Es gibt wohl nur wenige Berufe, die so vielfältig sind, wie die eines Polizisten. Selbst, wenn man sich nur auf die typischen uniformierten Schutzpolizisten (oder „SchuPos“) fokussiert, so ist von der Party-bedingten Ruhestörung bis zum Erstzugang bei Amoklagen eine extreme Bandbreite von höchst unterschiedlichen Aufgaben vertreten.
Ungleich zu anderen Ländern werden deutsche Polizisten deshalb sehr umfassend und langwierig geschult. Schon im mittleren Dienst dauert es 30 Monate, bis man auf die Straße darf. Im gehobenen Dienst sprechen wir sogar von 45 Monaten samt Bachelor-Studium mit dem Abschluss „Bachelor of Arts – Polizeivollzugsdienst/Police Service“.
Allerdings ist eine zeitgenössische Ausbildung nur ein Teil der Anforderung. Der andere: Die Beamten benötigen Ausrüstung auf zeitgenössischem Stand. Das umfasst vom Spezialgürtel für Dienstwaffenholster über moderne Kommunikationsmittel verschiedene Positionen – darunter eben auch Digitaltechnik.
Doch wo die deutsche Polizeiausbildung weltweit führend ist, blicken so manche hiesige Kriminalitätsbekämpfer in digitalen Belangen sehnsüchtig über die Grenze. Fraglos sind die deutschen Polizeien sicherlich nicht digital abgeschlagen. Aber ähnlich, wie an anderen Stellen der deutschen Digitalisierung so fehlt es hier ebenfalls oftmals an der Einsicht für Notwendigkeiten – besonders von oben.
Manche Leser dieser Zeilen haben vielleicht eher geringe Kenntnisse vom Polizeiberuf und fragen sich, wozu Digitaltechnik außerhalb der Bekämpfung von Cybercrime überhaupt nötig ist. Die kurze Antwort: Weil Digitalisierung diesen Lebensbereich ebenfalls beschleunigt und flexibler macht.
Bleiben wir bei den erwähnten SchuPos:
– Das Fotografieren eines Tatortes inklusive der Erstellung von diesbezüglichen Akten und einem Kartografieren oder Vermessen des Areals.
– Die Abfrage von Kennzeichen, Führerschein- oder Personalausweisinformationen.
– Die raschestmögliche Navigation zum Einsatzort – oder alternativ ein schnelles Bereitstellen von Gebäudegrundrissen bei besonderen Lagen.
– Die Option, möglichst flexibel und ad hoc über Funk Gruppen bilden zu können, um eine bruchlose Kommunikationskette zu gewährleisten.
– Das Bewältigen der Aktenarbeit, die noch für den geringsten Fall zu erledigen ist.
– Die möglichst schnelle, originalgetreue Übermittlung von Informationen an andere Polizisten, Behörden, Staatsanwälte etc.
Das heißt, selbst wenn das Thema Cybercrime völlig ausgeklammert wird, dann ist eine umfassende polizeiliche Digitalisierung notwendig, um alle anderen Aufgaben schlichtweg „besser“ durchführen zu können.
Aufmerksame haben vielleicht bemerkt, dass wir stets von Polizeien im Plural sprechen – kein Fehler. Denn aufgrund seiner föderalen Struktur unterscheidet Deutschland zwei Arten von Polizeien:
– Bundespolizeien: Konkret das Bundeskriminalamt sowie die Bundespolizei (Ex-Bundesgrenzschutz). Letztere ist unter anderem für länderüberschreitende Aufgaben wie Grenzschutz oder Luftsicherheit verantwortlich.
– Landespolizeien: Davon gibt es 16 Stück. Die Gesamtheit aller Polizeibehörden eines jeweiligen Bundeslandes. Dazu die Landeskriminalämter.
Diese Aufteilung hat historische Gründe und bietet viele Vorteile. Allerdings ist sie ebenso dafür verantwortlich, dass wir sowohl bei positiven wie negativen Beispielen nicht von der Gesamtheit aller Länder sprechen können. Bis auf die Bundespolizeien obliegt unter anderem das Thema Polizeidigitalisierung den jeweiligen Innenministerien.
