Der Software-Experte Revenera hat in einem jährlichen Bericht die 20 Hotspots für Software-Piraterie, Missbrauch und nicht-lizenzierte Nutzung von Softwareprodukten, also Raubkopien, veröffentlicht. Die Länderliste basiert auf weltweit aggregierten Compliance Intelligence-Daten, die Softwareanbieter dabei unterstützen soll, die unlizenzierte Nutzung ihrer Anwendungen aufzudecken und entsprechende Enforcement-Strategien einzuleiten.

Zu den Top 10 der Länder mit den meisten Verstößen zählen alte Bekannte wie China, Russland und Indien, aber auch die USA, Frankreich und Italien. Deutschland schafft es auf einen unrühmlichen 5. Platz. Hier die komplette Liste (Stand Februar 2022):

  • China
  • Russland
  • USA
  • Indien
  • Deutschland
  • Brasilien
  • Ukraine
  • Frankreich
  • Mexiko
  • Italien
  • Vietnam
  • Taiwan
  • Iran
  • Türkei
  • Südkorea
  • Großbritannien
  • Indonesien
  • Peru
  • Polen

Der Branchenverband Business Software Alliance (BSA) geht davon aus, dass es sich bei 37% der auf Rechnern in Unternehmen weltweit installierten Software entweder um Raubkopien oder Anwendungen aus nicht autorisierten Vertriebskanälen handelt. Der dadurch verursachte wirtschaftliche Schaden wird auf insgesamt 46,3 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Enforcement-Strategien ändern sich

Die Explosion an illegalen Marktplätzen im Darknet sowie länderspezifische Schutz- bzw. IP-Gesetze machen es schwierig gegen die illegale Nutzung vorzugehen. Juristische Schritte und Takedown-Verfahren sind kostspielig und verlangen viel Geduld. Mehr und mehr Anbieter versuchen daher verstärkt, die Umsatzverluste in Gewinne umzuwandeln und Software-Piraten zu zahlenden Kunden zu machen. Neue Modelle bei der Bereitstellung und Monetarisierung von Software (SaaS & Abo) unterstützen diesen Trend. Nach Schätzungen von Revenera könnten Anbieter auf diesem Weg Lizenzeinnahmen in Höhe von 19,8 Milliarden US-Dollar „zurückholen“ – das sind sogar 13% mehr als noch im vergangenen Jahr.

Westliche Länder: 16 Mrd. Dollar an Umsatz möglich

Ob diese Sales-Strategie glückt, hängt vom jeweiligen Land und dort geltenden IP-Gesetzen ab. So zeigen entsprechende Vertriebs- und Marketinginitiativen in Nordamerika und in Westeuropa eine hohe Erfolgsquote. Hier ist das Potential der nicht-konformen Softwarenutzung mit 15,8 Milliarden US-Dollar zudem besonders hoch.

Indien: Brief-Mailings und Telemetrie-Daten

Aber auch in Länder wie Indien verzeichnen Anbietern über die letzten zehn Jahre hinweg positive Ergebnisse. Briefkampagnen gehören dabei zu den wirksamsten Methoden, um illegalen Softwarenutzern ins Gewissen zu reden. Seit Beginn der COVID-Pandemie kommt es vermehrt zu außergerichtlichen Schlichtungsverfahren. Telemetrie-Nutzungsdaten spielen dabei laut Shantanu Sahay, Partner bei Anand & Anand in Delhi, eine wichtige Rolle. „Die Daten dokumentieren und belegen den Missbrauch im Detail. Vor Gericht helfen sie Unternehmen einstweilige Verfügungen zu erwirken und so entsprechend Druck aufzubauen. In der Regel öffnet das die Tür für weitere Verhandlungen.“

China: Erfolgsquote vor Gericht bei über 85%

Selbst in China, das die Liste der Softwarepiraterie-Hotspots wiederholt anführt, konnten ausländische Softwareanbieter in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden durchaus Erfolge im Kampf gegen Softwarepiraterie erzielen. „Trotz des chinesischen Gesetzes zum Schutz persönlicher Daten (PIPL) liegt die Gewinnquote vor Gericht bei mittlerweile 85,3%. Große Unternehmen wie Microsoft, Siemens, Autodesk oder Adesso können sogar 100% ihrer Fälle für sich verbuchen“, erklärt Chris Bailey, Principal bei Rouse Consultancy in Shanghai. „In den letzten Jahren sind nicht nur die Schadensersatzzahlungen nach oben gegangen. Die Gerichte und der Supreme Court gehen auch strenger gegen Unternehmen vor, die das Ermittlungsverfahren behindern.“

Die Vorlage von Softwarenutzungsdaten ist dabei entscheidend. „Die Gerichte in China mögen keine langwierigen Verfahren und streben vor allem Vergleiche an. Daher ist es wichtig, vorbereitet zu sein und Telemetriedaten sowie Sachverständige oder Bewertungsinstitute zur Hand zu haben,“ so Landy Jiang, Partner bei Lusheng Law Firm in Beijing. „Wer als Unternehmen von Beginn an auf die Durchsetzung seiner Compliance-Richtlinien besteht und für eine Null-Toleranz-Philosophie bekannt ist, fährt langfristig besser. Dabei sollten Anbieter jedoch nicht vergessen, die Möglichkeit für Verhandlungen bis zuletzt offen zu halten. Die meisten Fälle können so beigelegt werden, ehe es überhaupt zur Gerichtsverhandlung kommt.“

Sonderfall Russland: Nachfrage nach Raubkopien auf Höchststand

Russland nimmt angesichts der angespannten politischen Lage in diesem Jahr eine Sonderstellung beim Thema Softwarepiraterie ein. Im März reagierte die russische Regierung auf die scharfen Sanktionen der EU und der USA und kündigte in einem Planungsdokument an, das Urheberrechts- und Copyright-Gesetz in Bezug auf ausländischer Software auszusetzen. Wie die russische Zeitung Kommersant berichtet, hat die Nachfrage nach Enterprise-Software seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine einen neuen Höchststand erreicht.

Ein Beispiel ist Microsoft: Nachdem der Softwareanbieter im März den Verkauf von Produkt-Lizenzen in Russland gestoppt hat, sind die Internet-Suchanfragen nach Microsoft-Raubkopien um 250% gestiegen. Bei der Office-Anwendung Excel hat sich das Suchvolumen sogar versechsfacht.

„Anbietern von Enterprise-Software sind in dieser Hinsicht die Hände gebunden. Aufgrund der momentanen Lage und der Sanktionen, ist es schwierig bis unmöglich, Verstößen nachzugehen und die unlizenzierte Nutzung von Software zu Geld zu machen“, erklärt Nicole Segerer, VP of Product Management & Marketing bei Revenera.

„Grundsätzlich gilt jedoch: Je mehr Daten über Verstöße vorliegen, desto besser. Compliance Intelligence in Verbindung mit Software Usage Analytics wird zur treibenden Kraft – egal für welche Enforcement-Strategien sich Anbieter letztendlich entscheiden. Sie können die Daten als Beweis vor Gericht nutzen, ihren Kopierschutz gezielt verstärken oder die Informationen für das Up- und Cross-Selling heranziehen.“

ZDNet.de Redaktion

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