Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße von 997.439.000 Euro gegen Qualcomm verhängt. Nach jahrelangen Ermittlungen sehen die Wettbewerbshüter als bewiesen an, dass der Chiphersteller eine marktbeherrschende Stellung bei LTE-Basisband-Chipsätzen missbraucht hat. Gegen das EU-Wettbewergsrecht verstieß der Hersteller aus Sicht der Kommission durch hohe Zahlungen an Apple – verknüpft mit der Bedingung, dass der iPhone-Hersteller keine konkurrierenden Produkte anderer Hersteller kauft.
Qualcomm hingegen glaubt, mit der Vereinbarung mit Apple gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoßen zu haben und kündigt an, umgehend gegen die Entscheidung der Kommission beim Gericht der Europäischen Union vorzugehen. „Wir glauben, dass das Abkommen nicht gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen hat oder dass es den Wettbewerb oder die europäischen Verbraucher negativ beeinflusst hat“, teilt Don Rosenberg, Executive Vice President und Chefanwalt von Qualcomm schriftlich mit.
Basisband-Chipsätze erlauben Smartphones und Tablets, für Telefonie und Datenübertragung mit Mobilfunknetzen zu verbinden. Qualcomm hat in diesem Bereich einen weltweiten Marktanteil von über 90 Prozent erkämpft. Die Konkurrenten, zu denen auch Intel zählt, blieben weit hinter dem Marktführer zurück. Die marktbeherrschende Stellung an sich verstößt nicht gegen das europäische Kartellrecht, aber ihr nachgewiesener Missbrauch.
„Qualcomm hat Konkurrenten in rechtswidriger Weise mehr als fünf Jahre lang vom Markt für LTE-Basisband-Chipsätze ausgeschlossen und damit die marktbeherrschende Stellung gefestigt“, kommentiert EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Qualcomm hat Milliarden von US-Dollar an Apple gezahlt, damit Apple nicht bei der Konkurrenz kauft. Bei diesen Zahlungen handelte es sich nicht einfach um Preisnachlässe – sie wurden unter der Bedingung geleistet, dass Apple in sämtlichen iPhone- und iPad-Geräten ausschließlich Qualcomm-Chipsätze verwendet.“ Damit habe kein Konkurrent die Chance gehabt, Qualcomm in diesem Markt herauszufordern – zu Lasten von Verbrauchern und anderen Unternehmen, denen Auswahl und Innovation vorenthalten wurden.
Die Wettbewerbshüter ermittelten über Jahre hinweg gegen Qualcomm und drohten schließlich mit einer Geldstrafe von 580.000 Euro pro Tag, weil sich der Chiphersteller weigerte, bestimmte Informationen herauszugeben. Die EU warf Qualcomm vor, „möglicherweise rechtswidrige Zahlungen an einen wichtigen Kunden für die ausschließliche Verwendung von Qualcomm-Chipsätzen geleistet“ zu haben. Zudem soll es Chipsätze zu Preisen unter den Herstellungskosten verkauft haben, um den Wettbewerber Icera aus dem Markt zu drängen. Die Beschwerdepunkte sind Qualcomm bereits seit Ende 2015 bekannt.
Die jetzt verhängte Geldbuße von 997 Millionen Euro wurde nach den Umsätzen Qualcomms mit LTE-Basisband-Chipsätzen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) berechnet. Der Betrag entspricht 4.9 Prozent des Umsatzes von Qualcomm im Jahr 2017. Zugrundegelegt wurde dabei eine festgestellte Zuwiderhandlung von mehr als fünf Jahren.
Bei der Beweisführung spielten auch interne Unterlagen von Apple eine Rolle. Die Milliardenzahlungen sollen den Anreiz für Apple verringert haben, auf Konkurrenzprodukte zurückzugreifen. Zum einen habe allein der iPhone-Hersteller für ein Drittel der Nachfrage nach LTE-Chipsätzen gesorgt, zum anderen habe Apple durch seine führende Position im Smartphonemarkt auch die Kaufentscheidungen anderer Hersteller beeinflusst. Erst im September 2016, kurz vor dem Ende der Vereinbarung mit Qualcomm und somit geringerem Kostenrisiko, begann Apple schließlich, einen Teil seines Bedarfs an Basisband-Chipsätzen von Intel zu beziehen.
Mit der Geldbuße sind noch nicht alle Vorwürfe gegen Qualcomm vom Tisch. Die EU untersucht noch die mögliche Anwendung von Verdrängungspreisen unter den eigenen Herstellungskosten, um unliebsame Konkurrenz auszuschalten. „Diese Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen, so dass ihrem Ausgang zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgegriffen werden kann“, heißt es in einer Mitteilung der Europäischen Kommission.
Auch die US-Handelsbehörde FTC wirft Qualcomm wettbewerbsfeindliche Geschäftspraktiken vor und ermittelt seit einem Jahr. Es soll unter anderem den Verkauf von Produkten mit der Lizenzierung des eigenen geistigen Eigentums verknüpft haben. Im Kielwasser der FTC-Ermittlungen eskalierte außerdem der Streit zwischen Apple und Qualcomm mit gerichtlichen Klagen und Gegenklagen.
Den ersten Schuss hatte Apple in den USA mit einer Schadenersatzklage im Januar 2017 abgegeben, später gefolgt von einer Klage in Großbritannien. Darin warf der iPhone-Hersteller Qualcomm unter anderem vor, überhöhte Lizenzzahlungen zu fordern und vereinbarte Zahlungen in Höhe von einer Milliarde Dollar zurückzuhalten. Laut Apple hat es außerdem über viele Jahre hinweg Lizenzzahlungen verlangt „für Technologien, die nichts mit ihnen zu tun haben“. Qualcomm wies die Vorwürfe als substanzlos zurück und warf Apple seinerseits vor, es habe Behörden weltweit zu Ermittlungen gegen Qualcomm ermutigt, indem es Tatsachen falsch dargestellt und Informationen zurückgehalten habe.
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