Der 13. Juni 2017 könnte als schwarzer Tag in die bislang von so vielen Erfolgen gekennzeichnete Geschichte des WLAN-Marktes eingehen. Denn wenn sich bis dahin nicht ganz viel ändert, könnten Hersteller ab diesem Tag aufgrund der „Radio Equipment Directive – RED der EU (2014/53/EU) „keine Produkte mehr legal in Verkehr bringen, der Handel könnte keine WLAN Access Points und Router mehr beziehen, die komplette Lieferkette zum Kunden bräche zusammen“, so Ralf Koenzen, Gründer und Geschäftsführer des deutschen Anbieters Lancom, in seinem Blog .
Koenzen zufolge müssten dann zudem „selbst all jene Funkprodukte neu bewertet werden, die im Zweifel schon seit Jahren rechtskonform …. verkauft werden. Damit droht also nicht nur eine Verzögerung bei WLAN-Neuentwicklungen, zum Beispiel im so spannenden 802.11ac Wave II-Bereich, sondern die vollständige Marktzugangsblockade für alle WLAN-Produkte. In ganz Europa!“
Koenzen räumt ein, das der RED „einige wichtige Ideen zu Grunde liegen, die wir sehr begrüßen“, etwa die effizientere Nutzung des Funkspektrums. Um diese Ideen umzusetzen, brauche es jedoch neue Normen und Standards, mit denen die technischen gewünschten Vorgaben festgelegt werden. Die ansonsten nicht für rasche Entschlüsse und dynamisches Handeln bekannte EU ist aber offenbar weitaus weniger geduldig, wenn sie anderen Vorgaben macht, als bei eigenen Prozessen. Denn die zuständigen Standardisierungsgremien erhielten erst Mitte 2015 von der Europäischen Kommission den Auftrag, eine große Zahl von Normen zu überarbeiten.
Damit sind sie noch lange nicht fertig – was niemanden wundert, der einigermaßen Einblick in die Abläufe und Prozesse der Standardisierungsgremien hat. Als Beispiel nennt Koenzen die Norm EN 301 893 für das 5-GHz-Band. Sie solle laut Auskunft der ETSI 2018 fertig werden. Damit könnten mindestens neun Monate lang nach verpflichtendem Inkrafttreten der RED keine WLAN-Produkte in diesem Bereich verkauft werden –denn ohne die Standards zu kennen, können die Hersteller nicht prüfen, ob ihre Produkte konform zu ihnen sind.
Die Standardisierungsgremien könnten allerdings den Prozess nicht einfach abkürzen und die Normen noch rechtzeitig verabschieden. Dazu fehle „es schlichtweg an Kapazitäten, und der Verzug ist viel zu groß“ – ganz abgesehen davon, dass dann noch die langwierige Prüfung der fertigen Normen durch die EU-Kommission ansteht. Laut Koenzen liegen Brüssel derzeit knapp 80 Normen ungeprüft vor.
Somit sind nicht nur klassische WLAN-Produkte wie Access Points oder WLAN-Router betroffen. Auch „zahllose weitere Funkprodukte, vom Smartphone über drahtlose Mikrofone bis zu den DVB-T2-Antennen, die ab März 2017 für den digitalen terrestrischen Fernsehempfang nötig sind“, seien von der Richtlinie, der dadurch erforderlichen Neubearbeitung der Standards und dem dadurch ausgelösten „Normierungsstau“ betroffen.
Nach Ansicht von Koenzen ist der einzige echte Ausweg die Verlängerung der in der Richtlinie festgelegten Übergangsfrist. Damit schließt er sich einer soeben erhobenen Forderung von Digitaleurope, dem europäische Dachverband der IT-Verbände an. Er hat sich vergangene Woche bereist mit einem offenen Brief (PDF) an die EU-Kommission gewandt.
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