Die gängige Erzählung zum Einfluss von COVID-19 auf den IT-Markt lautet, dass COVID-19 den Markt, insbesondere den für Cloud-Services durchgängig beflügelt habe. Allerdings legen die Ergebnisse des jährlich erhobenen Cloud Usage Report von Nutanix Zweifel an dieser Theorie nahe. Teilnehmer der Studie sind Anwender des Multicloud-Managementtools Xi Beam, sie ist insofern nicht repräsentativ, aber durchaus aufschlussreich.
Danach hat das Cloud-Investment in einigen Branchen in den ersten Monaten des Jahres 2020 stark abgenommen, während im Jahr 2019 meist ein starker Anstieg zu verzeichnen war. Beispielsweise zog die Cloud-Nutzung 2019 in der Produktion und dem Einzelhandel aufs Quartal bezogen zwischen 135 und 363 Prozent an. In den ersten Monaten des Jahres 2020 ging es zwischen Januar und Mai um 27 bis 50 Prozent abwärts – wahrscheinlich wegen der bekannten Ladenschließungen und Produktionsstillegungen.
In der Gesundheitsbranche ergab sich sowohl 2019 als auch 2020 ein Auf und ab: 2019 lagen die Werte zwischen -4% (1. Quartal) und + 35% (4. Quartal), 2020 startete mit -7% im Februar, dann folgte ein Zwischenhoch (+6 % im März), gefolgt von einem weiteren Abstieg um 12 beziehungsweise 8 Prozent (April/Mai). Leider liefert die Untersuchung keine Daten für spätere Zeitpunkte im Jahr 2020. Es lässt sich also nicht ermitteln, ob im Jahresverlauf Wachstums- und Aufholeffekte zu verzeichnen waren.
TMT-Branche und Finanzen investieren massiv in Cloud-Services
Dem stehen zwei Branchen mit ganz anderen Investitionsprofilen gegenüber. In der Finanzbranche gingen die Cloud-Investitionen im zweiten und dritten Quartal 2019 eher zurück, während sie dem Jahresende zu wieder anstiegen. In den Monaten bis Mai 2020 war zunächst im Februar mit -10 Prozent ein starker Rückgang zu verzeichnen, der jedoch einem soliden Wachstum von bis zu 34 Prozent monatlich im April 2020 Platz machte.
Auf die Branchen Technologie, Medien und Telekom hatte die Gesundheitskrise eine positive Wirkung. Dennoch konnten die Wachstumszahlen 2020 nicht mit denen 2019 mithalten: Während des ganzen Jahres 2019 war starkes Wachstum zu verzeichnen, das im 4. Quartal 135 Prozent erreichte. Demgegenüber lag das höchste erreichte Wachstum in den ersten Jahresmonaten 2020 bei 29 Prozent.
Es liegt also der Schluss nahe, dass der Durchbruch der Cloud schon 2019 Fahrt gewonnen hat und dass die Auswirkungen von COVID-19, das vielerorts als wichtigster Motor eines geänderten IT-Beschaffungs- und Nutzungsverhaltens herhalten muss, zumindest in Teilbereichen deutlich überschätzt wird.
Enterprise-Kunden nutzen Cloud-Services am intensivsten
Weitere interessante Erkenntnisse: Die Cloud-Reife ist wenig überraschend in Enterprises (größer als 1 Milliarde Umsatz pro Jahr) mit 60 Prozent am größten, bei SMBs mit 37 Prozent am geringsten. Unter den Branchen liegen Finanzdienstleister mit 62 Prozent Anwendern auf Expertenniveau weit vorn, während der Gesundheitsbereich mit noch immer 40 Prozent Anfängern am weitesten hinten rangiert. Den Grund dafür nennt die Studie nicht, naheliegend sind aber Datenschutzbedenken.
Zur Erklärung: Als Anfänger gilt in dieser Befragung, wer weniger als 15 Cloud-Services nutzt, als Experte, wer mehr als 30 im Dienst hat. Zwischen 15 und 30 Cloud-Services im Einsatz gelten als Hinweis auf ein mittleres Cloud-Qualifikationsniveau.
Ferner differenziert die Studie zwischen Unternehmensgrößen: Enterprises haben einen Umsatz von größer einer Milliarde Dollar, SMBs liegen unterhalb von 50 Millionen Dollar, Commercials dazwischen.
