Die letzten Jahre waren für das Baugewerbe eine große Herausforderung, weil die schlechte und unzuverlässige Versorgungslage den Sektor erheblich unter Druck gesetzt hat. Diese Situation wird aktuell durch die steigende Inflation und die globale Lebenshaltungskostenkrise noch verschärft. Andererseits ist die Nachfrage nach Neubauten in vielen Sektoren, insbesondere bei Rechenzentren, ungebrochen, und die Bauindustrie muss kreative Lösungen finden, um diese Situation zu bewältigen.
Die aktuellste Umfrage von Business Critical Solutions (BCS) unter mehr als 3.000 Entscheidern aus dem Bausektor ergibt ein uneinheitliches Bild. Einerseits äußerten viele der Befragten erhebliche Zukunftssorgen, andererseits gehen rund 88 % der Projektentwickler und Investoren davon aus, dass sie in den nächsten 12 Monaten mehr Rechenzentrumsfläche besitzen oder finanzieren werden. Diese Erwartung wiederum steht im Gegensatz mit ihrer Einschätzung, dass das vergangene Jahr das schwierigste Jahr aller Zeiten bei der Beschaffung von Rohstoffen war. Darüber hinaus hat sich die Beschaffung von Fertigprodukten wie Beton und Zement, Stahl, Fassadenverkleidung und Trockenbauelementen als schwieriger erwiesen, weil die Lagerbestände aufgebraucht sind und die Preise unter der Inflation leiden.
Ein erheblicher Teil der Befragten berichtete auch über Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Komponenten für die Ausstattung ihrer Anlagen. Im vergangenen Jahr gab es eine deutliche Zunahme der Probleme bei allen mechanischen und technischen Ausrüstungen, insbesondere bei Generatoren, Batterien, Transformatoren, Verteilungsinfrastruktur und Klimaanlagen.
„Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Situation kurz- bis mittelfristig ändert. Sie könnte sich im Gegenteil noch verschlechtern. Einerseits muss ernsthaft erwogen werden, bestimmte Bauprojekte aufzuschieben“, betont Chris Coward, Head of Project Management bei Business Critical Solutions (BCS).
Andererseits muss die Branche Wege finden, die Probleme zu entschärfen. In der Baubranche ist man bereits an die Notwendigkeit einer vorausschauenden Planung und einer zeitlichen Staffelung gewöhnt. Dieses Vorgehen muss unter den aktuellen Umständen allerdings auf ein komplett neues Niveau gehoben werden. So gilt es, bereits jetzt Aufträge für künftige Phasen einer Entwicklung zu erteilen. Selbst, wenn die Arbeiten erst in einiger Zeit geplant sind, sollten zentrale Elemente schon lange im Voraus geplant werden, um die Lieferung und den Preis zu sichern und auch den Lieferanten mehr Sicherheit zu geben.
Wie bei der Verknappung von Baumaterialien haben auch die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen zu einem Preisanstieg auf breiter Front geführt. Mehr als doppelt so viele Unternehmen wie im Vorjahr haben in diesem Jahr einen solchen Preisanstieg erlebt. Bei den Komponenten für Sicherheitssysteme sind es sogar fast viermal so viele Unternehmen wie ein Jahr zuvor, 36 % gegenüber etwa 9 %. Zudem sind die Kosten für stahlhaltige Produkte um bis zu 33 % gestiegen. In den kommenden Monaten ist mit weiteren Kostensteigerungen zu rechnen. Aufgrund der gewachsenen Nachfrage haben sich sogar die Kosten für gemietetes Material auf der Baustelle um bis zu 20 % erhöht.
Der Kostenanstieg an sich ist nicht das größte Problem. Vielmehr ist die Geschwindigkeit des Anstiegs besorgniserregend. Im Mai gab es für wichtige Komponenten wie Transformatoren Preisgarantien für lediglich zwei Wochen. Früher galten solche Garantien vier und in einigen Fällen sogar acht Wochen. Einige Anbieter garantieren ihre Preise nur noch für sieben Tage, und die Kosten für einige Materialien wie Eisenerz, Nickel und Kupfer steigen fast täglich. Diese Entwicklung erhöht den Druck auf Projektentwickler und Unternehmen, Kosten und Projektphasen schnell zu genehmigen, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Kosten aus dem Ruder laufen oder sich die Arbeiten verzögern.
