Das Europäische Parlament hat sich mehrheitlich für eine Urheberrechtsreform ausgesprochen, die ein europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorsieht und Online-Plattformen zum Einsatz von Uploadfiltern zwingen könnte. 438 Abgeordnete stimmten für die Vorschläge mit den umstrittenen Artikeln 11 und 13, während 226 dagegen votierten und sich 39 enthielten.
Noch im Juli hatte sich das EU-Parlament gegen die Vorschläge entschieden. Mit der modifizierten Vorlage setzte sich jetzt Berichterstatter Axel Voss (CDU) mit seinen Vorstellungen im Parlament durch. Während der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), der Deutsche Journalistenverband und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels das Ergebnis begrüßten, äußerten die deutschen IT- und Digital-Verbände durchweg scharfe Kritik.
Eine ausdrückliche Pflicht zu Uploadfiltern erwähnt die vorgeschlagene EU-Urheberrechtsrichtlinie nicht. Die verschärfte Haftung für Online-Plattformen wird sie voraussichtlich dennoch zu einer algorithmischen Filterung zwingen, um unkalkulierbare Risiken zu vermeiden. „Dieses Gesetz lässt Webseiten und Apps keine Wahl, als fehleranfällige Uploadfilter einzurichten“, erläutert die Piratenpolitikerin Julia Reda, Urheberrechtsexpertin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Grünen / Freie Europäische Allianz im EU-Parlament.
„Die EU versucht mit dieser Richtlinie, die digitale Uhr zurückzudrehen“, kommentiert Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom. „Die Richtlinie ist rückwärtsgewandt und dient primär dem Schutz traditioneller Industrien. Dabei ignoriert sie die Potentiale der digitalen Wirtschaft, bremst die Digitalisierung der Gesellschaft und beschädigt die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in Deutschland und der EU.“ Mit Uploadfiltern würde die EU zudem erstmals die Grenze zur Zensur überschreiten und massiv in den verfassungsrechtlich geschützten Bereich der freien Meinungsäußerung eingreifen. Der Geltungsbereich beginne bei Foren, in denen sich etwa Patienten über bestimmte Krankheitsbilder austauschen, und gehe über kommerzielle Enzyklopädien bis hin zu den großen sozialen Netzwerken wie Facebook und YouTube.
„Hiermit überschreitet das EU-Parlament eine Grenze, die bisher zurecht Tabu war“, warnt der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) vor den drohenden Uploadfiltern. „Diese vorauseilende Zensur ist ein absolut unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit im Netz. Wenn Inhalte schon beim Upload kontrolliert werden, schlagen wir einen gefährlichen Weg ein.“
„Wir haben für ein modernes Urheberrecht gekämpft, das dem digitalen Zeitalter gerecht wird“, kommentiert der vom Ausgang der Abstimmung enttäuschte Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Deutschen Internetwirtschaft (eco). Mit der heutigen Entscheidung habe das EU-Parlament dem Urheberrecht einen „gehörigen Tritt Richtung Steinzeit“ verpasst. „Diese Entscheidung führt dazu, dass das Internet kaputt gefiltert wird.“ Zudem würde ein europäisches Leistungsschutzrecht die Digitalisierung der Verlags- und Nachrichten-Branche weiter verzögern, Innovation behindern und zum Wettbewerbsnachteil für den Investitionsstandort Europa werden.
Nach der Entscheidung des EU-Parlaments sind jetzt Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten zu führen, bevor die endgültige Abstimmung vielleicht kurz vor der Europawahl 2019 ansteht. Die Internetaktivisten von Save the Internet hoffen darauf, bis dahin mit einer großen Informationskampagne die umstrittene Urheberrechtsreform doch noch verhindern zu können. Fast eine Million Menschen unterzeichneten bereits ihre Petition „Stoppt die Zensurmaschine – Rettet das Internet!“ auf Change.org.
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