von Peter Marwan, silicon.de]
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