Der Werkzeugmaschinenhersteller mit Stammsitz in Waldmössingen im Schwarzwald ist Weltmarktführer im Bereich der mehrspindligen Bearbeitungszentren für die Zerspanung von Materialien aller Art. Als Systemlieferant erstellt SW ganze Fertigungssysteme, auf denen zum Beispiel Komponenten und Baugruppen für Automobil oder für Bau- und Landwirtschaftsmaschinen gefertigt werden. Auch bei Herstellern von Bauteilen für Brennstoffzellen, Medizintechnik oder Aerospace sind die SW-Produkte im Einsatz. Ein besonderer Fokus liegt auf den Software-Lösungen des „life data Portfolios“, die auf Anlagen- und Prozessdaten basieren. Damit wird beispielsweise jeder Bearbeitungsschritt vorab analysiert, der komplette Materialfluss mit Montageschritten und weiteren Details virtuell simuliert und
optimiert. Auf diese Weise können bereits vor Produktionsbeginn die Kosten pro Werkstück errechnet werden. Auch das Thema Predictive Maintenance steht dabei im Vordergrund. Der Werkzeugmaschinenbauer hat sich das Thema „umfassende Digitalisierung” auf die Fahne geschrieben: Ein überdurchschnittlich großes Team von fast 30 Mitarbeitenden aus IT, Maschinenbau und weiteren Kompetenzen treibt diese Themen in einer eigenen
Digitalisierungsabteilung – Industrial Data Services – voran.
Inzwischen gibt es ein aufeinander aufbauendes SW-Digitalisierungs-Portfolio. Über ein IoT-Gateway (Industrie PC) werden die Daten der Maschine erfasst und über dieses in nachgelagerte Systeme transferiert. Diese Komponente ist besonders komplex, da sie sowohl die Datenerfassung, -verarbeitung als auch -weiterleitung übernimmt. Zu den nachgelagerten Systemen gehört unter anderem die SW CloudPlatform (SWCP). Die erfassten Daten können jedoch auch an bestehende Systeme der Kunden übertragen werden oder an die ebenfalls von IDS entwickelte, lokale
Kundenlösung – die SW ScadaPlatform (SWSP). Die SWSP dient zur Rückverfolgbarkeit von Werkstücken (Traceability) und Erfassung von Kennzahlen auf Linien-Basis. Dies ist insbesondere für Automobilzulieferer wichtig. Die Services lassen sich modular zusammensetzen. „Die digitalen Produkte werden von IDS basierend auf der langjährigen Erfahrung und in Abstimmung mit Kunden entwickelt und gegebenenfalls individuell angepasst oder erweitert.“, erklärt Sandra Schuster, Product Owner IoT-Gateway. Ziel sei bei allen Lösungen immer eine hohe Prozesssicherheit und -stabilität zu ermöglichen.
Bereits 2002 hatte das Unternehmen als einer der ersten Maschinenbauer damit begonnen, im Rahmen einer Cloud-Lösung stärker aus den Daten zu lernen, die im Betrieb der Produkte bei den Kunden aber auch schon in dereigenen Montage entstehen. Zunächst lief dies über eine Plattform bei einem externen Anbieter, die inzwischen auch im eigenen Haus gehostet wird. 2021 sahen sich die Experten bei SW deshalb von der Herausforderung, in vergleichsweise kurzer Zeit (bis Ende 2022) eine neue Basis für ihre digitalen Services zu schaffen. Seit 2020 wurde bereits Kontakt zu AWS aufgebaut. Im Sommer des nächsten Jahres fiel dann die Entscheidung, gemeinsam mit AllCloud als Partner das System in die AWS-Cloud zu migrieren.
Doch schon wenige Jahre später kündigte der Plattform-Anbieter an, seinen Service einzustellen.
