Spotify geht an die Börse – und braucht ein neues Geschäftsmodell

Nach dem erfolgreichen Börsenstart von Spotify fragen sich Investoren, wie der bislang defizitäre Musikstreamingdienst zukünftig in die Gewinnzone gelangen könnte. Das schwedische Unternehmen ist in hohem Maße von den drei führenden Plattenlabels Warner Music, Universal Music sowie Sony Music abhängig und daher gezwungen, mehr als 70 Prozent seiner Einnahmen für Lizenzrechte abzuführen. Gleichzeitig steht es in Konkurrenz zu den Streamingangeboten von Apple, Google und Amazon, die Verluste problemlos durch andere Einnahmen kompensieren können – und muss daher seine eigenen Abonnementpreise niedrig halten.

Trotz dieser offensichtlichen Schwierigkeiten verlief der Börsengang an der New Yorker Stock Exchange (NYSE) weit besser als erwartet. Mit einem Startpreis von 165,90 Dollar übertraf Spotify den zunächst angesetzten Referenzkurs von 132 Dollar deutlich. Der Schlusskurs lag schließlich bei 149,01 Dollar, was dem unerwartet hohen Börsenwert von 29,6 Milliarden Dollar entsprach. Vorhergehende Schätzungen hatten dem Streaminganbieter einen Wert von rund 19 Milliarden Dollar zugeschrieben.

Der erfolgreiche Börsengang sorgte auch deshalb für Aufmerksamkeit, weil er mit einer Direktplatzierung anstelle eines traditionellen IPO (Initial Public Offering) erfolgte. Damit gab das Unternehmen selbst keine neuen Aktien aus, sondern ermöglichte den bisherigen Anteilseignern wie Investoren und Mitarbeitern, ihre Anteilsscheine zu verkaufen. Der Börsengang diente also nicht der Beschaffung neuer Geldmittel, und Spotify konnte auch keinen Ausgabepreis festlegen. Bei einem solchen Verfahren gilt das Risiko extremer Kursschwankungen beim Börsengang als besonders hoch – die Spotify jedoch erspart blieben.

Auf die üblichen hohen Einnahmen bei einem IPO verzichten mussten dabei die Investmentbanken. Goldman Sachs, Morgan Stanley sowie Allen & Co waren nur beratend für die Direktplatzierung tätig und erhielten dafür insgesamte Gebühren in Höhe von rund 36 Millionen Dollar. Das war jedoch weit weniger als beim größenmäßig vergleichbaren IPO von Snap, bei dem sie 100 Millionen Dollar einstrichen. Nach dem erfolgreichen Beispiel Spotifys könnten weitere Technikfirmen bei anstehenden Börsengängen ebenfalls auf Direktplatzierung setzen und damit die Einnahmen der Investmentbanken unter Druck bringen.

Es sei ihm wichtig, dass der Tag des Börsengangs nicht der wichtigste Tag für Spotify sei, erklärte in einem Blogeintrag Daniel Ek, Gründer und CEO des Streaminganbieters. Als Auftrag sehe er vielmehr das weitere Engagement, um „das Potential menschlicher Kreativität zu entfesseln – indem wir einer Million kreativer Künstler die Gelegenheit geben, von ihrer Kunst zu leben, und Milliarden Fans die Chance, diese zu genießen sowie von ihr inspiriert zu werden“. Der Börsengang bringe Spotify auf eine größere Bühne, ändere aber nichts an seiner Arbeit und seinen Zielen.

Seinen Umsatz steigerte Spotify im vergangenen Jahr um 39 Prozent auf 4,09 Milliarden Euro. Der operative Verlust erhöhte sich jedoch ebenfalls, und zwar von 349 Millionen Euro im Jahr 2016 auf 378 Millionen Euro im Jahr 2017. Damit soll der Streamingdienst eine Schuldenlast von 1,235 Milliarden Dollar angehäuft haben. Obwohl er sich als Marktführer im Bereich Musikstreaming mit einem Marktanteil von 41 Prozent sieht, muss er auf weiteren Zuwachs hoffen, um eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Plattenlabels zu bekommen.

Spotify setzt offenbar darauf, dass die Lizenzgeber geringere Gebühren je Stream akzeptieren können, wenn das Musikstreaming zunimmt dank steigender Abonnentenzahlen. MusicWatch-Analyst Russ Crupnick hingegen glaubt, dass aus Spotify mehr werden kann als nur eine Plattform für Musik, sondern Gewinne aus Bereichen wie Podcasts, Konzerten, Live-Veranstaltungen, Hörbüchern und Videos erzielen könnte.

Das Wall Street Journal sieht als stillschweigendes Versprechen Spotifys, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, das im Gegensatz zu seinem derzeitigen steht. Den Investoren habe es im Grunde versprochen, gegen die großen Plattenlabels anzugehen, die es mit Musik versorgen. So war im Börsenprospekt des Streaminganbieters von der Schaffung eines „beidseitigen Marktplatzes für Nutzer und Künstler“ die Rede. Der Zeitung zufolge bedeutet das implizit, Spotify könnte die Plattenlabels als Mittelsmänner ausschalten: „Das ist die Art von Vision, für die Tech-Investoren bezahlen.“

Ähnliche Erwartungen hat auch Ozi Amanat, Gründer der bei Spotify investierten Investmentfirma K2 Global. Im Gespräch mit Bloomberg verglich er Spotify mit Netflix, das dank Eigenproduktionen immer unabhängiger von Filmstudios und TV-Networks und zugleich profitabel wurde. Er sieht eine echte Chance Spotifys darin, in großem Umfang für eigene Inhalte zu sorgen – also an den Musiklabels vorbei eine direkte Partnerschaft mit den Musikern einzugehen.

[mit Material von Joan E. Solsman, CNET.com]

ZDNet.de Redaktion

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