Fake-News: Bitkom fordert mehr Medienkompetenz statt mehr Gesetze

Der Bitkom hat die Politik zur Besonnenheit beim Thema Fake-News gemahnt und davor gewarnt, dem komplexen Phänomen mit vermeintlich einfachen und schnellen Lösungen zu begegnen. „Rechtsstaatliche Prinzipien und das hohe Gut der Meinungsfreiheit müssen geschützt werden“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder in einer Pressemitteilung. Beispielsweise könnten die mit der Androhung hoher Bußgelder angedachten Löschpflichten innerhalb von 24 Stunden dazu führen, dass Betreiber sozialer Netzwerke aus Sorge vor rechtlichen Konsequenzen und bei unklaren Fällen mehr Inhalte löschen als notwendig. Dadurch befürchtet der Bitkom „eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine Verwischung der Grenze zwischen Presseerzeugnissen und Plattformen.“

Im Zuge der Aufbereitung des US-Wahlkampfs, für dessen Ausgang Fake-News nach Ansicht einiger Beobachter eine wichtige Rolle gespielt haben, befürchten Politiker und Behörden im Wahljahr 2017 auch in Deutschland eine starke Zunahme von Falschmeldungen, Der Bundesnachrichtendienst hat schon im vergangenen Jahr vor dem Phänomen gewarnt. Als Urheber sieht er insbesondere „Troll-Fabriken“ in Russland. Mitte Dezember sickerten dann Überlegungen des Bundesinnenministeriums durch, von staatlicher Seite umfassend gegen Falschmeldungen vorzugehen. Um nicht in Zugzwang zu geraten, hat Facebook Mitte Januar dann angekündigt, dass bei ihm für Deutschland unabhängige Prüfer die Beiträge der Nutzer nach Fake-News durchforsten und diese entsprechend markieren sollen.

“In der aktuellen Diskussion werden Themen wie Fake Follower, Fake News, Hatespeech oder Social Bots wild durcheinander geworfen. Die Diskussion muss versachlicht und differenziert geführt werden”, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Er räumt aber auch ein: “Die Sorge der Politik ist verständlich, dass Falschmeldungen die öffentliche Meinung im Wahljahr beeinflussen könnten.” (Bild: Bitkom)

„In der aktuellen Diskussion werden Themen wie Fake Follower, Fake News, Hatespeech oder Social Bots wild durcheinander geworfen. Die Diskussion muss versachlicht und differenziert geführt werden“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Er räumt aber auch ein: „Die Sorge der Politik ist verständlich, dass Falschmeldungen die öffentliche Meinung im Wahljahr beeinflussen könnten.“

Um seine Argumentation zu untermauern, hat der Bitkom eine repräsentative Umfrage zu dem Thema unter 1009 Personen ab 14 Jahren durchführen lassen. Demnach sind 68 Prozent der Bundesbürger in den vergangenen 12 Monaten Falschmeldungen oder Fake News in klassischen Medien oder in sozialen Online-Medien aufgefallen. „Fake News“ wurden dabei als Nachrichten definiert, die sich als offensichtlich falsch herausgestellt haben. Es können also klassische „Zeitungsenten“ sein, die Folge sachlicher Fehler oder einer unklaren Quellenlage sind oder auch absichtlich produzierte Meldungen, in denen es bei der Debatte um Fake News vorrangig geht, und die mit dem Ziel verbreitet werden, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Personen, Institutionen oder Organisationen zu schaden oder mit denen schlicht Geld verdient werden soll.

Den Umfrageergebnissen zufolge haben 40 Prozent einen leichten und 31 Prozent sogar einen starken Anstieg von Falschmeldungen wahrgenommen. Am häufigsten fielen Falschmeldungen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf in den USA (72 Prozent) sowie dem Thema Flüchtlinge auf. Aber auch Falschnachrichten zu Kriminalität (55 Prozent), Vermischtem (32 Prozent), Wirtschaft (29 Prozent) oder Gesundheit (21 Prozent) sind den Befragten oft aufgefallen. 8 Prozent derjenigen, denen Falschmeldungen im Internet aufgefallen sind, haben die selbst schon einmal bewusst oder unbewusst geteilt.

Fake-News und Glaubwürdigkeit sozialer Medien im europäischen Vergleich (Grafik: Statista)

Allerdings scheint der Einfluss von Falschmeldungen im Internet geringer zu sein, als oft angenommen. Nach den Ergebnissen der Umfrage informieren sich nämlich die meisten Menschen in Deutschland weiterhin in klassischen Medien über das aktuelle Geschehen. 92 Prozent informieren sich im Fernsehen über die aktuelle Nachrichtenlage, 72 Prozent in Tageszeitungen und 69 Prozent hören Nachrichten im Radio. Das Internet liegt in der Gesamtbevölkerung als Informationsquelle mit 63 Prozent auf Platz fünf. In der Gruppe der Personen zwischen 14 und 49 Jahre rangiert dagegen das Internet hinter dem Fernsehen auf Platz zwei.

