Sieben Tage auf soziale Medien wie Facebook und Whatsapp zu verzichten, führt oft schon zu Entzugserscheinungen wie nach dem Absetzen von Suchtmitteln. Das geht aus einer Studie österreichischer Wissenschaftler hervor, die im Journal „Cyberpsychology, Behavior and Social Networking“ veröffentlicht wurde.
Besonders überraschte die Forscher dabei, dass die Mehrzahl der Teilnehmer nicht einmal sieben Tage vollständig von Social Media lassen konnten. Zumindest für ein paar kurze Minuten tauchten knapp 60 Prozent gelegentlich wieder in ihre Social-Media-Welten ein, obwohl sie sich zur Abstinenz bereit erklärt hatten.
Die Studie beschäftigte sich gezielt mit der Abstinenzphase, da die Social-Media-Nutzung selbst schon vielfach untersucht wurde. Die Wissenschaftler wollten wissen, wie sehr die Reize von Social Media fehlten und die Nutzer darauf reagierten. Im Ergebnis stießen sie auf aus der Suchtforschung bekannte Erscheinungen wie ein deutlich gesteigerter Verlangen, Langeweile sowie Einfluss auf positive und negative Stimmungen. „Insbesondere stieg das Verlangen – die Gier – nach der Nutzung von Social Media in der Abstinenzphase stark an“, berichtet Psychologie-Professor Stefan Stieger, einer der beiden Studienautoren. „Ein Effekt, der sogar dann noch messbar war, als Social Media bereits wieder genutzt werden durften.“
Die Probanden empfanden zudem einen erheblich gesteigerten Druck, die Nutzung von Social Media wieder aufzunehmen – aus dem Gefühl heraus, dass Freunde das erwarteten oder sie etwas verpassen könnten. Dabei war den Probanden erlaubt, jederzeit andere Kommunikationskanäle wie Textnachrichten oder E-Mails zu nutzen.
1000 Personen nahmen die Einladung zur Teilnahme an der Studie an, aber schlussendlich fanden sich nur 152 Probanden tatsächlich zur Social-Media-Abstinenz bereit. Psychologe Stieger geht zudem davon aus, dass sich eher Teilnehmer meldeten, „denen der Verzicht auf Social Media leichter fällt – und deren Entzugserscheinungen somit vielleicht auch milder ausfielen als bei anderen. Die Auswirkungen könnten für andere Personen also noch ausgeprägter sein.“
Die Studie wurde von Wissenschaftlern der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems durchgeführt, zu deren Trägern die Medizinische Universität Wien und die Technische Universität Wien zählen. Sie setzten ein Erhebungsverfahren mit einer für das Vorhaben angepassten Smartphone-App ein, um Daten in der gewohnten Lebensumwelt der Probanden zu erfassen.
Die Auswirkungen von Social Media sehen auch frühere einflussreiche Facebook-Mitarbeiter inzwischen kritisch. „Ich glaube, wir haben Werkzeuge geschaffen, die die Strukturen auseinanderreißen, auf denen die Gesellschaft basiert“, sagte Chamath Palihapitiya, der ab 2007 als Vice President für das Nutzerwachstum verantwortlich war. Er sprach jetzt von „kurzfristigen, von Dopamin getriebenen Feedback-Schleifen“ und bezog sich damit auf Online-Interaktionen, die sich in „Herzen, Likes, Daumen-hoch-Symbolen“ und dergleichen ausdrücken.
Kritisch und selbstkritisch äußern sich auch der frühere Produktmanager Garcia-Martinez sowie Sean Parker, der Facebook als dessen erster Präsident mit prägte. Parker beschrieb als Folge eines auf Milliarden Menschen gewachsenen Netzwerks, dass es die Beziehung miteinander und mit der Gesellschaft verändert. „Nur Gott weiß, was es mit den Gehirnen unserer Kinder macht“, sagte er. Facebook habe zuerst etwas entwickelt, was so viel Zeit und bewusste Aufmerksamkeit des Anwender wie nur möglich beansprucht.
„Und das bedeutet, dass wir Ihnen immer wieder so etwas wie einen kleinen Dopamin-Stoß geben müssen, weil Ihnen jemand ein Like schenkte, ein Foto oder ein Posting kommentierte oder was immer. Und das wird Sie dazu bringen, mehr Inhalte zu liefern. Und das wird Ihnen – mehr Likes und Kommentare einbringen. Es ist eine Feedback-Schleife der sozialen Bestätigung … genau wie etwas, worauf ein Hacker wie ich kommen musste, weil es eine psychologische Anfälligkeit des Menschen ausnutzt.“ Den Entwicklern wie ihm selbst, Mark Zuckerberg und Kevin Systrom von Instagram sei das bewusst gewesen. „Und wir haben es trotzdem getan.“
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