Wer sich vor rund zwei Wochen auf Gleis 5 des Nürnberger Hauptbahnhofs verirrte, konnte dort statt eines normalen Verkehrszuges das Advanced TrainLab der Deutschen Bahn und ihrer Partner entdecken. Dieser mit Messtechnik vollgestopfte Standard-ICE hilft zu erforschen, was 5G und die dazugehörigen Netztechnologien heute schon praktisch leisten. Dazu fährt der Zug immer wieder die Strecke durchs 5G-Testbett bei Nürnberg entlang. Was dort tatsächlich geforscht wird, interessierte neben einer Reihe von Pressevertretern auch Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und Digitalisierung.
Die 5G-Teststrecke verläuft entlang eines viel befahrenen Abschnitts der A9, parallel zu der sich auch noch eine ICE-Trasse befindet. Auch die räumliche Umgebung wird von den sechs Funktürmen mit erschlossen. Jeder von ihnen versorgt eine Funkzelle mit etwa fünf Kilometern Durchmesser.
Die vortragsgespickte Zugfahrt im Advanced Train Lab war dabei nur eine Station der Rundreise. Sie führte weiter zur Autobahndirektion Greding und dem dortigen Edge-Rechenzentrum, nach Hilpoltstein-Sindersdorf, wo der mobilfunkgesteuerte Testflug einer Drohne stattfand, und schließlich per Bus zurück zum Nürnberger Bahnhof.
Das 5G-Testfeld bei Nürnberg wird seit 2016 auf Initiative von Ericsson von einem Konsortium, dem eine ganze Reihe von Akteuren angehören, verantwortet. Darunter sind die Bundesnetzagentur, das Bundesamt für Straßenwesen, die drei großen Mobilprovider und BMW. Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) unterstützt das Vorhaben. Ziel: Die sofortige Erprobung von 5G-Technologien unter realitätsnahen Bedingungen. Seitdem wird bei Nürnberg gemessen und analysiert. Herauskommen sollen handfeste Informationen, die anschließend beispielsweise in die Gesetzgebung einfließen.
Das Herz der Installation bildet das Edge-Datacenter bei der Gredinger Autobahnmeisterei. Es steht in einem schlichten grauweißen Container auf einer Wiese. Darin befindet sich der IoT-PacketCore, also die zentrale IP-Paketverarbeitung der Testumgebung, ferner ein Policy Controller sowie das Backlink zum Netzwerkkontrollzentrum in Aachen, wo zentrale Steuerungsfunktionen laufen.
Testweise werden einlaufende Sensordaten analysiert. Sie stammten jedenfalls während des Besuchs des Ministers aber nicht aus Zügen oder Automobilen, sondern von sensorgespickten Würfeln auf einem Tisch vor dem Edge-DC, die Minister Scheuer und Ericsson-CEO Stefan Koetz sichtlich interessant fanden.
Die Datenübertragung des Edge-DC arbeitet mit der neuen, energiesparenden Technologie CAT-M1, die eigens für IoT-Umgebungen entwickelt wurde. Außerdem wird hier Narrowband-IoT, eine andere schmalbandige Übertragungstechnologie für Sensordaten, getestet. Am Edge stehen kostenlos Frequenzen im 700-MHz-Band, gestiftet von der Bundesnetzagentur, bereit. In Aachen laufen das Netzwerkmanagement, die Authentisierung der Nutzer und andere Funktionen.
Besonders wichtig war die Demonstration des Netzwerk-Slicing. Die Slices (Scheiben) entsprechen funktional ungefähr VPNs im lokalen Netz: Es werden logisch strikt getrennte Kanäle auf derselben Funkfrequenz errichtet, die sich gegenseitig nicht stören. Die Technologie wird beispielsweise von der Bahn benötigt, um zuginterne und externe Datenkanäle des Bahnpersonals von den Unterhaltungskanälen der Fahrgäste zu trennen.
Dann kann das Bahnpersonal auch Auskunft geben, wenn Passagiere massenweise Filme streamen (oder es versuchen) Denn das Slicing blockiert den Zugriff auf die Bandbreite für die Schaffner und das übrige Bahnpersonal. Sabina Jeschke, Vorstand Digitalisierung und Technik bei der DB AG, will mit 5G die bestehende Infrastruktur durch Echtzeitkommunikation zwischen den Zügen besser auslasten und den Kunden mehr Service bieten. Sie sollen so verstärkt auf die Schiene gelockt werden.
Demonstriert wurde die Funktion anhand von Paketmessungen, dass die betrieblichen Datenkanäle im 5G-Netz nach Slicing der Kapazität die Anwendungen auf den übrigen Kanälen diejenigen auf den betriebswichtigen Datenkanälen nicht mehr beeinträchtigen. Das funktionierte einwandfrei, was selbst bei voller ICE-Geschwindigkeit von 300 km/h so bleiben soll.
Auch bei Flugdrohnen könnte Netzwerk-Slicing neue Möglichkeiten eröffnen. Ein Team des Flugzeugherstellers Airbus versuchte zu zeigen wie: Geplant war, dass eine Drohne auf derselben Funkfrequenz über einen Kanal gesteuert werden und über einen zweiten ein Video gleichzeitig auf einen Laptop-Bildschirm am Boden übertragen sollte. Ersteres klappte: Von Drohnenpilotin Sandra Hofmann souverän über 3/4G-Mobilfunk geführt, stieg das Fluggerät auf dem Acker auf, drehte eine Runde in Richtung des nahegelegenen Mobilfunkmasts und kehrte nahezu punktgenau zum Startplatz zurück. Der Film jedoch kam nicht unten an, obwohl der Kanal frei war, weil die Film-App abstürzte. Nicht zur Steuerung benötigte Kanäle könnten, so erklärte Dominic Schupke, Chair of Communication Networks bei Airbus, später für Anwendungen wie die Kontrolle von Verkehrswegen am Boden oder aber von Transportgütern in der Drohne genutzt werden.
Das klingt, verglichen mit den Visionen von Bundesverkehrsminister Scheuer, noch recht bescheiden. „Wir werden vielleicht noch vor Ende der Legislaturperiode Lufttaxis erleben“, orakelte er. Autonom würden die aber wohl noch nicht fliegen. Es gebe eine Reihe hoffnungsvoller Startups, und mit seiner Gesetzgebung in Sachen Drohne sei Deutschland europäische Avantgarde.
Im Bus auf dem Rückweg von Fischbach zum Startpunkt Nürnberg-Hauptbahnhof konnten die Teilnehmer schließlich noch live erleben, dass die Datenübertragung zwischen Auto, LKW oder Bus und Mobilnetz tatsächlich auch in voller Fahrt wie gewünscht mit vertretbaren Millisekunden-Übertragunszeiten funktioniert. Dazu waren im Mittelgang mehrere Bildschirme montiert, die die Ergebnisse der Messungen in Echtzeit anzeigten. Nur als der Bus eine Talsenke durchfuhr, zeigte die verwendete Applikation schlechte Übertragungsleistungen an.
Die 5G-Technologie funktioniert also zumindest im Backend. Denn gefunkt wird in Nürnberg noch mit LTE.
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