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Globale Chipkrise: Die wahren Gründe hinter dem Mangel

Ein Engpass ohne Ansage – aber mit wirklich unglücklich verketteten Ereignissen

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Dass Preise und Kurse in kurzen Zeiträumen steigen und fallen können, ist für in den Aktienhandel Involvierte bereits eine bekannte Tatsache, seitdem der börsliche Handel existiert. Wenn jedoch ein renommiertes Branchenmagazin wie der Videospielespezialist „GameStar“ herausfindet, dass man Ende 2021 eine – wohlgemerkt gebrauchte – Grafikkarte auf eBay für knapp 110 Prozent mehr Euros veräußern konnte als nur ein Jahr zuvor, dann ist das schon eine sehr bemerkenswerte Meldung. Zumal die Preise für diese Karten bereits zwischen November 2020 und Januar 2021 um bis zu 70 Prozent gestiegen waren.

Doch man muss nicht einmal nur ein Fan digitalmedialer Unterhaltung sein, um die Lage zu spüren. Egal, ob es darum geht, eine Waschmaschine zu ordern, ein Auto zu bestellen oder sogar verschiedene Dinge zu suchen, die eigentlich nicht voller Halbleiter stecken: Zu beinahe jedem Thema müssen Interessenten heute darauf gefasst sein, entweder extrem tief in die Tasche greifen zu müssen oder zu hören bekommen, dass für eine baldige Lieferung keine Garantie übernommen werden könne. Allein, was der Mangel in der Autoindustrie angerichtet hat, ist bemerkenswert düster, selbst wenn man nicht nur auf die reinen Zahlen entgangener Umsätze abhebt.

Nur woran liegt das alles? Warum herrscht auf der ganzen Welt aktuell ein so dramatischer Mangel an einer Ware, die noch vor so kurzer Zeit so massenhaft und günstig verfügbar war, dass sie sogar in Wegwerfprodukten verbaut werden konnte? Tatsache ist: Die Gründe sind vielschichtiger als selbst manche Experten vermuten.

  1. Am Anfang stand das Mining
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Jede Krise hat ihren Ausgangspunkt. Und frei nach der Schmetterlingstheorie stimmt es, dass ein Flügelschlag an einem Ort einen Orkan an einem anderen verursachen kann. In diesem Sinn begann der Mangel damit, dass eine völlig neue Währungsform sich weltweit etablierte: Kryptowährungen.

Dadurch, dass es bei ihnen möglich ist, durch reine Rechenkraft Werte zu erschaffen beziehungsweise zu schürfen oder eben zu „minen“, stiegen bereits frühzeitig zahllose Personen auf diesen Zug auf. Zunächst war dies ein völlig zu vernachlässigendes Problem.

Dann jedoch stiegen in vielen Ländern die Energiepreise stärker als die allgemeinen Rechenleistungen. Das machte das Mining für Einzelpersonen immer unrentabler. Die Energiekosten, die für das Schürfen anfielen, fraßen bald jegliche Gewinne. Dadurch wurde es immer ressourcenintensiver: Gewinne ließen sich nur noch erzielen, wenn dafür Computer mit ausnehmend großer Rechenleistung herangezogen wurden, speziell in Sachen Grafikkarten und oftmals zu regelrechten Farmen zusammengeschlossen.

Solche Mining-Farmen konnten (und können) vor allem dort prosperieren, wo die Strompreise aus irgendeinem Grund besonders niedrig sind, es jedoch gleichzeitig eine große Versorgungssicherheit gibt. Zunächst war China das Eldorado des organisierten Krypto-Minings. Nach dem dortigen Verbot gerieten andere Länder in den Fokus.

Dazu muss erwähnt werden, dass das Schürfen in Sachen Chipkrise zwei Faktoren beinhaltet:

  1. Es löste schon lange vor der Pandemie Engpässe bei Grafikkarten aus.
  2. Es ist bis heute der langandauerndste Faktor für die Krise, wenngleich es nicht der einzige und beileibe nicht der gewichtigste Grund ist.

Anders formuliert: Ohne die weiteren Gründe hätten heute vermutlich nur Gamer und andere, die große Grafikleistungen benötigen, ein (kleines) Problem. Das „Pech“ der Welt ist jedoch, dass weitere Gründe hinzukamen.

  1. Wenn Donald Trump poltert…

Donald Trumps Präsidentschaft mag nur eine Legislaturperiode lang gedauert haben. Jedoch ist sein Handeln direkt mit der Chipkrise verbunden. Denn Trumps Wunsch, den Westen im Allgemeinen und die USA im Besonderen unabhängiger von China zu machen und die Dominanz dortiger Hersteller zu brechen, sorgte dafür, dass er Sanktionen erließ.

Diese konzentrierten sich vor allem auf den Bereich Mikroelektronik. Wirksam waren die Sanktionen, die sich unter anderem durch Handelsverbote manifestierten, zweifelsohne – zunächst. Doch bevor diese Sanktionen griffen, setzte bei chinesischen Herstellern rasch noch eine Art digitaler Hamsterkauf ein: Alles, was noch am freien Markt an Chips und Systemen zu ihrer Herstellung verfügbar war, wurde aufgekauft. Gleichsam mussten chinesische Hersteller eigene Alternativen entwickeln.

Damit stand Ende 2019 nicht nur die Gilde der Videospieler vor einem Problem, sondern es zeichnete sich bereits ein genereller kleiner Mangel ab, der jedoch niemanden ernstlich beunruhigte. Doch kurz nach dem Jahreswechsel auf 2020 wurden die Karten völlig neu gemischt.