In die gemeinsame Zusammenarbeit stieg man mit zwei Proof of Concepts (PoC) ein. Zunächst wurde geschaut, ob die Verwaltung der IoT-Gateways über entsprechende AWS-Services und -Komponenten möglich ist. Da die Kunden von SW weltweit verteilt sind, müssen Softwareupdates und -upgrades jederzeit von überall aus möglich sein, um Tätigkeiten Vorort zu umgehen. Um dies zu testen, wurde die bestehende Lösung auf Basis von AWS Greengrassnachgebaut – einem Open-Source Edge Runtime und Cloud-Service, der das Deployment intelligenter Device-Software ermöglicht. Der zweite PoC war eine Machbarkeitsstudie, die zeigte, dass die gesamte SW CloudPlatform (SWCP) und ihre Services auf AWS-Basis lauffähig sind.
Da SW Werkzeugmaschinen mit Siemens-, Bosch- und Fanuc-Steuerungen baut, ist die größte Herausforderung, mit jeweils unterschiedlichen Schnittstellen zu kommunizieren. „Um die Daten abzuholen, sind sehr spezifische Kenntnisse gefragt. So muss klar sein, ob der Parameter PLC- oder NC-seitig abzuholen ist und ob gegebenenfalls weitere Berechnungen in der Steuerung erforderlich sind. Es ist ein Pluspunkt, dass wir selbst Maschinenbau-Entwicklung und -Konstruktion im Haus haben.“, sagt Schuster.
Ein großes Thema ist auch, dass man die Use Cases verstehen muss und wie die Umsetzung erfolgt. Für branchenfremde Datenanalytik-Anbieter sei es deutlich schwerer zu definieren, welche Szenarien funktionieren und welche exakten Daten dafür notwendig sind. Da das Unternehmen schon seit zwanzig Jahren Daten sammelt und analysiert, ist der Vorsprung aber entsprechend groß.
„Die Performance von AllCloud war trotz des hohen Drucks top. In der kritischen Phase war die Zusammenarbeit mit ihnen sehr intensiv durch Dailies, spontane Meetings und Workshops. Die Projektleiter und Architekten haben einen sehr guten Job gemacht und waren immer für uns erreichbar, selbst spätabends“, lobt Clara Thiesen, Product Owner SWCP. Die Zusammenarbeit sei sehr vertrauensvoll gewesen und habe trotz des Zeitdrucks auch Spaß gemacht.
„Uns war wichtig, dass unser Cloud-Partner versteht, dass wir schon seit vier Jahren mit Cloud-nativen Anwendungen arbeiten und es nicht einfach nur um eine Migration geht. Zudem waren die AllCloud-Experten stark daran interessiert, die Anforderungen an die SW CloudPlatform im Maschinenbauumfeld zu verstehen.“, erzählt Konrad Grüner, Software-Architekt Industrial Data Services.
„Das Projekt wurde in knapp 1,5 Jahren in Time erfolgreich abgeschlossen. Um auch darüber hinaus vom Knowhow von AllCloud zu profitieren, wurde AllCloud Engage Professional gebucht.“, berichtet Sandra Schuster.
„Wir haben einen Großteil der ursprünglich in Java erstellten Anwendungen in Python neu entwickelt. Dafür wurde die Applikation von einer Microservice-basierten Architektur zu einer serverlosen Architektur umgebaut. Zur Orchestrierung der Infrastruktur wird Terraform eingesetzt und die Funktionalität wird mit Hilfe von AWS Lambdas (Cloud Functions) umgesetzt“, erklärt Konrad Grüner. AWS Lambda ist ein Service, der serverless und ereignisgesteuert automatisiert Code ausführt und die damit verbundenen Rechenressourcen verwaltet. Mit dem Open-Source-Werkzeug Terraform lässt sich Infrastructure as Code bereitstellen, also das Management von ITRessourcen stark automatisieren. Trotz des hohen Zeitdrucks setzte man auf Innovation und verabschiedete sich in vielen Punkten von der vorher genutzten Container-Technologie. „Durch das automatische Skalieren der ServerlessTechnologien werden nur die Ressourcen belegt – und in Rechnung gestellt –, die wir auch tatsächlich benötigen.
Serverless-Instanzen sind bedeutend genauer skalierbar als Container, das administrative Setup und somit auch der Betrieb werden so deutlich einfacher“, erläutert er weiter. Beim Serverless-Setup entfalle zudem vollständig die Notwendigkeit für das Aufsetzen von Load Balancern. Lambdas werden bei so gut wie allen Services eingesetzt, darunter bei Zeitreihen für die Datenanalyse (mit Amazon Timestream) und bei der Stammdatenverwaltung, wie User Management und Asset Management.
