Die EU-Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 2,42 Milliarden Euro gegen Google verhängt. Das entspricht etwa 3 Prozent des Jahresumsatzes des Google-Mutterkonzern Alphabet. Die Strafe erhält das Unternehmen, weil es nach Ansicht der EU gegen geltendes Kartellrecht verstoßen habe. Es habe seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, indem es seinem eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber Mitbewerbern einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft habe.
Das Unternehmen muss dieses Verhalten nun innerhalb von 90 Tagen abstellen. Ansonsten drohen Zwangsgelder von bis zu fünf Prozent des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes. Bei einem Jahresumsatz 2016 von etwa 90 Milliarden Euro würde die Maximalsumme bei täglich circa 11 Millionen Euro liegen. Das Zwangsgeld ist keine leere Drohung. Im Verfahren gegen Microsoft hatte die EU schon einmal Zwangsgelder erhoben. Allerdings war Microsoft die bisher einzige Firma, die Kartellauflagen der EU nicht eingehalten hatte.
Außerdem drohen Google zivilrechtliche Schadenersatzklagen, die von seinem wettbewerbswidrigen Verhalten betroffene Personen oder Unternehmen vor den Gerichten der Mitgliedstaaten einlegen könnten. Die neue EU-Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen macht es für die Opfer von Kartellrechtsverstößen einfacher, Schadensersatz zu erhalten.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Google hat viele innovative Produkte und Dienstleistungen entwickelt, die unser Leben verändert haben. Das ist eine gute Sache. Aber die Strategie von Google für seinen Preisvergleichsdienst bestand nicht nur darin, Kunden zu gewinnen, indem es ein besseres Produkt anbietet als seine Wettbewerber. Google hat vielmehr seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, indem es seinen eigenen Preisvergleichsdienst in seinen Suchergebnissen ganz oben platziert und Vergleichsdienste der Konkurrenz herabgestuft hat.
Damit habe Google anderen Unternehmen die Möglichkeit genommen, im Wettbewerb durch Leistung zu überzeugen. Vor allem aber habe es verhindert, dass die europäischen Verbraucher wirklich zwischen verschiedenen Diensten wählen und die Vorteile der Innovation voll nutzen können.
Als Google 2004 mit seinem Dienst Froogle in den Preisvergleichsmarkt eintrat, waren dort bereits einige etablierte Anbieter tätig. Unterlagen aus jener Zeit belegen laut EU, dass Google sich bewusst war, dass Froogle sich auf dem Markt nur schlecht behauptete (in einem internen Dokument von 2006 hieß es, „Froogle simply doesn’t work“, also „Froogle läuft einfach nicht“).
Nach den Ermittlungen der EU begann Google 2008, seine Strategie auf den europäischen Märkten grundlegend zu ändern, um seinen Preisvergleichsdienst nach vorne zu bringen. Dafür habe es seinen eigenen Preisvergleichsdienst systematisch am besten platziert. Konkurrierende Preisvergleichsdienste wurden der EU zufolge in den Suchergebnissen benachteiligt. Es sei nachgewiesen, dass der am besten platzierte Wettbewerber im Durchschnitt erst auf Seite vier der Suchergebnisse von Google angezeigt wurde und andere Anbieter sogar noch weiter unten platziert sind. Infolgedessen ist der Preisvergleichsdienst von Google für die Verbraucher in den Suchergebnissen von Google wesentlich sichtbarer als andere Preisvergleichsdienste.
Seit Beginn der Zuwiderhandlung hätten die Zugriffe auf den Preisvergleichsdienst von Google in Großbritannien um das 45-fache zugenommen, in Deutschland um das 35-fache, in Frankreich um das 19-fache, in den Niederlanden um das 29-fache, in Spanien um das 17-fache und in Italien um das 14-fache.