Zugegebenermaßen hat eine vorausschauende Planung Nachteile, weil sie Auftraggeber früher an eine bestimmte Lösung bindet. Gerade in einer schnelllebigen Branche besteht die Gefahr, dass die Projektflexibilität begrenzt wird und Auftraggeber künftige Innovationen und neue Technologien verpassen. Dies kann die Attraktivität eines neuen Rechenzentrums einschränken. Die gute Nachricht lautet, dass durch den Aufbau starker Beziehungen mit Partnern innerhalb der Lieferkette Vorauszahlungen auf die benötigten Rohstoffe beschränkt werden können, wodurch diese Preise festgelegt werden.
Die Gesamtlage wird komplizierter, wenn es mehrere Genehmigungsebenen gibt. Diese beginnen in der Regel mit dem technischen Team, das sich natürlich auf die beste Lösung konzentriert, und geht dann weiter zu Beschaffung, deren Aufgabe es ist, den besten Preis zu erzielen. Als Nächstes kommt der Bauleiter mit der Gesamtverantwortung für das Projekt, der nicht nur die beste technische Option zum besten Preis sucht, sondern auch die Risiken und Vorteile abwägt. Bei einigen multinationalen Unternehmen kann es eine weitere Ebene in der Unternehmenszentrale geben – und aufgrund der oben besprochenen kurzen Preisgarantien darf der ganze Prozess nur rund zwei Wochen in Anspruch nehmen. Damit das funktionieren kann, sind intensive Zusammenarbeit und Kommunikation erforderlich.
Es wird auch immer wichtiger, alle Beteiligten im Vorfeld einzubinden und sowohl die Belastungen als auch die Ziele der betroffenen Personen genau zu kennen. Haben sie Urlaub gebucht oder sind sie auf Reisen? Kleine Details können in diesen ungewöhnlichen Zeiten einen großen Unterschied machen.
Die Studie bestätigt, dass der Kostendruck die Branche weiterhin belasten wird. Rund 84 % der Befragten erwarten für das kommende Jahr eine anhaltende Inflation. Nur 1 % rechnet nicht mit einem weiteren Anstieg. Wenn die meisten Anbieter mit einer Inflation der Grundkosten für Rechenzentren rechnen, werden diese Erhöhungen wahrscheinlich auch an den Endnutzer weitergegeben.
Die Erfolge der Rechenzentrumsbranche während der Pandemie haben die Lieferketten zu einem Zeitpunkt weiter unter Spannung gesetzt, an dem dies am wenigsten opportun war. Die Branche wird von Innovation und kurzen Projektzeiten bestimmt. Darum sind Rechenzentrumsprojekte mit längeren Vorlaufzeiten und vielen Unsicherheiten nur schwer zu akzeptieren.
Weil die Nachfrage nach Rechenzentrumskapazität weiter steigt, ist eine Verschiebung von Projekten zumeist keine Option. Es ist daher angeraten, frühzeitig mit der Beschaffung zu beginnen und sich nicht auf einen einzigen Anbieter zu beschränken, sondern alle Optionen im Markt zu nutzen. Projektleiter sollten auch die Möglichkeit prüfen, alternative Produkte zu verwenden, die einfacher zu beschaffen sind.
In manchen Fällen ist die Aufrüstung oder Renovierung bestehender Rechenzentren eine kurz- bis mittelfristige Alternative. So bestehen Möglichkeiten, in älteren Einrichtungen einzelne Schwachstellen zu identifizieren und zu beseitigen sowie das Potenzial, bestehende Systeme mit umweltfreundlicheren Lösungen aufzurüsten. So setzt beispielsweise eine einfache Aufrüstung und Erneuerung kritischer Infrastrukturen Stromkapazitäten frei, die dann für eine höhere System-Dichte und wachsende IT-Lasten eingesetzt werden können, z. B. durch den Austausch von USV-Anlagen oder die Änderung von Kühlungslösungen.
„Es kann helfen, Beratungsunternehmen wie BCS zu engagieren, die auf die Entwicklung von Rechenzentren spezialisiert sind. Diese verfügen über Echtzeit-Marktdaten von Projekten auf der ganzen Welt und bieten oft Lösungen, die außerhalb des Horizonts eines Rechenzentrumsbetreibers liegen. Die Zusammenarbeit mit einem Spezialisten trägt wesentlich dazu bei, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen und sicherzustellen, dass der Rechenzentrumssektor weiterhin in der Lage ist, die wachsende Nachfrage zu befriedigen“ erklärt Coward.
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