Entwicklerzufriedenheit mangelhaft

Entwickler stehen im Mittelpunkt der digitalen Transformation, ihre Arbeit wird aber häufig gering geschätzt. Die Frage lautet: Wie lassen sich Unzufriedenheit und hohe Fluktuation bei Entwicklern in Zeiten des anhaltenden Fachkräftemangels vermeiden? OutSystems hat im Rahmen seiner neuen Studie „Developer Engagement Report: Sind Ihre Entwickler zufrieden oder auf dem Absprung?“ die Zufriedenheit von Entwicklern im weltweiten Kontext untersucht.

Im Zentrum dabei standen die Faktoren, die Entwickler dazu motivieren, ihrem Arbeitgeber treu zu bleiben, sowie die negativen Bedingungen, die zu einem Jobwechsel beitragen können. Das Fazit: Während Entwickler generell ihren Beruf lieben, ist es nicht selten das konkrete Tagesgeschäft, das die Fachkräfte frustriert und deren ohnehin hohe Wechselbereitschaft weiter nährt. Die Ergebnisse der Studie basieren auf Antworten von 860 Entwicklern aus verschiedensten Ländern und Branchen.

„Wirft man einen Blick auf den derzeitigen Arbeitsmarkt, stellt man fest, dass weltweit mehr als eine Million qualifizierter Entwickler fehlen[1]“, erklärt Christoph Volkmer, Regional Vice President EMEA Central von OutSystems. „Entsprechend können IT-Verantwortliche die Herausforderungen, die durch den kaum zu bewältigenden Bedarf an leistungsfähiger und hochwertiger Software entstehen, nicht mehr allein durch Neueinstellungen lösen. Es bedarf Technologien, die Ressourcen optimieren, die Arbeitsbelastung verringern und die Produktivität der Entwickler steigern, um Frustrationen im Tagesgeschäft zu vermeiden und qualifizierte Fachkräfte langfristig im Unternehmen zu halten. Denn in Zeiten des chronischen Entwicklermangels ist der bessere Job oft nur einen Anruf entfernt.“

Die Ergebnisse des OutSystems-Reports geben IT-Teams und C-Level-Führungskräften in diesem Zusammenhang empirische Einsichten, wie Unternehmen talentierte Entwickler im immer härter werdenden Wettbewerb halten bzw. neue Fachkräfte anwerben können. Zu den zentralen Ergebnissen gehören:

  • Entwickler lieben ihren Beruf, sind mit dem Tagesgeschäft aber weniger zufrieden: Weltweit geben 64% der Befragten an, ihren Beruf zu „lieben“. Doch nur 46% sind mit dem Tagesgeschäft sehr zufrieden. In Deutschland stehen Entwickler ihrem Beruf mit ebenfalls 64% genauso positiv gegenüber. Die Zufriedenheit mit den täglichen Aufgaben fällt mit 43% jedoch geringer aus.
  • Jeder Zweite informiert sich zu anderen Jobs: Während im globalen Kontext nur 39% der Befragten angaben, kürzlich nach neuen Jobangeboten Ausschau gehalten, sich dann aber wieder umentschieden zu haben, sind es unter den deutschen Entwicklern 50%. 39% der Befragten aus Deutschland stimmen sogar der Aussage „Ich denke ernsthaft darüber nach, meinen Arbeitgeber zu wechseln“ zu. Im weltweiten Durchschnitt beträgt der Wert nur 31%.
  • Die Mitarbeiterbindung ist eine Herausforderung: Weltweit geht nicht einmal ein Drittel der Entwickler (29%) davon aus, in zwei Jahren definitiv noch beim aktuellen Unternehmen zu arbeiten. Entwickler in Deutschland sind trotz überdurchschnittlich hoher Sondierungsrate neuer Jobangebote beim tatsächlichen Wechsel des Arbeitgebers ein wenig zögerlicher: 38% gaben an, dass sie davon ausgehen, in zwei Jahren definitiv noch in ihrem aktuellen Unternehmen zu arbeiten.

