Categories: RechtRegulierung

EuGH: Kampf gegen Verbrechen rechtfertigt keine Vorratsdatenspeicherung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die generelle Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten zur Verbrechensbekämpfung in der Europäischen Union verboten.

In einem Urteil entschied das Gericht, dass „die allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten die Grenzen des unbedingt Erforderlichen überschreitet und in einer demokratischen Gesellschaft nicht als gerechtfertigt angesehen werden kann, wenn das Ziel die Bekämpfung von Straftaten ist. Kriminelles Verhalten, auch wenn es besonders schwerwiegend ist, kann nicht mit einer Bedrohung der nationalen Sicherheit gleichgesetzt werden.“

Das Gericht stellte zudem fest, dass Verkehrs- und Standortdaten besonders sensibel sind und deswegen, wie alle personenbezogenen Daten, gemäß der Charta der Grundrechte der Europäischen Union besonderen Schutz genießen. „Angesichts des sensiblen Charakters der Informationen, die Verkehrs- und Standortdaten liefern können, ist die Vertraulichkeit dieser Daten für das Recht auf Achtung des Privatlebens unerlässlich“, heißt es weiter in der Urteilsbegründung.

Das EuGH-Urteil steht einer Vorratsdatenspeicherung zur Abwehr von Gefahren für die nationale Sicherheit jedoch nicht entgegen. Zu diesen Bedrohungen gehören unter anderem „der Schutz der wesentlichen Funktionen des Staates und der grundlegenden Interessen der Gesellschaft durch die Verhütung und Ahndung von Handlungen, die geeignet sind, die verfassungsmäßigen, politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes ernsthaft zu destabilisieren und insbesondere eine unmittelbare Bedrohung für die Gesellschaft, die Bevölkerung oder den Staat selbst darzustellen, wie terroristische Aktivitäten“.

Konkret geht das Gericht auch auf Unterschiede zwischen Straftaten und einer Bedrohung für die nationale Sicherheit ein. „Im Gegensatz zu Straftaten, selbst zu besonders schweren Straftaten, muss eine Bedrohung der nationalen Sicherheit tatsächlich und gegenwärtig oder zumindest vorhersehbar sein, was voraussetzt, dass hinreichend konkrete Umstände vorliegen, um eine allgemeine und unterschiedslose Maßnahme der Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten für einen begrenzten Zeitraum rechtfertigen zu können.“

Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

Recent Posts

Balkonkraftwerk mit Speicher: Lohnt sich die Investition wirklich?

Ein Balkonkraftwerk mit Speicher ermöglicht es, den Eigenverbrauchsanteil deutlich zu erhöhen und Solarstrom auch dann…

2 Stunden ago

Kritische Sicherheitslücke in Microsoft Windows entdeckt

ESET-Experten warnen vor Zero-Day-Exploit, der die Ausführung von schadhaftem Code erlaubt.

2 Tagen ago

Malware-Ranking: Trojaner AsyncRat in Deutschland auf dem Vormarsch

Die höchste Verbreitung erzielt die auf Datendiebstahl ausgerichtete Malware Androxgh0st. Bei den Ransomware-Gruppen liebt Clop…

2 Tagen ago

Forscher entwickeln vernetzte Immersive-Lösungen

Fraunhofer arbeitet an einer Plattform, die 360°-Live-Streams an mehrere Spielstätten überträgt und den Besuchern Interaktionsmöglichkeiten…

2 Tagen ago

Dritte Beta von Android 16 veröffentlicht

Die kommende Version von Googles Mobilbetriebssystem erreicht Plattform-Stabilität. Damit ist die Entwicklung der APIs von…

3 Tagen ago

Intel ernennt Lip-Bu Tan zum neuen CEO

Der Manager war bis August 2024 Mitglied des Board of Directors von Intel. Der derzeitige…

3 Tagen ago