Google hat nur wenige Stunden nach Bekanntgabe des Kartellurteils der Europäischen Union gegen sein Mobilbetriebssystem Android angekündigt, eine Beschwerde gegen das Urteil einzureichen. Mit dem Satz „Wir wollen Berufung einlegen“ beendet Sundar Pichai, CEO von Google, einen detaillierten Blogeintrag, in dem er darlegt, warum „Android mehr Auswahl, statt weniger“ geschaffen hat.
Die Zahl der weltweit verfügbaren unterschiedlichen Android-Geräte gibt Pichai mit 24.000 an, verteilt auf 1300 Marken. Zudem ständen für diese Geräte mehr als eine Million Apps zur Verfügung. Trotz der technischen Unterschiede zwischen den einzelnen Geräten hätten Sie alle eines gemeinsam: Sie könnten besagte mehr als eine Million Apps ausführen. Dies sei nur möglich, weil Google einfache Regeln vorgebe, um eine technische Kompatibilität sicherzustellen. Es sei aber kein Anbieter gezwungen, sich an diese Regeln zu halten.
Als Beispiel führt Pichai, wie auch schon seine Gegenspielerin EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, Amazon sowie dessen Fire-Tablets und Fire-TV-Sticks an. Tatsächlich verzichtet Amazon auf die Google-Dienste und setzt trotzdem Android ein. Allerdings schlägt selbst Google bei der Suche nach „Amazon Fire“ den Zusatz „Play Store“ vor – weil offenbar viele Nutzer der Amazon-Android-Geräte den Play Store für unverzichtbar halten. Zudem dürfte auch klar sein, das Fire OS nur überlebensfähig ist, weil der Handelsriese Amazon dahinter steht.
Einen funktionierenden Wettbewerb unterstellt Pichai auch im Bereich Apps. Zwar seien auf einem typischen Android-Smartphone heute rund 40 Apps vorinstalliert – nicht nur von Google, sondern auch vom Gerätehersteller – Nutzer installierten aber in der Regel weitere 50 Apps auf ihren Geräten, was auch das Einkommen von rund 1,6 Millionen europäischen App-Entwicklern sichere.
Darüber hinaus betonte Pichai, dass das Android-Geschäftsmodell Garant dafür sei, dass Google sein Mobil-OS kostenlos zur Verfügung stellen könne. „Die kostenlose Verteilung der Android-Plattform und der Google-Applikationssuite ist nicht nur für Telefonhersteller und -betreiber effizient, sondern auch für Entwickler und Verbraucher von großem Nutzen. Wenn Telefonhersteller und Mobilfunkbetreiber unsere Apps nicht auf ihren zahlreichen Geräten einsetzen könnten, würde dies das Gleichgewicht des Android-Ökosystems stören. Das Geschäftsmodell von Android hat bisher dazu geführt, dass wir für unsere Technologie keine Telefonhersteller bezahlen mussten oder auf ein streng kontrolliertes Vertriebsmodell angewiesen waren.“
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Ob Googles Beschwerde Erfolg haben wird, lässt sich schwer einschätzen. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Entwicklung von Android erhebliche Kosten verursacht. Dieses Geld muss Google mit anderen Produkten verdienen. Technisch gesehen dürfte eine Lockerung der Vorgaben aber kein Problem sein, was unter anderem die Custom-ROM-Community mit stark abgespeckten Paketen der Google-Apps bewiesen hat. Sie erlauben die Nutzung des Play Store, ohne dass sich auf einem Smartphone sichtbaren Spuren von Apps wie Gmail, Hangouts, Fotos, Drive, Assistant und der Google-App finden.
Auch andere Kritiker wird Pichai wahrscheinlich mit seiner Stellungnahme nicht überzeugen können. Dazu gehört wohl auch Eric Leandri, Präsident und Mitbegründer der europäischen Suchmaschine Qwant: „Wir sind sehr zufrieden, dass die Europäische Kommission verstanden hat, wie Google die beherrschende Stellung des Betriebssystems Android nutzt, um den Wettbewerb auf dem Markt der allgemeinen Online-Suche zu behindern. Wir erwarten nun, dass Google die Entscheidung der Kommission vollständig erfüllt, sodass die Nutzer die Suchmaschine und den Browser, frei wählen können, wenn sie ein Mobiltelefon kaufen.“
Ähnlich äußerte sich auch erneut Marc Al-Hames, Geschäftsführer des Browseranbieters Cliqz: „In der analogen Welt würde niemand auch nur auf die Idee kommen, einem mächtigen Konzern wie zum Beispiel Nestlé zu erlauben, die Infrastruktur und Ladeneinrichtungen fast aller Supermärkte zu übernehmen und diese dann den Supermarktbetreibern kostenlos zur Verfügung zu stellen unter der Bedingung, keine Nestlé-Konkurrenzprodukte anzubieten. Genau so etwas geschieht aber bislang in der digitalen Welt. Die Entscheidung, eine Öffnung der marktbeherrschenden Android-Plattform für andere Anbieter zu erzwingen, ist längst überfällig. Wir fordern, dass die EU im nächsten Schritt der Praxis von Alphabet einen Riegel vorschiebt, Browserhersteller wie Mozilla mit Firefox und Apple mit Safari durch lukrative Verträge an seine Google-Suchmaschine zu binden.“
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