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IBM vs Google: Streit um „Quanten-Vorherrschaft“

Google-Forscher haben heute ihre neuesten Arbeiten über Quantencomputing in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. Demnach hat Googles neuer Sycamore-Prozessor eine Testberechnung in 200 Sekunden durchgeführt, für die der leistungsfähigste Supercomputer der Welt 10.000 Jahre in Anspruch nehmen würde.

Quantencomputer: Google-Prozessor Sycamore (Bild: Google)

Erste Informationen zu dem neuen Chip waren bereits letzten Monat über eine Nasa-Website durchgesickert. Auf diese bezieht sich die Kritik eines anderen Schwergewichts im Bereich Quantencomputer: IBM. Big Blue stellte diese Woche Googles Behauptung infrage, dass es damit die „Quanten-Vorherrschaft (engl.: Quantum Supremacy)“ erlangt habe. Im IBM-Blogbeitrag heißt es: „Wir argumentieren, dass eine ideale Simulation der gleichen Aufgabe auf einem klassischen System in 2,5 Tagen und mit weitaus größerer Genauigkeit durchgeführt werden kann. Dies ist in der Tat eine konservative Worst-Case-Schätzung, und wir erwarten, dass mit weiteren Verfeinerungen die klassischen Kosten der Simulation weiter reduziert werden können. Und damit sei die „Quanten-Vorherrschaft“, wie sie von John Preskill 2012 beschrieben wurde, wonach mit dem Begriff der Zeitpunkt gemeint sei, an dem Quantencomputer Dinge tun können, die klassische Computer nicht können, nicht erreicht worden.

IBM hat kürzlich angekündigt, dass sein 53-qubit-System Mitte Oktober verfügbar sein soll, sodass es ein großes Interesse daran hat, nicht von der Arbeit von Google überrollt zu werden. „Googles Experiment ist eine ausgezeichnete Demonstration des Fortschritts im supraleitenden Quantencomputing, das modernste Gate-Treue auf einem 53-qubit-Gerät zeigt, aber es sollte nicht als Beweis dafür angesehen werden, dass Quantencomputer gegenüber klassischen Computern die „Vorherrschafft“ übernommen haben“, sagten die IBMer.

Dennoch hat Google CEO Sundar Pichai die Arbeit von Google als großen Durchbruch im Quanten-Computing bezeichnet. Pichai beschreibt den Fortschritt als „den „Hallo-Welt-Moment“, auf den wir gewartet haben – den bisher bedeutendsten Meilenstein auf dem Weg, Quantencomputer zur Realität zu machen“.

Der Reiz des Quantencomputings besteht darin, dass ein Qubit dank der Quanteneigenschaft Superposition sowohl 0 als auch 1 gleichzeitig sein kann. Statt also nur eine 1 und 0 in klassischen Computern, können die 1 und 0 auf einem Quantencomputer jederzeit in vier möglichen Zuständen sein. Ein Quantencomputer mit 54 Qubits kann 2^54 Rechenzustände haben und da er exponentiell skalieren kann, bietet er die Möglichkeit, dass Computer eines Tages viel komplexere Herausforderungen als bisher lösen können.

Die Google-Forscher erklären den Sycamore-Prozessor im KI-Blog des Unternehmens genauer. „Er besteht aus einem zweidimensionalen Gitter, wobei jedes Qubit mit vier anderen Qubits verbunden ist. Dadurch hat der Chip eine ausreichende Konnektivität, sodass die Qubit-Zustände schnell im gesamten Prozessor interagieren und der Gesamtzustand mit einem klassischen Computer nicht effizient emuliert werden kann“, erklären die Google-Forscher.

Die sogenannte „Quanten-Vorherrschaft“ wurde durch seine verbesserten Zwei-Bit-Gatter ermöglicht, die die Grundlage für Quantenschaltungen bilden und die gleiche Funktion wie Logikgatter in klassischen Computern erfüllen. Google demonstrierte, dass es auch bei gleichzeitigem Betrieb mehrerer Gates Rekordleistungen erzielen kann.

„Wir haben diese Leistung mit einem neuartigen Drehknopf erreicht, der in der Lage ist, Interaktionen zwischen benachbarten Qubits abzuschalten. Dies reduziert die Fehler in einem solchen mehrfach verbundenen Qubitsystem erheblich. Weitere Leistungssteigerungen erzielten wir durch die Optimierung des Chipdesigns zur Reduzierung des Übersprechens und durch die Entwicklung neuer Kontrollkalibrierungen zur Vermeidung von Qubit-Fehlern.“

Laut des Nature-Berichts wurde die Demonstration der „Quanten-Vorherrschaft“ von Google durch „Sampling-Lösungen“ auf einer auf Sycamore implementierten Schaltung durchgeführt. Die Ergebnisse wurden dann mit Simulationen verglichen, die auf klassischen Supercomputern durchgeführt wurden, darunter der riesige Summit-Supercomputer am Oak Ridge National Laboratory in Tennessee.

Google sagt, dass es in Zukunft seinen Quanten-Prozessor Mitarbeitern, akademischen Forschern und Unternehmen zur Verfügung stellen wird, die Algorithmen und Anwendungen für die heutigen NISQ-Prozessoren entwickeln wollen.

Google arbeitet auch an einem fehlertoleranten Quantencomputer, von dem es glaubt, dass er für die Entwicklung neuer Materialien verwendet werden kann, wie beispielsweise leichte Batterien für Autos und Flugzeuge, effizientere Düngemittelproduktion und wirksamere Medikamente.

„Die Erreichung der notwendigen Rechenfähigkeiten wird noch Jahre harter ingenieurwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Arbeit erfordern. Aber wir sehen jetzt einen klaren Weg, und wir sind bestrebt, voranzukommen“, teilten die Forscher mit.

Hierzulande arbeitet Google mit dem Forschungszentrum Jülich an der Erforschung von Quantencomputern. Den dortigen Forschern hat es für die Mitarbeit an dem heute bekanntgegebenen Durchbruch gedankt.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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