Kommentar Vor gut einem Jahr eskalierte die US-Führung den Handelsstreit mit China, als sie das chinesische Vorzeigeunternehmen Huawei auf die sogenannte „Entity List“ setzte und damit US-Firmen – bis auf wenige Ausnahmen – jegliche Geschäftsbeziehungen mit Huawei untersagte. Das führte unter anderem dazu, dass Huawei keine neuen Smartphones mit Google-Diensten ausliefern darf. Entsprechend spielen neue Huawei-Telefone in westlichen Märkten so gut wie keine Rolle mehr.
Dass die USA derzeit keinerlei Interesse haben, den Konflikt mit China zu entschärfen, lässt sich daran erkennen, dass die US-Regierung zum Jahrestag der Huawei-Sanktionen diese ausgeweitet hat. Der zweitgrößte Smartphonehersteller darf nun auch keine Chips mehr von seinem bisherigen Zulieferer TSMC beziehen, weil dieser US-Technologie zur Herstellung von Halbleitern verwendet. Und am vergangenen Freitag legte die US-Führung nach, indem sie weitere 24 chinesische Firmen auf die sogenannten „Entity List“ setzt und sie damit ebenfalls von der Nutzung von US-Technologie ausschließt.
Was der Welt nun droht, ist nichts weiter als eine technologische Spaltung. Diese könnte sogar noch verschärft werden, wenn weitere chinesische Firmen wie Xiaomi und Oppo, Nummer 4 und 5, der weltweit größten Smartphonehersteller, bei der US-Regierung in Ungnade fallen.
Die Maßnahmen der US-Regierung könnten allerdings nach hinten losgehen. Zum einen gehören chinesischen Unternehmen zu den größten Kunden der dominierenden US-Halbleiterhersteller Qualcomm und Intel. Zum anderen könnte die chinesische Führung empfindliche Gegenmaßnahmen einleiten, die US-Konzerne wie Apple und Microsoft komplett vom chinesischen Markt abschneiden. Ein Markt, der mit 1,4 Milliarden potenziellen Kunden nicht gerade klein ist.
Und genau das scheint jetzt zu geschehen: Nach Angaben der Parteizeitung der Kommunistischen Partei Chinas, Global Times, mehren sich die Stimmen innerhalb der Regierung, auf die Sanktionen der US-Regierung schärfer zu reagieren. „China wird energische Gegenmaßnahmen ergreifen, um seine eigenen legitimen Rechte zu schützen“, wenn die USA den Plan vorantreiben, wesentliche Chiplieferanten, einschließlich der in Taiwan ansässigen TSMC, vom Verkauf von Chips an den chinesischen Technologieriesen auszuschließen, sagte die Quelle der Global Times in einem Exklusivinterview. Die Maßnahmen beinhalten laut Bericht „die Aufnahme von US-Unternehmen in Chinas „Liste unzuverlässiger Unternehmen“, die Verhängung von Beschränkungen oder die Einleitung von Untersuchungen gegen US-Unternehmen wie Qualcomm, Cisco und Apple sowie die Aussetzung von Flugzeugkäufen bei Boeing“.
Als Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen hat der Chefredakteur der Parteizeitung, Hu Xijin, gestern einen Kommentar mit dem Titel „Die Beziehungen zwischen China und den USA haben einen unerwarteten Tiefpunkt erreicht“ veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: „China ist ein aufstrebendes Entwicklungsland. Bisher hat es nicht die Stärke entwickelt, die eine substanzielle Herausforderung für die USA darstellen kann, und China hat auch nicht den Willen, dies zu tun.[…] China ist im Allgemeinen kein Land, das Ideologie in die Außenwelt exportiert, und es wird nicht versucht, das westliche System zu untergraben. In den ideologischen Reibungen zwischen den beiden Seiten ist der Westen zweifellos die aggressive, offensive Seite und China ist auf der defensiven Seite. […] Die Trump-Administration ist voll von radikalem, größenwahnsinnigem Denken des Kalten Krieges. Sie bedrängt China strategisch, und es gibt praktisch keinen Platz für einen Rückzug Chinas. […| Die USA haben China als einen wichtigen strategischen Konkurrenten definiert. Der Preis für die Beendigung der strategischen Razzia gegen China ist einfach zu hoch, als dass China dies akzeptieren und ertragen könnte. […] Der strategische Wettbewerb zwischen China und den USA wird ein langer Prozess sein, der die innere Einheit Chinas auf die Probe stellen wird. Um den Zusammenhalt der chinesischen Gesellschaft zu verbessern, müssen alle Arten von Eliten, einschließlich der intellektuellen Elite, teilnehmen und ihren Beitrag leisten. In diesem Augenblick sollten die Eliten keine Angst vor den USA haben. Stattdessen sollten sie den Mut haben, in einem komplexen Wettbewerb mit den USA an vorderster Front zu stehen und die Interessen des Landes und die Interessen der chinesischen Nation in den Vordergrund zu stellen.“
China wird, wie an dem Kommentar des Chefredakteurs der Parteizeitung der Kommunistischen Partei zu erkennen ist, im Konflikt mit den USA nicht klein beigeben. Mittelfristig dürften die kommenden Jahre wegen fehlendem Zugriff auf US-Technologie für einige Firmen allerdings nicht ganz so rosig ausfallen wie zuletzt. Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, spricht jedoch viel dafür, dass das Reich der Mitte diese Herausforderung meistern wird. Allein in den letzten vier Jahrzehnten hat das Land über 700 Millionen Bürger aus der Armut geholt. Der wirtschaftliche und technologische Aufschwung Chinas lässt sich auch an anderen Faktoren ablesen. In Shanghai wurde beispielsweise erst Anfang der 1990er-Jahre mit dem Bau einer U-Bahn begonnen. Heute ist das U-Bahn-Netz der südchinesischen Metropole mit einem Umfang von 637 Kilometer hinter Peking das zweitgrößte der Welt. Dabei ist Shanghai kein Einzelfall: Unter den 15 Städten mit den weltweit größten U-Bahn-Netzen befinden sich neun chinesische Regionen. Zu beachten ist auch, dass der Baubeginn der U-Bahnen in diesen Städten teilweise erst nach der Jahrtausendwende begann.
Mit knapp 60.000 Patentanmeldungen hat China die USA im vergangenen Jahr erstmals überholt. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten die Liste seit 1978 ununterbrochen angeführt. Bei den Unternehmen führt Huawei zum dritten Mal in Folge das Ranking mit 4.411 Patentanmeldungen an. Dass sich darunter nicht nur Allerwelts-Patente befinden, hat China spätestens mit der Landung der Sonde Chang’e 4 im Von Kármán-Krater auf der Rückseite des Mondes bewiesen. Dort war noch niemand vorher.
Statt die Konfrontation mit China zu suchen, erscheint es aus westlicher Sicht ratsamer, kooperativ mit der aufstrebenden Nation zusammenzuarbeiten. Davon würden beide Seiten profitieren. Hält die aggressive Sanktionspolitik an, verlieren alle.
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