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COVID-19 und Lockdown-Maßnahmen: Kritik unerwünscht

Kommentar

„Einsicht in einen politischen Sachverhalt heißt nichts anderes, als die größtmögliche Übersicht über die möglichen Standorte und Standpunkte, aus denen der Sachverhalt gesehen und von denen her er beurteilt werden kann, zu gewinnen und präsent zu haben.“

— Hannah Arendt, Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlass [1950-1959]. Hg.: Ursula Ludz, Piper, München 1993, S. 97

Am Wochenende haben in zahlreichen deutschen Städten Tausende Menschen gegen die von der Regierung beschlossenen Lockdown-Maßnahmen demonstriert. Diese seien angesichts der gegenwärtigen Lage unverhältnismäßig. Bei derzeit noch knapp 20.000 aktiv mit dem Coronavirus infizierten Menschen stünden die Lockdown-Maßnahmen, die die Wirtschaft enorm schädigten und zum Verlust von Arbeitsplätzen und persönlicher Freiheitsrechte führten in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Protest gegen Lockdown-Maßnahmen: Rechtfertigen knapp 20.000 Infizierte die Lockdown-Maßnahmen und der damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden? (Quelle: worldometers.info)

Schaut man auf die Berichterstattung in den gängigen Medien, stellt man schnell fest, dass die zahlreichen Artikel leider nicht im Sinne des obigen Zitats von Hannah Arendt geschrieben wurden. Statt sich mit den Positionen der Demonstranten auseinanderzusetzen, werden die Teilnehmer an den Protestveranstaltungen diffamiert. Die FAZ berichtet gleich in drei Artikeln über die Demos: „Covidioten sind unter uns“, „Demonstration der Unvernunft“ und „Brett vor dem Kopf gehört nicht zu den Grundrechten“. Die ZEIT titelt „Sie wollen sich anstecken dürfen“, die Süddeutsche mit „Protest in München: Ohne Masken, ohne Abstand“ und „Der Volksverpetzer“, der 2020 laut Wikipedia als „Blogger*in des Jahres 2019“ mit dem Goldenen Blogger ausgezeichnet wurde, meint „So sehr sind die Corona-Demos von Rechtsextremisten & Neonazis unterwandert“.

Oft werden die Demonstranten in diesen Artikeln als Aluhüte, Linke, Rechte, verirrte Liberale, Antifa, Faschisten, Esoteriker, Impfgegner oder Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Kritisiert wird außerdem, dass sich die Protestler ihre Informationen aus Chat-Gruppen oder Youtube-Kanälen beziehen.

Ein Blick auf die zahlreichen Videos von den Demos vermittelt hingegen ein ganz anderes Bild. In München kommen im Youtube-Kanal Kameratoms ganz gewöhnliche Menschen zu Wort, die eindrucksvoll über ihre Beweggründe zur Teilnahme an der Demonstration berichten.

Und in Stuttgart tritt als Hauptredner der Direktor des Instituts für öffentlichen Finanzen der Universität Hannover, Prof. Dr. Homburg, auf und spricht über „einen Wissenschafts-, Medien- und Politikskandal, wie ich ihn mir nie hätte träumen lassen“.

Lockdown-Maßnahmen „alternativlos“

Kritik an den Regierungsmaßnahmen findet sich in klassischen Medien derzeit so gut wie kaum. Diese betrachten die Maßnahmen im Sinne von Kanzlerin Merkel als „alternativlos“. Doch ist das so? Gibt es wirklich keine Alternative als die Wirtschaft wegen aktuell knapp 20.000 Infizierte und einer normal verlaufenden Gesamtsterblichkeit herunterzufahren und den Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen in Kauf zu nehmen? Basieren die Forderungen der Demonstranten auf Verschwörungstheorien?

Sterbefallzahlen: 2016 – 2020 bis KW31 Stand: 28. August 2020, am 3.7.2020 aktualisiert (Grafik: Statistisches Bundesamt, ZDNet.de)

Aus „Was gesund ist, bestimmt Bill Gates“ wird „Das Dilemma der WHO“

Von den Demonstranten wird auch kritisiert, dass sich die Politik von Milliardären wie Bill Gates beeinflussen lasse. Der Microsoft Gründer würde mit seiner Stiftung Bill & Melinda Gates Aktien von Pharmafirmen halten und im Fall einer Corona-Impfpflicht erheblich profitieren.