Was deutsche Entwickler lieben – und was nicht

Umso entscheidender für IT-Verantwortliche ist daher die Frage, welche Aspekte ihrer Arbeit Entwickler in Deutschland bereits heute schätzen und in welchen Bereichen Nachholbedarf besteht, um die Bindung ihrer Mitarbeiter an das jeweilige Unternehmen zu erhöhen. Hierzu ergab die Befragung folgende Ergebnisse:

  • Entwickler in Deutschland schätzen ihre Freiräume: Während im globalen Kontext nur 42% der Entwickler angaben, „sehr zufrieden“ mit ihrer Autonomie bzw. Unabhängigkeit zu sein, waren es unter den deutschen Entwicklern 56%.
  • Deutsche Entwickler sind zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance: Deutsche Entwickler sind insgesamt deutlich zufriedener mit ihrer Work-Life-Balance als ihre europäischen Kollegen. Während 63% der EU-Befragten angaben, eine bessere Work-Life-Balance zu benötigen, meinten dies nur 48% der deutschen Entwickler.
  • Deutsche Entwickler sind überdurchschnittlich gut ausgestattet: Zwei Drittel (63%) der deutschen Entwickler sind mit der Qualität der ihnen zur Verfügung stehenden Tools und Technologien sehr zufrieden. Im weltweiten Vergleich ist dies nicht einmal jeder Zweite (44%).
  • Unzufriedenheit mit der Art der entwickelten Anwendungen: In Deutschland sind nur 30% der Entwickler mit den Applikationsarten sehr zufrieden, die sie entwickeln. Im europäischen Vergleich sind es hingegen 43%.
  • Deutsche wären gerne produktiver: Was die Zufriedenheit mit der eigenen Produktivität betrifft, sind deutsche Entwickler mit 39% europäisches Schlusslicht. Im EU-Durchschnitt beträgt der Wert 51%.
  • Innerhalb der Teams hapert es am Austausch: Während europaweit 53% der befragten Entwickler mit der Kommunikation und dem Informationsaustausch innerhalb ihrer Teams zufrieden sind, sind es in Deutschland nur 45%.

Eine Frage der Demographie: Deutsche Entwickler sind erfahren, aber durchschnittlich älter

Verglichen mit den internationalen Studienergebnissen, ergeben die Befunde für Deutschland auf den ersten Blick ein durchaus gemischtes Bild. Vor allem die positiven Zufriedenheitswerte spiegeln zwar die momentane Situation in Deutschland sehr gut wider, sind jedoch aufgrund des hierzulande viel schnelleren und spürbareren demographischen Wandels schon mittelfristig nicht mehr gesichert, was die Unternehmen in Deutschland unter einen besonders hohen Anpassungsdruck setzt. Dieser hängt auch mit der Ausbildungs- und Altersstruktur der Entwickler zusammen.

Im globalen Vergleich zeichnen sich deutsche Entwickler durch ihre gute Ausbildung und hohe Erfahrung aus: Mehr als zwei Drittel (69%) der befragten Entwickler verfügen mindestens über einen Masterabschluss, während dies weltweit nur für gut die Hälfte (52%) zutrifft. Zudem finden sich unter den deutschen Entwicklern weniger Quereinsteiger: 51% verfügen über einen Abschluss in den Bereichen Computer Science oder Computer Engineering, im internationalen Kontext sind dies hingegen nur 29%. Vielmehr ist in Deutschland über die Hälfte der Befragten (57%) bereits seit mehr als zehn Jahren in der Softwareentwicklung tätig (weltweit: 34%).

Dieses Mehr an Erfahrung schlägt sich jedoch auch in der Altersstruktur der deutschen Entwickler nieder: Beinahe die Hälfte der Entwickler fällt in die Altersgruppe der Babyboomer (Jahrgänge 1946-1964) oder Generation X (Jahrgänge 1965-1980), weltweit sind dies nur 35%. Gerade angesichts des demographischen Wandels ergibt sich damit für deutsche Unternehmen ein besonderer Druck: Mehr und mehr Entwickler werden ihre Arbeitgeber in den kommenden Jahren durch den Wechsel in den Ruhestand verlassen. Es gilt daher umso dringender, Teams durch junge Entwickler zu verstärken, deren anders gelagerte Erwartungen zu erfüllen und sie dadurch langfristig an das Unternehmen zu binden.

