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Russlands schwacher Firewall

Russland hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine damit begründet, dass die Ukraine von Nazis regiert werde und einen Völkermord in den Donbass-Republiken plane. Lawrence Freedman, Emeritus Professor of War Studies am Kings College London, bemerkt dazu: „Putin hat das, was für Russland auf dem Spiel steht, mit phantastischen Begriffen beschrieben, die wenig mit der tatsächlichen Situation zu tun haben. Er will ein Land mit einem jüdischen Präsidenten und Premierminister entnazifizieren und die Menschen im Donbass vor einem „Völkermord“ schützen, der eine komplette Erfindung war. Zelensky kann also ohne weiteres versprechen, kein Nazi zu sein und keinen Völkermord zu begehen.“

Im Gegensatz dazu bemüht sich die Ukraine, ein halbwegs wahrheitsgemäßes Bild des Konflikts zu zeichnen: „Die Ukrainer haben den Informationsraum dominiert. Sie haben sachliche Mitteilungen gemacht, die zwar die russischen Verluste hochspielen, aber auch über ihre eigenen Rückschläge berichten. Noch wichtiger ist, dass die internationalen Netze wohlwollend aus den belagerten Städten und den mit verzweifelten Flüchtlingen überfüllten Grenzposten berichten,“ so Professor Freedman weiter.

Technologische Schwächen

Aber ganz abgesehen von Wahrheit und Lüge gibt es auch technologische Faktoren, die den Informationskrieg bestimmen. China hat einen starken Firewall gebaut, um die eigenen Bürger vor westlichen Informationen abzuschirmen. Laut der OpenNet Initiative hat China das beste Content-Filtering System der Welt. YouTube, Google und Yahoo werden in China alle komplett blockiert. Chinesische Kinder dürfen Computerspiele nur in vorgegebenen Zeiten nutzen.

Russland hinkt mit seinen Zensurmaßnahmen technisch laut OpenNet weit hinterher. YouTube wird von 85 Prozent aller Russen genutzt und ist damit die populärste App. Die Informationsinfrastruktur wurde ursprünglich nach dem westlichen OpenNet aufgebaut. Es gibt dutzende kleinere Telekommunikationsanbieter. Tatsächlich hat Russland bisher im aktuellen Konflikt wenig dafür getan, seinen schwachen Firewall gemäß dem chinesischen Modell zu stärken und den Internetzugang für seine Bürger zu kappen, wie das schon vor einigen Jahren bei Massenprotesten der Fall war.

Hier das Fazi von OpenNet: „Die Kontrolle der Medien hat in Russland eine lange Tradition. Mit der Ausbreitung des Internets hat sich die Regierung bemüht, geeignete Kontrollmechanismen zu entwickeln. Im Vergleich zu anderen Ländern unterscheidet sich der russische Ansatz deutlich von den anderen Methoden zur Kontrolle der Internetaktivitäten. Anstatt Filter nach chinesischem Vorbild zur Kontrolle des Internetzugangs einzusetzen, zieht es die russische Regierung vor, Techniken der zweiten und dritten Generation wie rechtliche und technische Instrumente und nationale Informationskampagnen zu verwenden, um das Informationsumfeld zu gestalten und abweichende Meinungen und Opposition zu unterdrücken.“

Wie Professor Freedman schildert: Die Russen „erfahren nichts von den Opfern auf ihrer eigenen Seite oder den in ihrem Namen begangenen Gräueltaten. Doch die Nachrichten dringen durch, und die Anzeichen von Unzufriedenheit und Unmut sind unübersehbar. Das harte Durchgreifen könnte noch härter werden, aber sollte sich die Unzufriedenheit auf die einfachen Menschen ausweiten, die um ihre jungen Männer an der Front, ihre Familien und Freunde in der Ukraine und den Wertverfall ihrer Währung fürchten, könnten Putins innenpolitische Probleme wachsen.“

ZDNet.de Redaktion

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