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„Es ist nicht mehr zeitgemäß, dreistöckige Rechenzentren in Eigenregie zu betreiben“

Herr Paas, wie stark wirkt sich die wachsende Popularität von generativer KI auf die Nachfrage für Cloud-Infrastrukturen bei Ihnen aus?

Sebastian Paas: Wir sehen eine rasant wachsende Nachfrage für Cloud-Services in diesem Zusammenhang. Die jüngsten Entwicklungen bringen ein sehr starkes Momentum für die Technologie mit – das schlägt sich derzeit auch in vielen Ausschreibungen nieder. Führungskräfte realisieren jetzt, dass sie die Vorteile von GenAI nur nutzen können, wenn sie große Teile ihrer Operations in die Cloud verlagern. Das war vielen vorher nicht klar und ist inzwischen ein verbreitetes Problem.

Um welche Anwendungsfälle geht es bei Ihren Kunden?

Die verschiedenen Branchen unterscheiden sich in ihren Anwendungsfällen stark, daher ist das sehr industriespezifisch. In der Handel- und Konsumgüterindustrie wird die Cloud als GenAI-Grundlage beispielsweise gerne genutzt, um Planungsprozesse zu verbessern oder den Kundenkontakt oder auch Waren zu optimieren. Viele B2B-Unternehmen bauen zudem gerade moderne Commerce-Plattformen auf, um direkter mit ihren Kunden zu kommunizieren. Auch diese sind in der Regel Cloud-native. Im Gesundheitssektor sehen wir wiederum viele Anwendungsfälle in der Forschung und Entwicklung, insbesondere im Bereich der klinischen Studien. Diese sind sehr aufwendig, daher ist Automatisierung ein großes Thema. Andere Anwendungsfälle beschäftigen sich wiederum mit digitalen Zwillingen – etwa, um Forschungslabore digital nachzubauen. So etwas kann aufgrund der Masse der Daten nur in der Cloud passieren.

Gibt es auch branchenübergreifende Trends bei den Anwendungsfällen?

Ja, übergeordnet geht es natürlich häufig um datengestützte Entscheidungsfindung. Ob Absatz-, Personal- oder Unternehmensplanung – viele dieser Prozesse erfolgen noch immer aus dem Bauchgefühl heraus und ganz selten mit Unterstützung digitaler Assistenten. Das ändert sich jetzt. Darüber hinaus ist die Anwendungsmodernisierung auch ein spannender Use Case. Generative KI kann veralteten Code für moderne IT-Infrastrukturen aufbereiten und die Entwicklung um bis zu 50 % beschleunigen. Das zahlt auf die Digitalisierung im gesamten Unternehmen ein.

Wie steht es bei all diesen Anwendungsfällen um den Datenschutz?

Paas: Wir haben viel mit stark regulierten Branchen zu tun, vom Gesundheitssektor bis zu Versicherungen und Ministerien. Klar, in bestimmten Bereichen ist es aufgrund der Gesetze schlichtweg nicht möglich, eine Public Cloud zu nutzen. In der Regel gibt es bei solchen Entscheidungen aber nicht nur Schwarz und Weiß. Organisationen können besonders sensible Daten separieren und trotzdem von KI aus der Cloud profitieren.

Unternehmen können viele Anwendungsfälle für GenAI über Software-as-a-Service-Modelle (SaaS) implementieren. Für mehr Gestaltungsspielraum braucht es aber auch Ansätze wie Platform- oder Infrastructure-as-a-Service (PaaS/IaaS). Worauf setzen Sie bei der Zusammenarbeit mit Ihren Kunden?

Der Trend geht klar zu SaaS. Viele Unternehmen wollen keine individuellen Lösungen mehr selbst bauen, sondern möglichst viel aus der Cloud beziehen. SAP, Salesforce, Microsoft – bei den Marktführern ist das inzwischen ganz normal. Die eingangs genannten Anwendungsfälle basieren aber oft auf PaaS-Modellen, insbesondere an der Schnittstelle zu Kunden. In dem Bereich geht es oft darum, moderne Applikationen zu bauen, die neben großen Playern wie Amazon oder Zalando Bestand haben. Dort finden gerade die großen Innovationen statt. Denn PaaS ermöglicht als flexibles Framework für Entwickler:innen deutlich individuellere KI-Lösungen als die meisten SaaS-Lösungen – auch wenn letztere aufgrund ihres hohen Standardisierungsgrads leichter zu skalieren sind. IaaS spielt eine eher untergeordnete Rolle, da reden wir über den Maschinenraum. Das kann im Kontext von GenAI auch relevant sein, ist aber eher ein anderes Thema.

Spielt die Integration von Cloud-basierten GenAI-Anwendungsfällen in hybriden Systemlandschaften eine Rolle in der Zusammenarbeit mit Ihren Kunden?

Weniger, das ist mittlerweile kein weit verbreitetes Problem mehr. Legacy-IT ist sehr schwer zu integrieren. Viele unserer Kunden planen daher, ihre Systeme komplett neu zu bauen, statt Altlasten zu integrieren. Unternehmen haben nichts davon, wenn sie ihre veralteten Applikationen in irgendwelche Container packen und dann zum Beispiel bei AWS parken. Wir kommen mit PwC häufig ins Spiel, wenn es darum geht, die gesamte Anwendungslandschaft auf den Prüfstand zu stellen. Wir schauen dann, wo es sich rechnet, die Software neu zu entwickeln. Das ist gewissermaßen eine ganz neue Epoche für die Herangehensweise an digitale Architekturen. Es gibt beispielsweise Banken, die einen digitalen Zwilling ihrer IT-Infrastruktur aufbauen, um Altlasten loszuwerden und schlanker aufgestellt zu sein. Die Nachfrage für solche Großprojekte ist hoch. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dreistöckige Rechenzentren in Eigenregie zu betreiben.

Welche Faktoren sind für den Erfolg solcher Projekte entscheidend?

Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich hier nicht um reine Technologieprojekte handelt. Es gilt genauso die Industrie, die Kunden und das gesamte regulatorische Umfeld zu verstehen. Und natürlich die Tragweite der Transformation. Dazu gehört auch die Frage nach den richtigen Fähigkeiten, um die modernen Systeme zu betreiben. Diese Transformation ist nicht unbedingt in ihrem Umfang massiv, sondern massiv interdisziplinär. Dieses Problem können nicht viele Anbieter lösen.

Welche Fähigkeiten müssen Unternehmen dafür mitbringen?

Sie brauchen vor allem transformative Fähigkeiten. Die aktuelle Entwicklung ist für die kommenden Jahre sehr einschneidend. Unternehmen müssen in der Lage sein, sich permanent zu verändern. Darüber hinaus bleiben technologische Skills weiterhin gefragt, denn wir raten klar davon ab, die KI-Entwicklung komplett auszulagern. Das heißt aber auch, dass Unternehmer:innen in der Lage sein müssen zu investieren und „Out-of-the-Box“ zu denken. Denn das Unternehmen, das sie steuern, kann sich jederzeit massiv verändern.

Sebastian Paas

ist Partner bei PwC Deutschland im Bereich Cloud & Digital. Zu seinen Kernkompetenzen gehören Cloud Computing, Künstliche Intelligenz und Automatisierung.

Roger Homrich

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