Zufriedenheitsfaktor Low-Code

Eine entscheidende Rolle können dabei auch die eingesetzten Entwicklungstools spielen. Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Low-Code als optimierter Entwicklungstechnik stellt der Report beispielsweise Entwickler, die mit Low-Code arbeiten, der übrigen Entwickler-Community gegenüber. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Low-Code-Nutzer – von denen die meisten jedoch auch traditionelle Programmiersprachen verwenden – durch eine höhere Zufriedenheit mit ihrer Arbeitsbelastung, Arbeitszeit und ihren Karrierechancen auszeichnen:

  • Mehr als die Hälfte der Low-Code-Entwickler sind sowohl mit der Produktivität ihrer Teams (59%) als auch mit der Qualität der ihnen zur Verfügung stehenden Tools „sehr zufrieden“ (57%). Bei den Nutzern von traditionellem Code trifft dies bezüglich der Teamproduktivität (41%) und Entwicklertools (36%) dagegen auf weniger als die Hälfte zu.
  • Mehr als 71% der Low-Code-Nutzer gaben an, dass sie die typische 40-Stunden-Woche einhalten können, verglichen mit nur 44% der traditionellen Entwickler. Außerdem gaben 63% der Low-Code-Entwickler an, dass sie mit ihrem Gehalt und den betrieblichen Zusatzleistungen zufrieden sind. Unter den traditionellen Entwicklern sind dies lediglich 40%.
  • Low-Code-Entwickler wurden in ihrem aktuellen Unternehmen durchschnittlich 3,5-mal befördert, traditionelle Entwickler dagegen nur zweimal.

Fazit: Was deutsche Unternehmen von Portugal lernen können

Wie nachhaltige Entwicklerbindung in der Praxis gelingen kann und welche Voraussetzungen hierfür geschaffen werden sollten, kann auch ein Blick auf unsere europäischen Nachbarn Portugal zeigen: Im derzeit viel gehypten „Tech-Hub“ Europas erhalten Entwickler besondere Wertschätzung durch Gehalt und Benefits: 62% der Entwickler sind dort mit ihrem Gehalt sehr zufrieden (EU-Durchschnitt: 52%, Deutschland: 52%); auch der New-Work-Gedanke wird dort zelebriert: 70% der portugiesischen Entwickler sind sehr zufrieden mit den Möglichkeiten des mobilen Arbeitens (EU-Durchschnitt: 48%, Deutschland: 45%).

„Möglich ist dieses Florieren der Tech-Landschaft unter anderem deshalb, da die Förderung der Branche in Portugal als strategisches Projekt begriffen wird, das die Regierung mit staatlichen Förderungen und bildungsrelevanten Initiativen stark unterstützt“, erklärt Christoph Volkmer.

„So werden beispielweise Entwicklungsmethoden wie Low-Code an Fachhochschulen oder Universitäten gelehrt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und auch Quereinsteigern den Weg in die IT-Branche zu erleichtern. Eine solche ganzheitliche Herangehensweise könnte auch hierzulande entscheidend dazu beitragen, den demographischen Herausforderungen entgegenzutreten und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen in unserer digitalisierten Welt langfristig zu sichern.“

Weitere Informationen und Methodik

Der vollständige Report zum Entwickler-Engagement ist hier erhältlich. Neben den Detailergebnissen der Befragung beinhaltet er auch eine Zusammenfassung der Erkenntnisse, die CIOs, IT-Manager und Führungskräfte dabei unterstützen können, Trends im Bereich Entwickler-Engagement nachzuvollziehen und die Zufriedenheit ihrer Entwickler zu steigern.

Die Ergebnisse des Reports „Developer Engagement: Sind Ihre Entwickler zufrieden oder auf dem Absprung?“ basieren auf einer Umfrage durch die Evans Data Corp unter 860 Entwicklern, die in Voll- oder Teilzeit arbeiten. Die befragten Entwickler stammen aus verschiedensten Branchen und Regionen, darunter EMEA (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Portugal, Niederlande), Amerika (Vereinigte Staaten, Mexiko, Brasilien) und APAC (Singapur, Indien und Australien).

ZDNet.de Redaktion

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