Aufgrund der von Google vorgenommenen schlechteren Platzierungen konkurrierender Preisvergleichsdienste wurden deutlich weniger Nutzer zu deren Websites geleitet. Beispielsweise fand die Kommission konkrete Beweise dafür, dass die Anzahl der Aufrufe von konkurrierenden Websites im Vereinigten Königreich um 85 Prozent, in Deutschland um 92 Prozent und in Frankreich um 80 Prozent zurückging. Diese plötzlichen Rückgänge ließen sich nicht durch andere Faktoren erklären. Einige Wettbewerber haben sich laut EU sich angepasst und einen Teil der Nutzer zurückgewonnen. Keiner habe es jedoch geschafft, sich ganz zu erholen.
Die Kommission hat bei der Festlegung der Geldbuße auf 2,42 Milliarden Euro die Dauer und die Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt. Im Einklang mit den Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 wurde die Geldbuße auf der Grundlage der Umsätze von Google mit seinem Preisvergleichsdienst in den betreffenden 13 Staaten des Europäischen Wirtschaftsraume (EWR) errechnet.
Google muss nun sein rechtswidriges Verhalten binnen 90 Tagen nach Erlass des Beschlusses abstellen und von allen Maßnahmen absehen, die denselben oder einen ähnlichen Zweck respektive dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben. Insbesondere muss das Unternehmen den Grundsatz der Gleichbehandlung auf konkurrierende Preisvergleichsdienste und seinen Dienst anwenden.
Konkret bedeutet dies, dass Google für die Platzierung und Anzeige konkurrierender Preisvergleichsdienste auf seinen Suchergebnisseiten dieselben Verfahren und Methoden wie bei seinem eigenen Dienst anwenden muss.
Google ist für die Einhaltung dieser Vorgaben verantwortlich und muss darlegen, wie es sie umzusetzen beabsichtigt. Unabhängig davon, für welche Option Google sich entscheidet, wird die Kommission die Einhaltung genau überwachen, und Google muss die Kommission laufend über seine Maßnahmen unterrichten (zunächst innerhalb von 60 Tagen nach Erlass des Beschlusses, dann in regelmäßigen Abständen).
Die Kommission ist bereits bei zwei anderen, noch laufenden Verfahren zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass Google eine beherrschende Stellung missbraucht hat.
Zum einen betrifft dies das Betriebssystem Android. Hier hat die EU die Sorge, dass Google bei einer Reihe von Anwendungen und Diensten für mobile Geräte im Rahmen einer allgemeinen Strategie die Auswahl verringert und Innovationen verhindert, um seine beherrschende Stellung im Bereich der allgemeinen Internetsuche zu schützen und auszubauen.
Zum anderen gelangt die EU bei der Untersuchung zum Google-Werbenetzwerk Adsense zu der vorläufigen Auffassung, dass Google damit eine Verringerung der Auswahl bewirkt, indem es verhindert, dass Websites von Dritten auf Suchmaschinenwerbung von seinen Wettbewerbern zugreifen.
Die Kommission werde zudem der Frage weiter nachgehen, wie Google andere spezialisierte Google-Suchdienste auf seinen Suchergebnisseiten behandelt. Der heutige Beschluss ist ein Präzedenzfall, der den Rahmen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit solcher Verhaltensweisen absteckt. Gleichwohl ist er kein Ersatz für eine fallspezifische Prüfung, da nur diese die Möglichkeit bietet, die spezifischen Merkmale der einzelnen Märkte zu berücksichtigen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die EU mit einem großen IT-Konzern anlegt und eine erhebliche Strafe verhängt. Bisheriger Rekordinhaber aus dem IT-Umfeld war Intel. Der CPU-Hersteller wurde 2009 zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1,05 Milliarden Euro verurteilt, was seinerzeit etwas mehr als 4 Prozent des Jahresumsatzes entsprach und damit mehr als jetzt bei Google, die „nur“ auf drei Prozent kommen. In einem Berufungsverfahren wurde die Intel-Strafe bestätigt. Der Konzern geht dagegen jedoch weiter vor.
Mit einer Geldbuße von 900 Millionen Euro gehört auch Microsoft zu den bestraften Unternehmen. Erst kürzlich empfing auch Facebook einen Strafbefehl aus Brüssel. Im Vergleich zu Google, Intel und Microsoft fiel dieser für das Soziale Netzwerk mit einer Höhe von 118 Millionen Euro vergleichsweise glimpflich aus.
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