Die neue Lösung ist mächtiger, wodurch jedoch der zeitliche Aufwand zu Beginn auch größer war, meint Sandra Schuster. Es sei auch eine gute Entscheidung gewesen, am Migration Acceleration Program von AWS teilzunehmen.
„Wir sehen das Potenzial, dass wir mit AWS nun noch mehr Möglichkeiten haben als mit unserer alten Plattform. Die Zusammenarbeit ist konstruktiv und auf Augenhöhe: Beispielsweise können wir Anforderungen an AWS
herantragen, die auch AWS-Services wie Greengrass aufwerten. In der Weiterentwicklung können wir so auch gute, vermarktbare Lösungen für andere Branchen entstehen“, hebt Konrad Grüner hervor.
Schon jetzt hat sich innerhalb der ersten zwei Monate nach dem Go Live abgezeichnet, dass man auf der neuen Plattform schneller und günstiger unterwegs ist. „Ich gehe davon aus, dass wir auch zukünftig ein großes
Einsparpotenzial haben, denn wir können die neuen Funktionen noch effizienter machen“, sagt Clara Thiesen.
AllCloud biete zudem Unterstützung und Tools bei der Optimierung von Services in Richtung Kostenreduktion an. Als besonders positiv sieht das Unternehmen, dass AWS unterschiedliche Server-Standorte anbietet – nicht nur in den USA, sondern auch in Frankfurt. Da die Unternehmensgruppe von SW Produktionsstandorte in den USA, in Deutschland – im Schwarzwald und am Bodensee – und in China hat, sei es wichtig, einen europäischen Server
anbieten zu können. Auch beim Thema Support ist der Werkzeugmaschinenbauer heute deutlich zufriedener. „Der persönliche Kontakt ist sehr gut, die Kollegen kennen uns und gehen immer ohne Verzögerung direkt auf unsere Anliegen ein“, lobt Schuster.
Die Plattform soll nun kontinuierlich auf AWS weiterentwickelt werden, um die aktuell noch parallel laufende Bestands-Lösung im Laufe der nächsten Jahre komplett abzulösen. Für die Maschinenbauingenieurin ist klar: Der
Effizienzdruck innerhalb der Zulieferkette hin zu OEMs wird weiter wachsen und deshalb nimmt auch die Bedeutung der datengetriebenen Analytik immer mehr zu. SW ist durch die neue, auf AWS laufende Plattform nun gewappnet,
um die immer größer werdenden Herausforderungen zu meistern.
Für mehr Prozesssicherheit beim Kunden bietet die SW CloudPlatform unter anderem Verfügbarkeitsberechnungen an, um Bottlenecks schnell zu identifizieren. Auch Instandhaltungsthemen können gezielter angegangen werden, wichtige Aufschlüsse bieten hier bspw. Analysen von Alarmen über längere Zeiträume hinweg.
Gerade in diesem Bereich sind die digitalen Services von SW über die Zeit immer ausgefeilter geworden. Besonders wichtig sind die Zeitreihenanalysen von Achstests, mit denen sich mechanischer Verschleiß erkennen lässt. Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel können die digitalen Services perspektivisch einen wichtigen Beitrag leisten. Viele der Experten, die schon an den Geräuschen einer Maschine erkennen, wenn es Probleme gibt und was dagegen helfen könnte, gehen in den nächsten Jahren in Ruhestand. SW versucht daher frühzeitig mit Hilfe von digitalen Services das spezialisierte Domänenwissen in für alle relevanten Gruppen nutzbare Formate zu bringen.
„Die Performance von AllCloud war trotz des hohen Drucks top. In der kritischen Phase war die Zusammenarbeit mit ihnen
sehr intensiv durch Dailies, spontane Meetings und Workshops. Die Projektleiter und Architekten haben einen sehr guten Job
gemacht und waren immer für uns erreichbar, selbst spätabends.“
Clara Thiesen, Product Owner Industrial Data Services bei der Schwäbischen Werkzeugmaschinen GmbH
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