Heißt, sofern sich beispielsweise nicht die Innenministerkonferenz auf gemeinsame Richtlinien einigt, können die Länder bei Ausrüstung und Beschaffung sehr frei agieren. Unter dieser Prämisse sind deshalb die folgenden Beispiele mit etwas Vorsicht zu genießen, da sie teils (noch) nicht bei allen Polizeien genutzt werden.
In der täglichen Polizeiarbeit gibt es ein riesiges Nutzungspotenzial für typische Messenger. Allerdings ist die Nutzung kommerzieller Programme aus verschiedenen Gründen keine dauerhafte Option – obwohl sie im polizeilichen Alltag mangels Alternativen oftmals eine Realität ist
Schon seit einigen Jahren existiert hierfür das „SE-Netz“, entwickelt vom Fraunhofer Institut. Zunächst nur als Einsatzführungs- und Kommunikationssystem für Spezialeinheiten gedacht, beschloss die Innenministerkonferenz 2018, diesen SE-Stand unter BKA-Federführung bundeseinheitlich zu machen – als EKUS oder Einsatzkommunikations- und Unterstützungssystem. Aktuell arbeitet zudem die sächsische Polizei daran, das bislang nur von Spezialeinheiten genutzte Tool zu einem Programm für den regulären Dienst zu machen.
Allerdings handelt es sich dabei nicht „nur“ um einen eigens entwickelten Messenger. EKUS ist eine Kombination aus Messenger, Karten-App, Befehlsstelle und Einsatzdatenspeicher – ein umfangreiches, aber eben sehr leistungsfähiges Tool.
Kein Krimi, nicht einmal der diesbezüglich eher wenig übertriebene „Tatort“ zeigt, welchen immensen Anteil Akten an der alltäglichen Polizeiarbeit haben. Denn wirklich alles muss minutiös festgehalten werden.
Noch bis in dieses Jahrtausend waren Schreibmaschinen deshalb ein fester Bestandteil vieler Dienststellen. Selbst mit einziehender Digitalisierung wurde typischerweise ein „wilder Mix“ aus unterschiedlichen Programmen genutzt – mit entsprechenden Schwierigkeiten.
Die Herausforderung besteht hier in der Existenz sowohl von Vorgangs- als auch Fallbearbeitung. Idealerweise lässt sich das alles auf einer Plattform bearbeiten und austauschen. Hier kommt die PDV-GmbH ins Spiel. Das Unternehmen hat eine eigene ECM-Plattform namens „VIS-Suite“ entwickelt. Als „VIS-Justiz“ wurde das abgewandelte System schon als elektronische Strafakte von Polizei und Justiz in Ulm erprobt. Ebenfalls auf der Suite basierend existiert zudem eine andere Variante in Form von „VIS-Polizei“. Dieses Tool bietet sowohl für Ermittlungs- Kriminal- und Verwaltungsakte eine Plattform – was insbesondere die innerbehördliche Zusammenarbeit stark erleichtert.
„POLizeiAuskunftsSystem“ nennt sich ein mittlerweile seit 24 Jahren im Dienst befindliches Werkzeug, um digitale Fahndungen zu ermöglichen. Vorstellen kann man es sich wie ein polizeiinternes Intranet, auf dem sich verschiedene Daten abfragen lassen.
Wenn beispielsweise eine Polizeistreife ein Kennzeichen abfragt, dann lässt sich darüber sofort herausfinden, ob das Fahrzeug/Kennzeichen als gestohlen gemeldet wurde. Allerdings: Da die Ausstattung von Streifenwagen mit Computer eher „dürftig“ ist, läuft es in der Praxis häufig auf eine Anfrage per Funk hinaus, die dann von einem auf der Wache am PC sitzenden Kollegen durchgeführt und kommuniziert wird.
Wann dürfen, sollen, müssen Polizisten Videoaufnahmen anfertigen? Im sehr datenschutzbesorgten Deutschland gibt es darüber eine bereits seit langer Zeit laufende Debatte, die sich allerdings derzeit dem Ende entgegenneigt. Denn immer mehr Polizisten tragen im Dienst vorn an der Weste Kameras – oder im Beamtendeutsch „körpernah getragene Aufnahmegeräte“.