Was gesund ist, bestimmt Bill Gates“ heißt nun „Das Dilemma der WHO“ (Screenshot: ZDNet.de)

Spiegel Online erhält 2,5 Millionen Dollar von Gates-Stiftung

Von den klassischen Medien wird die Stiftung häufig in Schutz genommen, was sich schon an der Anzahl der kürzlich erschienen Artikel ablesen lässt. Aber auch daran, dass Artikel bisweilen umgetitelt werden, um die Kritik an Bill Gates und seiner Stiftung abzumildern. Der 2017 im Deutschlandfunk erschienene Beitrag „Was gesund ist, bestimmt Bill Gates“ heißt nun „Das Dilemma der WHO“.

Die „neuartige“ Einstellung zu Bill Gates könnte auch durch Spenden an Medienhäuser beflügelt worden sein. So hat beispielsweise „Spiegel Online“ 2018 über 2,5 Millionen Dollar von der Gates-Stiftung erhalten. Die ZEIT durfte sich 2019 über knapp 300.000 Dollar freuen. Stärken diese Spenden die Unabhängigkeit der Berichterstattung?

Spenden der Gates-Stiftung in Deutschland (Quelle: Bill & Melinda Gates Foundation)

Gates spendet auch an Berliner Charité und Robert Koch Institut

Auch die Berliner Charité, an der Regierungsberater Christian Drosten beschäftigt ist, hat Spenden von Gates erhalten. Knapp 250.000 Dollar wurden im März 2020 für die Erforschung des Coronavirus überwiesen. Im Dezember erhielt das Klinikum 86.181 Dollar. Das Robert Koch Institut, das die Regierung maßgeblich in der Coronakrise berät, erhielt im November 2019 von Gates 253.000 Dollar.

Kritik am Lockdown von internationalen Experten

Auch anerkannte Mediziner wie der Epidemiologe Dr. John Ioannidis von der Stanford-Universität erklärt in einem Interview mit CNN, dass COVID-19 eine „verbreitete und milde Erkrankung“ sei, die für die Allgemeinbevölkerung gleich gefährlich oder sogar weniger gefährlich als die Influenza (Grippe) sei. Zu schützen seien insbesondere Patienten in Pflegeheimen und Krankenhäusern. John Ioannidis ist nicht irgendwer. Er zählt zu den weltweit meistzitierten Wissenschaftlern.

Kritik am Lockdown aus dem Innenministerium

Dr. Gunter Frank, niedergelassener Allgemeinarzt in Heidelberg und Dozent an der Business School St. Gallen, berichtet von einem Whistleblower aus dem deutschen Innenministerium, der in Zusammenarbeit mit zahlreichen Wissenschaftlern einen 200-seitigen Bericht zu den von der Regierung beschlossenen Lockdown-Maßnahmen verfasst hat. Frank fasst den Bericht wie folgt zusammen: „Der Schaden wird, rein medizinisch betrachtet, viel höher sein, als ihn Corona je hätte verursachen können. Damit zusammen hängen natürlich auch die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Schäden. Alles bedingt sich gegenseitig, aber in diesem Papier ging es vor allem um die medizinische Seite, wie beispielsweise die 2,5 Millionen in den Corona-Monaten nicht durchgeführten Operationen, Weiterbehandlungen, Früherkennungen oder Pflegeeinschränkungen.“

Der Mann beweise, „dass unser Regierungsapparat das Land kopflos in die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt hat. Das muss dringend aufgearbeitet werden. Wir müssen uns wieder in Erinnerung rufen, dass fachlich kompetente Kritik gegenüber Regierungspolitik eine elementar wichtige Rolle für das Funktionieren unseres demokratischen Rechtsstaats besitzt. Werden ehrenwerte und renommierte Kritiker mit überheblicher Geste aus der öffentlichen Debatte ausgegrenzt, und stellt man sie an den öffentlichen Pranger, um sie etwa als „Corona-Leugner“ zu diffamieren, dann schwächt man die Fähigkeit unserer Gesellschaft, für große Herausforderungen adäquate Lösungen zu finden“.

Laut Spiegel wurde der Mitarbeiter des Innenministeriums inzwischen von seinen Pflichten entbunden.

Fazit: Kritik am Lockdown

Wie man anhand dieser Zusammenstellung leicht erkennen kann, stützt sich die Kritik am Lockdown nicht auf in irgendwelchen Chatgruppen und Youtube-Kanälen veröffentlichten unseriösen Informationen. Wenn internationale Wissenschaftler, Professoren deutscher Unis und zahlreiche rechtschaffene Bürger gegen den von der Regierung beschlossenen Lockdown demonstrieren, sind das eben keine Verschwörungstheoretiker oder Leute mit einem Brett vor dem Kopf.

Aber es ist natürlich viel einfacher, unbequeme Meinungen mit Diffamierungskampagnen zu unterdrücken, anstatt sich mit der vorgebrachten Kritik inhaltlich auseinanderzusetzen.

Weitere Informationen zu COVID-19

Update 17.5.

Update 4.8.

Update 31.8.

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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