Azure gewinnt Boden
Interessant ist, dass AWS gegenüber Azure weiter Boden einbüßt. Das Wachstum von Azure war in allen Marktsegmenten 2019 höher als das von AWS, eine Ausnahme macht nur der Enterprise-Markt in einem einzigen Quartal, dem dritten 2019. Hier wuchs AWS um 60 Prozent, Azure „nur“ um 51 Prozent. Besonders im kommerziellen Segment wächst Azure um Dimensionen stärker als AWS – hier liegen die Wachstumsraten von Azure um mehr als das Zehnfache höher als die von AWS.
Eine naheliegende Ursache ist, dass Unternehmen beim Umzug der Mitarbeiter ins Home-Office massiv auf Cloud-Versionen beispielsweise von MS Office umstellten. Man kann nur spekulieren, ob sich darin die insgesamt engere Vertrautheit von Microsoft mit kommerziellen Usern oder auch eine Abneigung gegen die Zusammenführung von Wissen und Ressourcen zwischen AWS und Amazon reflektiert. Schließlich tritt Amazon als Handelsplattform inzwischen zu so ziemlich jedem Handelsunternehmen global in direkte Konkurrenz.
Cloud-Kostenoptimierung bleibt Topthema
Ein wichtiges Thema für die Cloud-Servicekunden ist immer wieder die Optimierung der Cloud-Kosten. Insbesondere geht es um die Beseitigung nicht mehr benötigter Ressourcen bei Speicher und Rechenleistung. Die Einsparungen durch Rightsizing werden hauptsächlich bei virtuellen Maschinen erzielt, etwas weniger im Bereich Storage: Je nach Unternehmensgröße fielen zwischen 54 Prozent (Enterprise) und 62 Prozent (SMB) der Rightsizing-Einsparungen bei VMs an. Der Anteil des Speicher-Rightsizings an den Einsparungen schwankt zwischen 42 Prozent (Enterprise) und 33 Prozent (Commercial), der Rest entfällt auf die Optimierung der Ein-/Ausgabeleistung.
Wird offensichtlich nicht mehr benötigter Speicher freigegeben, bringt das über die Unternehmensgrößen hinweg gegenüber anderen Ressourcen den größten Effekt. Das Löschen virtueller Maschinen liegt auf Platz 2 und die Kündigung nicht gebrauchter Ein-/Ausgabekapazitäten weit abgeschlagen auf Platz 3.
Rechenleistung weiter größte Cloud-Ressource
Betrachtete man die Ausgaben für die bezogenen Services, dann liegt über alle Unternehmensgrößen hinweg Rechenleistung mit einem Anteil von mehr als der Hälfte vorn. Auf Platz 2 folgt beim Commercial-Segment Storage mit 18,7 Prozent, danach Datenbanken (12,8%) sowie Vernetzung, Analytics und Sicherheit, die es jeweils nur auf einstellige Raten bringen. Deshalb werden sie in diesem Artikel nicht detaillierter betrachtet. Die Reihenfolge zwischen Storage und Datenbanken kehrt sich bei den Enterprise- und SMB-Nutzern zugunsten der Datenbank-Services um, ist aber ansonsten sehr ähnlich.
Interessant wird es, wenn man die Verteilung der Nutzungsaufwendungen auf die beiden Cloud-Provider AWS und Azure betrachtet: Während bei AWS vor allem Server bezogen werden (66 % Server, Storage: 6,4%, Datenbanken: 15,1%), beziehen die Anwender von Azure weniger Rechenleistung (42,3 %), dafür aber mit 25,4 Prozent etwa viermal so viel Storage wie bei AWS. Für Datenbank-Services geben Azure-Kunden 15,9 Prozent aus. Dazu kommen weitere Dienste, die alle im einstelligen Prozentbereich rangieren.
EC2 liegt bei AWS-Computingservices um Längen vorn
Bei den Compute-Services liegt das Schwergewicht der AWS-Nutzer eindeutig auf EC2. Laut Studie „macht EC2 noch immer mehr als 99 Prozent der Ausgaben für AWS-Rechenleistung über alle Unternehmensgrößen und Branchen hinweg aus.“ Bei Azure sieht es etwas anders aus. Hier haben virtuelle Maschinen mit über 70 Prozent den Löwenanteil der Ausgaben für Compute-Services, Enterprises haben aber andere Präferenzen: Sie beziehen zu 40,2 Prozent den Cloud Service, nur zu 34,8 Prozent virtuelle Maschinen, zu 14,8 Prozent Azure App Services und zu 10 Prozent VM-Lizenzen.