  1. Erst der Absturz, dann die Nachfrageverlagerung
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Anfang 2020 sah die Welt der Halbleiter dementsprechend halbwegs gut aus. Alle Zeichen deuteten auf einen Aufschwung in der Branche – die sich dementsprechend darauf vorbereitete.

Dann geschahen jedoch drei Dinge in sehr rascher Folge:

  1. Das Coronavirus trat Anfang 2020 auf, breitete sich aus und sorgte zunächst überall für Panik, hastige Schließungen, stornierte Aufträge und unterbrochene Lieferketten, speziell in sehr Chip-lastigen Industrien. Dadurch wurde die Produktion in der Halbleiterindustrie eilends heruntergefahren, um keine Überkapazitäten zu verursachen.
  2. Als die Welt sich ab März quasi in den Lockdown begeben hatte, explodierte geradezu die Nachfrage nach digitaler Hardware – jedoch vor allem aufseiten der Consumer-Produkte. Spielekonsolen, Streaming-Sticks, dazu alles, was für die plötzliche Homeoffice-Arbeit benötigt wurde, erlebte einen gigantischen Nachfrageanstieg.
  3. Im Sommer dann stiegen plötzlich besonders die Fahrzeugbestellungen wieder sprunghaft an. Da die dahinterstehenden Hersteller jedoch ihre Lieferungen zuvor storniert hatten, waren sämtliche verfügbaren Chips bereits von den anderen Elektronikkonzernen aufgesaugt worden.

Im Sommer 2020 war also aus einer Krise der Grafikkartenindustrie und Chinas eine geworden, die bereits die gesamte Fahrzeugindustrie ergriffen hatte und zudem damit begann, anderen Branchen Probleme zu bereiten, deren Produkte viele Mikroprozessoren beinhalteten.

Zu diesem Cocktail kam dann noch eine Menge Pech

  1. Mutter Natur schlägt doppelt zu
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Bis zu diesem Punkt hätte sich mit genügend Zeit sicherlich alles innerhalb weniger Monate wieder einpendeln können – es gab ja keinen wirklichen Rohstoffmangel oder Herstellungsengpässe.

Letztere holte jedoch das Schicksal ziemlich schnell nach:

  • Im Februar 2021 fegte eine extreme Kältewelle mit Schneestürmen durch die USA. Sie sorgte dafür, dass in den eigentlich „sicher“ gelegenen Halbleiter-Fabriken (Fabs) in Austin, Texas der Strom ausfiel. Hochproblematisch, denn dadurch konnten die Werke nicht kontrolliert heruntergefahren werden. Es wurde also nicht nur die Produktion gestoppt, sondern viele Produktionsmaschinen beschädigt. Mit NXP fiel dadurch einer der wichtigsten Zulieferer der Fahrzeugindustrie aus, ebenfalls betroffen waren Samsung und Infineon.
  • Im März 2021 kam es im Werk von Renesas in Japan zu einem folgenschweren Großbrand. Damit wurde die arg strapazierte Fahrzeugbranche von einem weiter wichtigen Halbleiterproduzenten abgeschnitten.

Diese beiden Katastrophen engten den Markt nochmals dramatisch ein. Spätestens an diesem Punkt war aus dem Chipmangel eine wirklich ernstzunehmende Chipkrise geworden. Denn normalerweise sind all diese Werke 24/7 vollkommen ausgelastet. Jeder Tag Verzögerung wirkt sich aus – obwohl viele andere Werke in Ostasien gar nicht von diesen Vorfällen betroffen waren.

Allerdings darf der geneigte Leser nicht vergessen, dass dies alles immer noch während der Pandemie stattfand. Malaysia beispielsweise gewährte vielen der hier angesiedelten Chiphersteller großzügige Ausnahmen von den ansonsten scharfen Lockdowns, um die Wirtschaft des Landes zu stützen. Jedoch konnte dies eben nicht verhindern, dass die Arbeiter vom Virus erfasst wurden.

Und als wenn all das noch nicht genug wäre, trat China wieder auf den Plan. Seit Pandemiebeginn verfolgt das Land eine geradezu drakonische Zero-Covid-Strategie, die nicht davor zurückschreckt, ganze Millionenstädte auf Wochen hinaus abzuriegeln. Für die Halbleiterindustrie war dies bis 2021 nicht sonderlich problematisch gewesen. Gegen Ende des Jahres erwischte es jedoch die Region Xi’an und damit Chinas Herz der Mikrochipproduktion.

Das ist der Stand, wie er sich jetzt, zu Beginn des Jahres 2022, darstellt. Der einzige Hoffnungsschimmer ist, dass alle Hersteller den Ernst der Lage erkannt haben und mit Höchstdruck daran arbeiten, ihre Produktionskapazitäten auszubauen. Bloß funktioniert dies nicht von heute auf morgen. Das Hochziehen einer Fab dauert im Schnitt deutlich mehr als drei Jahre – selbst wenn man sämtliche Genehmigungsverfahren außeracht lässt.

Für den Verlauf dieses Jahres gibt es deshalb nur die Hoffnung, dass die Krise sich abmildern, aber dennoch weiter anhalten wird. Dass sie jedoch gänzlich überwunden werden kann, damit rechnen selbst optimistische Insider nicht vor dem weiteren Verlauf des Jahres 2023.

ZDNet.de Redaktion

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