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5G – das falsche Versprechen

Anfang nächsten Jahres sollen die 5G-Frequenzen in Deutschland versteigert werden. Dennoch hat der Kampf um 5G längst begonnen. Auf dem Papier ist auch klar, wieso das so ist: Mit 5G sollen die Netze bis zu 100 Mal schneller werden als es derzeit mit 4G der Fall ist. Geschwindigkeiten von 1 Gbit/s verspricht die kommende Technologie. Für Endkunden, die unterwegs Filme und TV-Übertragungen wie Bundesligaspiele streamen wollen, könnten zukünftig Träume wahr werden.

Auch in Unternehmen und der Industrie wird Mobilfunk im Rahmen der Digitalisierung immer wichtiger. Ohne das Internet of Things (IoT), Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) und Industrie 4.0-Anwendungen wären viele Autobauer, Stahlwerke, Druckereien und selbst Krankenhäuser bereits heute deutlich ineffizienter. Die meisten Anwendungen, Geräte und Maschinen nutzen dafür jedoch mitnichten die derzeit schnellste Mobilfunktechnologie 4G. Stattdessen werden die Informationen über 3G, 2G oder sogar GSM übertragen. Die Gründe dafür sind mitnichten allein veraltete Strukturen und Systeme. Vielmehr spielen selbst beim autonomen Fahren oder auch eHealth-Lösungen Bandbreiten eine untergeordnete Rolle. Während sich Endkunden mit Gigabit-Versprechen also durchaus locken lassen, bringt der versprochene Geschwindigkeitsschub, den 5G mit sich bringen soll, die Herzen der Business-Kunden eher nicht zum Rasen.

100 Mal höhere Geschwindigkeiten sind für die meisten Unternehmen irrelevant

Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland, zeigt sich dennoch optimistisch. „Das Rückgrat der Industrie 4.0 wird 5G sein“, prognostiziert Haas. „Davon bin ich felsenfest überzeugt.“ Sein Optimismus dürfte jedoch eher auf der Tatsache basieren, dass sich die Latenz-Zeiten mit 5G stark verkürzen dürften, was vor allem für Echtzeitanwendungen interessant ist. „Die hohen Bandbreiten und Geschwindigkeiten, die bei 5G gerne hervorgehoben werden, sind für die meisten Unternehmens- und Industrieanwendungen weitgehend irrelevant“, erklärt Peter Matthes von Siwaltec, einem Unternehmen der TGE Gruppe, das sich u.a. SIM-Kartenlösungen für Unternehmen spezialisiert hat. „Was wir immer wieder feststellen, ist, dass es in den Unternehmen am Know-how fehlt, wie die jeweiligen Lösungen ideal umgesetzt und gemanagt werden. Den Unternehmen ist nämlich mitnichten damit geholfen, wenn sie sich von den großen Anbietern die neusten und scheinbar besten SIM-Karten kaufen und dann damit allein gelassen werden“, mahnt Peter Matthes. „Entscheidend ist vielmehr, was man mit den Möglichkeiten macht. Mit GSM-Karten und adäquatem Service ist den meisten deutlich mehr geholfen als mit der massenhaften Anschaffung von 4G-Karten“, so Matthes.

Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland „Das Rückgrat der Industrie 4.0 wird 5G sein. Davon bin ich felsenfest überzeugt“ (Bild: Telefonica).Die Tatsache, dass noch nicht klar ist, wie genau 5G den Unternehmen helfen wird, bedeutet natürlich keineswegs, dass nicht eines Tages doch noch entsprechende Einsatzgebiete und Applikationen Realität werden. Im Gegenteil: Davon ist sogar auszugehen. Wann es soweit sein wird, ist jedoch noch völlig unklar. Klar ist dagegen, dass der Umstieg von 4G auf 5G nicht gerade unwesentliche Vorteile für die großen Mobilfunkanbieter mit sich bringen könnte. Denn aufgrund der derzeitigen Verträge müssen diese weiterhin an Unternehmen wie Nokia Networks, ZTE und Huawei zahlen – für die Nutzung der eigenen 4G-Netze. Aus dieser Abhängigkeit würden die Deutsche Telekom, Telefónica & Co. gerne heraus. Der Aufbau der 5G-Netze kommt da gerade recht.

Deutschland liegt beim Glasfaserausbau auf den hinteren Plätzen

Da Glasfasernetze eine wichtige Voraussetzung für 5G sind, steht man in Deutschland jedoch vor einem Problem. Laut einer aktuellen Analyse der FTTH Council (Fiber To The Home) landet Deutschland beim Glasfaserausbau im Vergleich von 63 Ländern auf Platz 59. Einer der Hauptgründe hierfür ist, dass die hiesigen Anbieter an den bereits verlegten Kupferkabeln festhalten und diese mit verschiedenen Methoden schneller zu machen versuchen, anstatt in neue Glasfasernetze zu investieren. Denn Letzteres würde viele Milliarden Euro kosten. Würde 5G wirklich als derart wichtig erachtet, wie man vielerorts vorgibt, sähe die Entwicklung beim Glasfasernetz wohl anders aus.

Stattdessen sind die Anbieter derzeit vor allem damit beschäftigt, die Herausforderungen rund um 4G zu meistern. Denn hier herrscht ein derart hoher Datenverkehr und Bedarf an Bandbreite, dass die Provider nicht hinterherkommen. Das liegt jedoch an den Privatkunden und deren Lust auf ein leistungsstarkes mobiles Internet, das durch die Werbeversprechen der Provider noch befeuert wird, und keinesfalls an den Business-Kunden. „Unternehmen gehen zumeist rational und praxisorientiert vor“, erklärt Oliver Hüttig, Vorstand beim Software- und Beratungsunternehmen Cocus. „Neue Technologien und Trends müssen einen klaren Mehrwert aufzeigen, bevor Altbewährtes abgelöst wird. Um Unternehmen für 5G begeistern zu können, müssen die Mobilfunkanbieter Ideen und Lösungen entwickeln, die mit bisherigen Technologien nicht verwirklicht werden können“, sagt der Experte. „Erst dann wird 5G wirklich interessant für Business-Kunden – und in der Folge auch ein lukratives B2B-Geschäft für die Anbieter.“

Der Schlüssel zum Erfolg dürften die kurzen Latenzzeiten von 5G sein. Gigabit-Geschwindigkeiten sind dagegen in erster Linie fürs Endkundengeschäft relevant. Zum einen, weil mit Online-Games und Filmen teils tatsächlich ein anderer Bedarf besteht. Zum anderen, weil Endkunden – anders als Unternehmen – oft nicht wissen, dass schneller nicht immer besser bedeutet.

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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