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Bericht wirft IT-Firmen Verwässerung von Umweltstandards vor

In einem diese Woche veröffentlichten Bericht der Repair Association (früher Digital Right to Repair Coalition), einer Interessensvertretung von US-Reparaturwerkstätten, wird die Einflussnahme von IT-und Elektronikfirmen auf die Formulierung von Umweltstandards und -richtlinien untersucht. Mark Schaffler, der Autor des Berichts, kommt darin zu dem vernichtenden Urteil, dass zahlreiche der „grünen“ Standards im Bereich Elektronik in den USA inzwischen den Anspruch längst nicht mehr erfüllen, die Messlatte für Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit höher zu legen.

Als Steuerungselemente für besser reparierbare und damit umweltfreundlichere Produkte seien sie auch deshalb nicht mehr geeignet, weil in den Gremien große IT-Firmen, darunter Apple und HP, die Anforderungen soweit verwässert hätten, dass sie diese mit ihren Produkten und Produktstrategien problemlos erfüllen können. Apple als größtes IT-Unternehmen und eines, das ganz besonders auf den Verkauf ständig neuer Produkte angewiesen ist, insbesondere im Bereich Smartphones, wird dabei besonders scharf kritisiert.

In dem Bericht, der kostenlos zum Download bereitsteht, (PDF) legt Schaffer die Methoden und den Umfang der Einflussnahme auf die Gruppen und Gremien dar – darunter (IEEE), Underwriters Laboratories (UL) und NSF International sowie das Green Electronics Council, dass die Einhaltung von EPEAT) überwacht -, die die Herstellung elektronischer Geräte reglementieren.

Das führe dazu, dass die Hersteller trotz eklatanter Defizite in den Bereichen Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit respektive Wiederverwertungsmöglichkeiten bei bestimmten US-Umweltsiegeln die bestmögliche Bewertung bekommen. Neben IT-Firmen und Herstellern tragen laut Schaffer auch Hersteller von Kunststoffen und deren Interessenvertretungen zu dem Problem bei. Und obwohl dem Bericht ein gewisses Eigeninteresse des ihn veröffentlichenden Verbandes nicht abgesprochen werden kann, sind die Vorwürfe doch weitgehend gut belegt und nachvollziehbar.

Aus nachvollziehbaren Gründen legt Repair.org großen Wert auf die Reparierbarkeit von Produkten. Hier eine Übersicht, welche Hersteller Reparaturanleitungen öffentlich zur Verfügung stellen und welche sie als geheime Verschlusssache behandeln (Grafik: Schaffer/Repair.org)

Eine Ursache dafür, dass die Strategien der Hersteller erfolgreich sind, ist dem Bericht zufolge, dass die Definition der Standards viel zu lange dauert und daher mit den raschen Innovationszyklen oder zumindest den kurzen Zyklen bis zur Vorstellung der nächsten Produktgeneration, nicht mehr Schritt halten kann. So sei der aktuelle Standard 1680.1, der auch Umweltkriterien für Computer festlegt, bereits vor über einem Jahrzehnt verabschiedet worden.

Die Kritik von Schaffer geht damit in eine ähnliche Richtung wie die seit einigen Jahren hierzulande erhobenen Vorwürfe um die „geplante Obsoleszenz“ – also Maßnahmen der Hersteller, Produkte bewusst weniger langlebig zu machen. Dazu kann zum Beispiel auch der feste Einbau eines Verschleißteils, etwa eines Akkus, gehören. Anfang des Jahres hat das EU-Parlament beschlossen, durch ein neues Regelwerk darauf hinzuwirken, dass Verbraucherprodukte langlebiger, hochwertiger und vor allem einfach reaprierbar und nachrüstbar werden.

Das Parlament empfahl zudem Mindestkriterien für die Beständigkeit in jeder Produktkategorie. Die Mitgliedstaaten sollen Anreize für Hersteller langlebiger und reparierbarer Produkte schaffen. Die Förderung von Reparaturen und Verkäufen aus zweiter Hand kann nach Ansicht der Parlamentarier Arbeitsplätze schaffen und Abfall reduzieren. Technischen Lösungen, Sicherheitsvorkehrungen oder Softwarelösungen, mit denen Anbieter Reparaturen verhindern, sollen die EU-Staten mit Gesetzen entgegenwirken.

Zusammensetzung der Standardisierungsgremien problematisch

Schaffer legt in dem Bericht dar, wie Firmen wie Apple, Blackberry und Sony immer wieder die Aufnahme von Kriterien verhindert haben, die die Art und Weise beeinflussen würden, wie sie ihre Produkte gestalten. Unter anderem seien durch ihre Einflussnahme Anreize für eine reparaturfreundliche Produktkonzeption fallengelassen worden und sogar Vorstöße blockiert worden, die das Recycling erleichtert hätten.

Möglich sei das unter anderem auch deshalb, weil die aktuelle Struktur der Standardisierungsgremien und deren Arbeitsweise dafür sorgten, dass Gremienmitglieder nahezu zwangsläufig aus Organisationen respektive Firmen mit viel Geld im Rücken stammen. Unabhängige Berater, Wissenschaftler oder Personen aus kleinen Firmen hätten kaum die Möglichkeit, die Kosten und den Aufwand zu bewältigen, die durch die Teilnahme an der Standardisierungsarbeit entstehen.