Kritik daran gibt es naturgemäß reichlich. So sollen die Kameras nur selten polizeiliches Fehlverhalten zeigen, dafür jedoch das Machtgefälle zu Bürgern verschärfen. Für viele Beamten zählt jedoch vor allem eines: Bereits die Existenz der Kamera wirkt oftmals aggressionshemmend auf Verdächtige und macht dadurch schärfere Maßnahmen überflüssig. Aus diesem Grund werden derzeit ebenso immer mehr Feuerwehrleute und Rettungsdienstangehörige damit ausgestattet.
Ähnlich, wie Polizisten (eigentlich) keine Allerwelt-Apps nutzen sollten, verhält es sich mit denjenigen Geräten, auf denen sie laufen: Schon aus Datenschutzgründen (bezogen auf Fremdzugriffe) werden hier bessere Lösungen benötigt.
Unter anderem EKUS wird deshalb typischerweise auf speziell beschafften Dienst-Smartphones installiert. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise werden dafür Spezialversionen iPhone 8 genutzt.
Ähnliche Rollouts erfolgen derzeit in praktisch allen Polizeien – denn hier sind Smartphones ebenfalls Alleskönner, auf denen sich vom Tatortfoto bis zum Vernehmungsmitschnitt unzählige Aufgaben erledigen lassen.
Diese fünf Beispiele zeigen in Teilen eine durchaus positive digitalpolizeiliche Agenda, zudem muss hier die digitale Strategie „Polizei 20/20“ erwähnt werden. Die Schwierigkeit daran ist jedoch: Wir sind noch weit von einem Punkt entfernt, an dem jeder Beamte, wenigstens diejenigen auf der Straße, mit allen sinnvollen Mitteln versehen ist.
Wo es hakt, lässt sich am besten anhand eines Positionspapiers der Polizeigewerkschaft GdV zusammenfassen – es ist eine längere Liste. Darauf finden sich nicht nur Systeme für Big-Data-Analyse und Digitalforensik, sondern ebenso Forderungen nach mehr Digitalkompetenz in Aus- und Weiterbildung.
Warum es hakt, lässt sich hingegen grob folgendermaßen zusammenfassen:
1. Gerade bei einem so vielfältigen und schnelllebigen Thema wie Digitalisierung gerät das föderale Polizeisystem im Allgemeinen und das Beschaffungswesen im Besonderen an seine Grenzen. Vielfach dauert es viel zu lange, bis etwas entwickelt und beschafft wird – und dann ist es häufig nicht mit den Systemen in anderen Bundesländern kompatibel. Ausnahmen wie der TETRA-Digitalfunk bestätigen diese Regel.
2. Die deutsche Politik ist vielfach generell nicht gerade digitalaffin. Diese Denkweise setzt sich in die Polizeiarbeit fort. Entsprechend wird vieles, was Polizeiarbeit auf digitalem Weg verbessern könnte, als überflüssig, luxuriös oder nachrangig angesehen.
3. Ebenfalls in der Politik mangelt es oft am Verständnis für die Kosten. Eine Schreibmaschine kann man problemlos über Jahrzehnte nutzen. Digitaltechnik ist jedoch ungleich kurzlebiger und verursacht dadurch naturgemäß höhere Kosten. In Zeiten klammer Kassen herrscht deshalb in vielen Landesinnenministerien der Wunsch vor, möglichst nur die kostengünstigsten Minimallösungen zu gestatten.
Das heißt: Einmal mehr hängt es vor allem am „Dienstherrn“. Allerdings wäre es unfair, der Politik alle Schuld zu geben. Eine Digitalisierung der Polizei mit Zugriff auf so viele Informationen weist definitiv eigene Risiken auf – sowohl in Sachen Datenschutz als auch Sicherheit gegen Fremdzugriffe.
Die deutschen Polizeien mögen vielleicht nicht so hochdigitalisiert operieren wie etwa ihre Kollegen in den USA. Bedenkt man jedoch, dass der „Schutz der Bürger“ ebenso einen Schutz vor zu weitreichenden staatlichen Eingriffen bedeutet, ist es vielleicht nicht ganz so negativ, wenn Deutschlands Politiker das Thema mit etwas mehr Vorsicht angehen.
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