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USA: Geheimdienste verdreifachen Telefonüberwachung von Amerikanern

Seit den Snowden-Enthüllungen veröffentlicht der amerikanische Geheimdienst NSA einen jährlichen Tätigkeitsbericht, der die Aktivitäten sämtlicher US-Geheimdienste zusammenfasst. Demnach haben die US-Behörden im vergangenen Jahr 534 Millionen inländische Telefonate überprüft. Das entspricht einer Verdreifachung im Vergleich zum Jahr 2016.

Dabei hatte der US-Senat 2015 den sogenannten USA Freedom Act verabschiedet, das Teile des Patriot Acts reformierte und die massenhafte Speicherung von Telefon-Metadaten von US-Bürgern verhindern sollte. „Ich bin glücklich, dass der Senat den USA Freedom Act genehmigt hat“, twitterte damals US-Präsident Barack Obama. „Er beschützt Bürgerrechte und unsere nationale Sicherheit.“ Offenbar ist dieses Gesetz wirkungslos, wie die jetzt veröffentlichten Statistiken zeigen.

Es ist nicht die einzige Zahl in dem NSA-Bericht, die einen massiven Anstieg verzeichnet. Demnach zielte die Überwachung auch auf 129.080 ausländische Personen oder Gruppen, was einem Anstieg von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Patrick Toomey, Anwalt am ACLU’s National Security Project, tweeted, dass die Zahl der „größte Sprung in der Geschichte“ bedeutet. Robyn Greene, Politikberater und Chef von New America’s Open Technology Institute, sagte, dass die Überwachungsbehörde offenbar die Interpretationen ihrer rechtlichen Möglichkeiten neu ausgelegt haben könnte. Andernfalls sei es kaum vorstellbar, wie man bei der gleichen Anzahl von Zielen, mehr als dreimal so viele Datensätze sammelt.

Zugenommen haben auch die Anfragen an Unternehmen, die diese aus Gründen der Staatssicherheit dazu zwingen, Informationen preiszugeben. Obwohl die Zahl dieser Anfragen im vergangenen Jahr nur geringfügig um fünf Prozent auf 12762 gestiegen ist, hat sich die Anzahl der Informationen mehr als verdreifacht, was darauf hindeutet, dass die Geheimdienste mehr Daten pro Brief anfragen als in den Vorjahren.

Diese Briefe sind besonders umstritten, weil sie keiner gerichtlichen Genehmigung bedürfen und fast immer ein Verbot der Veröffentlichung enthalten. Die Firmen dürfen in der Regel nur eine Zusammenfassung der an sie gerichteten Regierungsanfragen veröffentlichen.

Im Januar hatte nach dem Repräsentantenhaus auch der US-Senat mit deutlicher Mehrheit die Überwachungsprogramme des US-Auslandsgeheimdiensts National Security Agency NSA verlängert. Mit 65 zu 34 Stimmen verabschiedeten die Senatoren den FISA Amendments Reauthorization Act. Dadurch bleibt der Abschnitt 702 der Erweiterung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) in Kraft, der eigentlich seine Gültigkeit verlieren sollte.

Für die Verlängerung stimmten auch Abgeordnete, die sich nach den Snowden-Enthüllungen für eine stärkere Kontrolle der Geheimdienste oder gar eine Einschränkung der Befugnisse ausgesprochen hatten. Selbst Republikanische Politiker hatten 2013 erklärt, die Spionage der NSA sei „komplett aus dem Ruder gelaufen“ und der Geheimdienst habe „das Gesetz nicht beachtet“. Es stimmten allerdings nicht nur republikanische Kritiker, sondern auch Mitglieder der derzeit oppositionellen Demokratischen Partei für den FISA Amendments Reauthorization Act.

Eigentlich betrifft der Abschnitt 702 vor allem Nutzer außerhalb der USA. Er erlaubt es nämlich der NSA, pauschal den Datenverkehr von nicht US-Bürgern zu überwachen und auszuwerten. Dafür zapft der Geheimdienst Internetknoten der großen US-Telekommunikationskonzerne an. In den USA wird aber vor allem kritisiert, dass dabei quasi als „Beifang“ auch umfangreiche Daten von US-Bürgern in die Hände der NSA fallen, obwohl US-Bürger laut Verfassung vor einer Überwachung ohne gerichtliche Zustimmung geschützt sein sollten.

Offiziell verbietet der Abschnitt 702 zwar das Ausspähen von US-Bürgern, die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden sowie Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass NSA und FBI – auch die US-Bundespolizei hat Zugriff auf die Daten – in den vergangenen Jahren mehrere hundertmal unrechtmäßig Daten von US-Bürgern verarbeitet haben.

Appelle von Bürgerrechtsorganisationen an den US-Kongress, die rechtliche Grundlage für die Arbeit von NSA und FBI zu reformieren, blieben jedoch ungehört. Sie argumentierten, die Sammlung von Daten von Ausländern werde durch die Verpflichtung, auf Daten von US-Bürgern nur per Gerichtsbeschluss zuzugreifen, nicht eingeschränkt. Andere Initiativen forderten, zumindest die Zahl der Betroffenen offenzulegen, die im Rahmen der Regelungen des Abschnitts 702 ausgespäht wurden – ein Versprechen, dass die Regierungen Obama und Trump abgaben und nicht einhielten.

Human Rights Watch nannte die Überwachungsbefugnisse der NSA „eine direkte Bedrohung“ für die Demokratie in den USA und die Menschenrechte. Die American Civil Liberties Union (ACLU) erklärte, das jetzt verlängerte Gesetz sei „wiederholt von Strafermittlern missbraucht worden, um die elektronische Kommunikation von Amerikanern und Ausländern ohne Gerichtsbeschluss auszuspionieren.“

Auch Edward Snowden nutzte die Entscheidung des Senats, um seine Kritik an der US-Überwachung zu erneuern. In einem Tweet sprach er erneut von einem „nicht verfassungsmäßigen Massenüberwachungsprogramm“. „Trump könnte Ihre verfassungsmäßigen Rechte schützen und das Gesetz mit seinem Veto aufhalten. Glauben Sie, er wird sich hier für Sie einsetzen?“, fragte Snowden per Twitter.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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