Betrachtet man die Storage-Dienste der Cloud-Provider, dominiert bei AWS die S3- Nutzung – bei SMBs erreicht sie einen Anteil von mehr als 90 Prozent der Ausgaben für Storage-Dienste, bei den beiden übrigen Unternehmens-Größenklassen zwischen knapp drei Vierteln (Enterprise) und zwei Dritteln (Commercial). Immerhin bringt es der File-Service von AWS, EFS (Enterprise File Service), bei Enterprise-Anwendern auf 25,1 Prozent der AWS-Storage-Investitionen und bei Unternehmen der Commercial-Größenklasse auf 28,4 Prozent.
Relationale DB-Services dominieren
Und wie sieht es bei Datenbanken aus? Bei AWS dominieren Services für relationale Datenbanken mit einem Anteil von gut einer Hälfte bis knapp zwei Drittel je nach Unternehmenskategorie. Führend sind hier MS-SQL, MySQL, Postgres und Aurora. Bei Enterprises und Commercials folgt auf Platz 2 der Cache-Speicher ElastiCache. Bei SMBs liegt auf Platz 2 Redshift mit 14,9 Prozent.
Im Azure-Reich dominiert bei den Enterprises deutlich die Nutzung von SQL Database (76,4 %), gefolgt von Redis Cache (12,1 %). Bei den etwas kleineren Commercials liegt ebenfalls SQL Database vorn, aber mit erheblich geringerem Anteil (48,3 %), gefolgt von SQL Data Warehouse (25,1 %) und der No-SQL-Datenbank Cosmos DB (14,1 %). Der Anteil von letzterer liegt bei SMBs bei erstaunlichen 28,1 Prozent der Cloud-Aufwendungen, was zeigt, dass SMBs oft schneller innovieren als größere Firmen. Der Anteil von SQL Database beträgt hier 29,9 Prozent, der von SQL Data Warehouse 20,1 Prozent, der Rest der Services aus diesem Bereich kommt nicht über einstellige Prozentsätze hinaus.
Netzwerkdienste: Uneinheitliches Bild
Hinsichtlich der Netzwerkdienste fällt gerade bei den Kunden von AWS die Verteilung der Servicenutzung je nach Unternehmens-Größenklasse recht unterschiedlich aus: Enterprises verwenden vor allem AWS Cloudfront (37.7 %), gefolgt von Amazon VPC (30,1 %) und AWS Direct Connect (24,2 %). Bei Commercials dominiert mit 41,9 Prozent AWS Direct Connect, mit 34,8 Prozent liegt Amazon VPC auf Platz 2 und Amazon CloudFront mit vergleichsweise mageren 12,4 Prozent auf dem dritten Platz. SMBs wiederum investieren 49,1 Prozent in Amazon VPC und 30,8 Prozent in Amazon CloudFront. Alle übrigen Netzdienste erzielen bei SMBs einstellige Werte.
Bei Azure ähnelt sich die Verteilung der kundenseitigen Servicenutzung über die Unternehmensgrößen hinweg stärker. Meistgenutzter Dienst ist jeweils Bandbreite. Der Anteil schwankt zwischen 41,7 Prozent (Enterprise) und 26,0 Prozent (Commercial). Auf Platz 2 liegt der VPC (Virtual Private Circuit)-Verbindungsdienst ExpressRoute mit Werten zwischen 32,2 Prozent (Enterprise) und 21,6 Prozent (SMB). Auf Platz 3 folgt bei Enterprises VPN Gateway (8,5%), bei den übrigen Unternehmensgrößen Application Gateway.
Starkes Wachstum bei Analytics und IoT
Interessant ist zu schauen, welche Dienste besonders stark wachsen. Hier sind vor allem zwei Bereiche zu nennen: AI und ML mit 154 Prozent Wachstum und IoT mit 209 Prozent Wachstum. Dabei kommen knapp 77 Prozent der AI/ML-Investitionen in Cloud-Services von Commercials, während der Löwenanteil der IoT-Investitionen mit rund 67 Prozent von Enterprises stammt. SMBs haben an beiden Bereichen einen relativ geringen Anteil: Sie stehen für 15,2 Prozent der Investitionen in AI/ML-Cloudservices und für 5,4 Prozent in die in IoT-Services.
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