Reparatur an einem iPad Mini durch einen Techniker des Dienstleisters iCrackedit (Bild: Peter Marwan/ZDNet.de)

Gegenüber The Verge erklärte Apple auf Anfrage, das Unternehmen arbeite kontinuierlich daran, seine Nachhaltigkeitsinitiativen zu verbessern. Es werde aber auch künftig darauf Wert legen, strenge Kontrolle darüber ausüben zu können, wie seine Produkte hergestellt und repariert werden. „Hochintegriertes Design erlaubt uns Produkte herzustellen, die nicht nur schön sind, sondern auch dünn und leistungsfähig sowie haltbar, damit sie für viele Jahre genutzt werden können“, teilte das Unternehmen mit. Reparaturen könnten von autorisierten Dienstleistern vorgenommen werden. Nach Außerbetriebnahme von Produkten übernehme Apple zudem die Verantwortung dafür, sie sicher und verantwortungsvoll wiederzuverwerten.

Keine Chance für echte grüne Reformen in Standardisierungsgremien

Sarah Westervelt, Vertreterin des Basel Action Network, einer gemeinnützigen Organisation, die gegen den Export von giftigen Abfällen aus der Elektronikproduktion in Entwicklungsländer einsetzt, hat aufgrund der Fruchtlosigkeit der Arbeit in den Standardisierungsgremien ihre Arbeit darin aufgegeben. „EPEAT hat sein ursprüngliches Ziel, die treibende Kraft für ein Redesign von Produkten zu sein, längst aus den Augen verloren“, erklärt sie gegenüber The Verge.

Sie habe zuvor mehrere hundert Stunden mit anderen Aktivisten von gemeinnützigen Organisationen damit verbracht, Entwürfe für EPEAT zu schreiben, die dann von den Herstellern in den entsprechenden Gremien einfach aufgrund ihrer Stimmenmehrheit verworfen wurden. Sie wirft den Lieferanten der IT-Hersteller aus der Chemiebranche sogar vor, teilweise Familienmitgliedern die Mitgliedschaft bei der IEEE bezahlt zu haben, damit sie helfen, Vorstöße für schärfere Umweltauflagen mit ihren Stimmen abzulehnen.

Schaffer behauptet in dem Bericht auch, dass sich IT-Firmen nicht zuletzt deshalb gegen strengere Umweltauflagen stemmen, weil sie fürchten, dass lukrative Geschäft mit Kommunen, Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Hand zu verlieren. Üblicherweise verlangen die in ihren Ausschreibungen die Einhaltung der höchsten Umweltstandards. Als ein Beispiel dafür, wie Technologiefirmen hier agieren, nennt er Apple und das MacBook Pro mit Retina Display im Jahr 2012.

Schlechtes Beispiel: MacBook Pro mit Retina Display 2012

Die Geschichte ist bekannt, aber sei nach wie vor exemplarisch. Die Produktreihe MacBook Pro sei bis dahin stets modular aufgebaut, gut reparierbar und der Austausch von Komponenten möglich gewesen. Das Retina MacBook Pro 2012 kam jedoch mit proprietärer SSD, der Arbeitsspeicher konnte nicht erweitert werden und die Lithium-Ionen-Batterie war fest verklebt.

Indem Apple das Standardisierungsgremium jedoch dazu bewegen konnte, die Formulierungen anzupassen, mit denen beschrieben wurde, der Austausch welcher Elemente ein Produkt „upgrade-fähig“ macht, konnte auch das offensichtlich ungeeignete Produkt die Anforderungen der EPEAT-Gold-Zertifizierung erfüllen. Davon profitierten später auch andere Firmen, deren Produkte den „Gold“-Status ebenfalls viel leichter erhalten konnten.

Alternative Umwelsiegel und Prüfkriterien

In Deutschland verlangen öffentliche Auftraggeber bei ihren Ausschreibungen in der Regel die Zertifizierung nach dem Umweltsiegel Blauer Engel. Dabei fungiert das Umweltbundesamt als Geschäftsstelle. Es entwickelt auch die fachlichen Kriterien für die Vergabegrundlagen. Eine Kritik der Hersteller am „Blauen Engel“ ist die für den Zertifizierungsprozess aufzuwendende Zeit. Zum Beispiel lohnt es sich für Drucker für private Anwender kaum, das Umweltzeichen zu beantragen, da bis zur Vergabe schon fast die nächste Produktgeneration in den Startlöchern steht.

Mit dem Prüfsiegel TCO Certified sollen die Bemühungen der Hersteller für eine nachhaltige Produktion – sowohl aus umwelttechnischen als auch aus sozialen Gesichtspunkten – honoriert werden. (Bild: TCO Development)

Wer nicht nur ökologische, sondern auch soziale Kriterien bei der Auswahl von IT-Produkten berücksichtigen will, kann zudem auf das Siegel „TCO Certified“ zurückgreifen. Dabei handelt es sich um eine Erweiterung des von Monitoren bekannten „TCO“-Siegels auf weitere Produktkategorien und auch um weitere Kriterien. Das Siegel wird von TCO Development vergeben. Die Organisiation ist aus der vom schwedischen Arbeitnehmerverband TCO ins Leben gerufenen Prüfeinrichtung für die Ergonomie von Monitoren hervorgegangen.

Mit TCO Certified werden Produkte zertifiziert, bei denen unternehmensunabhängig geprüft wurde, ob sie alle wichtigen Kriterien für das Prüfsiegel erfüllen. Dafür wird sowohl das Produkt selber unter die Lupe genommen, etwa im Hinblick auf giftige Inhaltstoffe, Energieeffizienz, Produktlebenszeit oder den Verbrauch sogenannter „seltener Erden“. Andererseits werden auch die Produktionsstätten und der soziale Umgang mit den Mitarbeitern in der Herstellung überprüft. Zudem wird ermittelt, inwieweit Nachhaltigkeit im Unternehmen insgesamt eine Rolle spielt. Der Hersteller muss außerdem dafür sorgen, dass auch seine Zulieferer verantwortlich handeln.

Peter Marwan

Für ZDNet veröffentlicht Peter immer wieder Beiträge zum Thema IT Business.

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