Wie kann ich meine E-Commerce-Lösung besser an Kundenwünschen ausrichten? Wie die Benutzeroberfläche meiner Supply-Chain-Management-Software optimieren? Oder das ERP-System an die Anforderungen der kommenden fünf Jahre anpassen? Wenn Know-how oder Kapazität der eigenen IT-Abteilung nicht ausreichen, um entsprechende Projekte in Eigenregie umzusetzen, heißt die Lösung oft Outsourcing – was bedeutet, die Projektkontrolle weitgehend an einen Dienstleister abzugeben.
Doch es gibt eine Alternative zum klassischen Outsourcing: Wer die Fäden in IT-Projekten ungern aus der Hand gibt und die technologische Leitung behalten möchte, setzt auf Co-Development, ein Synonym von Outstaffing. Hierbei nehmen sich ein internes Team und ein externer Co-Development-Partner gemeinsam der Software-Entwicklung an. Das Ziel: innovative Lösungen im Rahmen von langfristigen Partnerschaften zu entwickeln. Die Rollenverteilung: Das interne Team behält die Kontrolle und kann den Prozess gezielt steuern. Externe Teams wiederum bringen spezifische Expertise mit, sei es in puncto App-Entwicklung oder Design von Cloud- und KI-Anwendungen. Die Kombination aus Inhouse- und externen Ressourcen realisiert die Wunsch-Software schneller und schließt sie kontrolliert an das digitale Ökosystem des Unternehmens an.
Mehr Freiheiten in IT-Projekten gewinnen
Zugriff auf externes Know-how und Personal: Was generell für Outsourcing spricht, spielt auch bei Co-Development eine wichtige Rolle. Erst Anfang dieses Jahres vermeldete der Branchenverband Bitkom eine verschärfte Personalnot im IT-Umfeld. Knapp 100.000 Stellen sind derzeit offen, in vielen Unternehmen fehlt es an IT-Kompetenzen und Entwicklerressourcen. Durch Co-Development umgehen Unternehmen den Fachkräftemangel, indem sie gezielt auf das Personal externer Dienstleister zurückgreifen.
Weitere Gründe, warum sich Firmen dafür entscheiden? Anders als beim Outsourcing haben sie mehr Freiheiten, da sie das Projekt federführend betreuen. Sie sind flexibler, können Projektressourcen schneller anpassen und beliebig skalieren. Auch sind sie ungebunden und buchen die benötigten Fachkräfte nur so lange, bis das Projekt fertiggestellt ist.
Agile Methoden sind bei Co-Development das Mittel der Wahl. Interne und externe Teams arbeiten im Tandem an einzelnen Projektschritten. Das interne Team kann jederzeit selbst entscheiden, welcher Schritt als nächstes ausgeführt wird. „Demgegenüber geht es beim Outsourcing primär um das Erreichen eines zu Beginn definierten und ausgearbeiteten Projektziels, das vom Outsourcing-Partner selbstständig erbracht wird“, sagt Srinivas Nair, verantwortlich für Vertrieb und Business Development beim SAP-Partner Bristlecone International AG. Durch den flexibleren Einsatz von Ressourcen und internen Kosten sind Outstaffing-Projekte zudem günstiger. Srinivas Nair schätzt, dass hochoptimierte Outstaffing-Projekte etwa 15 bis 20 Prozent weniger kosten könnten als klassische Outsourcing Deals.
Das Ziel: zentrale IT-Teams entlasten
Auch abseits von Fachkräftemangel oder Kostendruck ist externe Hilfe erwünscht. Als Partner von SAP bietet Bristlecone weltweit Beratungs- und IT-Dienstleistungen in den Bereichen Beschaffung, ERP oder Supply Chain Management. Neben der klassischen Software-Entwicklung übernimmt der Anbieter auch projektbasiertes Outstaffing. Hierbei unterstützt er beispielsweise Unternehmen, die die globale Einführung von SAP S/4HANA nicht allein stemmen können oder wollen. In diesem Fall agiert das Team des SAP-Partners weltweit von 14 Hubs aus als verlängerte Werkbank des Kunden.
Gerade die zentrale IT-Abteilung internationaler Unternehmen schafft es nicht immer, IT-Projekte an allen Standorten intensiv zu begleiten. Um lokale Anforderungen besser berücksichtigen zu können, greifen die Verantwortlichen gerne auf Outstaffing zurück. Zum Beispiel in Brasilien, berichtet Martin Strempfer, COO bei dem SAP-Partner NTT DATA Business Solutions: „Unsere Kunden haben in den globalen Firmenzentralen, oft auf anderen Kontinenten, meist eine starke SAP-Truppe, die den Rollout, Betrieb und Support von SAP-Lösungen übernehmen kann. In Brasilien hingegen stößt die Truppe an Grenzen. Da sich die gesetzlichen und steuerlichen Vorgaben stark von denen anderer Länder unterscheiden, sind spezielle Konfigurationen im ERP-System erforderlich.“
Außerdem gibt es im brasilianischen Arbeitsrecht keine Freiberufler. Während andernorts häufig Freelancer die Software-Entwicklung übernehmen, setzen die Unternehmen dort daher verstärkt auf Co-Development. Dadurch erhalten die Kunden von NTT DATA Business Solutions Zugriff auf aktuelle Technologien und Innovationen. Der SAP-Partner bildet seine Mitarbeitenden kontinuierlich weiter und achtet auf wichtige SAP-Zertifizierungen.
Gleichzeitig hält das Konzept auch für viele Consultants und Entwickler Vorzüge bereit, wie Strempfer sagt. Es biete ihnen ein willkommenes „Spielfeld“, um in kurzer Zeit Einblicke in verschiedene Projekte, aber auch Themen und Geschäftsprozesse beim Kunden zu erhalten. Gerade die Jüngeren schätzten die Abwechslung und spannenden Herausforderungen, anstatt über Jahre hinweg im selben Projekt zu stecken.
Co-Development gemeinsam mit Software-Hersteller
Abschließend bleibt noch die Frage offen, was für den Erfolg von Co-Development entscheidend ist. Für Srinivas Nair kommt es darauf an, dass sich der externe Partner sehr schnell an die Unternehmenskultur des Kunden anpassen kann, die sich wiederum in der Organisationsstruktur niederschlägt. Daher sei es hilfreich, lokale Mitarbeitende von erfahrenen Partnern in die Projekte einzubinden. Um möglichst effektiv zu sein, ist es darüber hinaus für Nair wichtig, nicht nur die Roadmap und die Strategie des Kunden zu kennen, sondern auch die Produktphilosophie von SAP. Bei Bristlecone, SAP-Partner seit mehr als zwei Jahrzehnte, kommen die Teams aus dem asiatisch-pazifischen Raum, Europa und Nordamerika.
In diesem Zusammenhang kann Co-Development auch das Verhältnis zwischen Software-Hersteller und Partner-Ökosystem auf ein neues Niveau heben. So hat SAP selbst weltweit zahlreiche Co-Development-Projekte mit Partnerunternehmen aufgesetzt. Um in diesem Rahmen beispielsweise zusätzliche Services für RISE with SAP zu entwickeln oder – wie in Brasilien – lokale Anpassungen vorzunehmen.
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