Aber auch im Internet haben die Nachrichtenseiten der klassischen Printmedien (79 Prozent), TV-Sender (69 Prozent) sowie die Startseiten von E-Mail- beziehungsweise Internet-Providern (67 Prozent) sowie Radiosendern (27 Prozent) eine hohe Bedeutung als Nachrichtenlieferanten. Lediglich jeder Fünfte nutzt soziale Netzwerke, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. Selbst unter den 14- bis 29-Jährigen geben nur rund 25 Prozent an, soziale Netzwerke zu nutzen, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. „Die Bedeutung sozialer Netzwerke als Informationsquelle wird offenkundig überschätzt“, bilanziert Rohleder. „Soziale Netzwerke dienen primär der persönlichen Kommunikation und nicht der politischen Information.“

Wesentliche Informationsquellen der Bundesbürger (Grafik: Bitkom)

Laut Bitkom ermöglicht bereits die aktuelle Rechtslage einen angemessenen Umgang mit dem Problem. „Rechtswidrige Inhalte müssen schon heute von den Betreibern von Online-Plattformen gelöscht werden, wenn sie davon Kenntnis erlangen“, so Rohleder. Handelt es sich um Straftaten wie Beleidigungen, Verleumdungen oder Volksverhetzung, müssen sogar die Behörden aktiv werden. Um Straftaten im Internet konsequenter verfolgen zu können, sollten Strafverfolgungsbehörden und Gerichte finanziell und personell so ausgestattet werden, dass sie dieser Aufgabe gerecht werden können, fordert Rohleder.

Bereits früher hatten Juristen, etwa der Anwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke zu bedenken gegeben, dass „Fake-News“ als Begriff juristisch gesehen nicht existiert, sondern im Sprachgebrauch darunter eine Vielzahl nach aktuellem deutschem Recht verfolgbarer Tatbestände zusammengefasst werden. Dazu gehörten in Bezug auf konkrete Einzelpersonen unwahre Tatsachenbehauptungen, Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung, in Bezug auf ganze Bevölkerungsgruppen Meldungen, die möglicherweise den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Auch Falschbehauptungen mit wirtschaftlichem Hintergrund lassen sich laut Solmecke juristisch verfolgen. Meist seien dann Unterlassungsklagen nach dem Wettbewerbsrecht möglich.

Wahrnehmung von Fake-News durch deutsche Internetnutzer (Grafik: Bitkom)

Aus Sicht des Bitkom ist die wichtigste Maßnahme gegen Fake News die Verbesserung der Medien- und Informationskompetenz in der gesamten Bevölkerung. Das dauert aber natürlich seine Zeit – Zeit, die die Politiker nicht zu haben glauben, geht es doch für sie schon in den kommenden Monaten um Amt, Würden, Macht, Einkommen und Positionen.

Bitkom-Geschäftsführer Rohleder weiß das auch: „Im Umgang mit Fake News gibt es keine einfachen, schnellen Lösungen. Wir sagen: Hände weg von Zensur. Wir brauchen jetzt einen langen Atem. Es gilt, allen Bevölkerungsgruppen eine souveräne Bewegung in der digitalen Medienwelt zu ermöglichen und echte Medienkompetenz zu entwickeln.“

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Dass auch mit den etablierten Werkzeugen und Instrumentarien ein effektives Vorgehen gegen Falschmeldungen in Sozialen Netzwerken möglich ist, zeigte die Berliner Polizei kurz nach Weihnachten. Damals wurde eine Person verhaftet, die am 23. Dezember per Audionachricht auf WhatsApp das Gerücht verbreitet hatte, dass die Gefahr eines Anschlags auf ein Berliner Einkaufszentrum besteht. Ihr droht ein Verfahren wegen der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Dafür kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängt werden.

Mitte Januar hat zudem der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun wegen Falschmeldungen eine Klage gegen Facebook und einen Facebook-Nutzer aus dem Rheinland eingereicht. Im Auftrag seines Mandanten wirft er dem Nutzer vor, Urheber einer Fake-News zu sein und kritisiert den US-Konzern, weil er nicht genug gegen die Verbreitung der verleumderischen Falschbehauptungen auf seiner Site getan habe. In dem Beitrag wurde ein Bild des Mandanten verbreitet, in dessen Beschreibung die offensichtlich unwahre Behauptung aufgestellt wurde, er habe an Anschlägen teilgenommen. Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verhandelt das Landgericht Würzburg am 6. Februar.

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ZDNet.de Redaktion

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