XZ Utils-Vorfall: Open Source als Software Supply Chain-Falle

Linux Distributionen werden in vielerlei Server-Applikationen eingesetzt. Diese dienen oftmals der Verarbeitung großer Datenmengen. Somit war der Schadcode sehr gut platziert, um sensitive Daten zu erbeuten.

Voller Zugriff auf die Systeme

Bemerkenswert ist zweierlei: Der Schadcode war extrem gut versteckt, wurde über mehrere Commits, also in mehreren Schritten durch einen Entwickler, eingespeist. Außerdem war der Code so angelegt, dass er im Endeffekt einen weiteren Schlüssel für den Fernzugriff über SSH auf die Server ermöglichte. Die Modifizierung der Fernverwaltungsschnittstelle auf diese Art und Weise ist sehr effektiv. Damit erhalten Angreifer vollen Zugriff auf die Systeme. Dementsprechend wird die Schwachstelle auch mit Grad 10 von 10 bewertet und gilt als sehr gefährlich. In betroffenen Systemen, vor allem Fedora basierte, empfiehlt es sich die Bibliothek auf einen früheren Stand zurückzusetzen.

Sensibilisierung durch Social Engineering

Das koordinierte Vorgehen mehrerer Entwickler über einen längeren Zeitraum unter dem Einsatz von gefälschten Konten ähnelt Maschen aus dem Anwenderbetrug. Social Engineering, ganz gleich ob in der Phishing-E-Mail oder beim Commit von Schadsoftware, nutzt den Faktor Mensch aus, um Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Das passiert, wenn Betrüger nicht autorisierte Zahlungen erzwingen, wie in Honkong kürzlich mit 25 Millionen US-Dollar geschehen, auch wenn es um das Commit einer Backdoor geht. Die Sensibilisierung durch Social Engineering-Methoden ist also in jedem Fall notwendig und sollte auch im Secure Software Development Lifecycle als menschliche Komponente berücksichtigt werden.

Open Source-Pakete nie blind nutzen

Der Vorfall zeigt auch auf, dass der Umgang mit Open Source Software verantwortungsbewusst erfolgen muss. Das bedeutet, Patch-Management und Versionsmanagement sind absolut notwendig. So kann im Notfall zurückgerollt werden oder bekannte Schwachstellen schnell adressiert werden. Außerdem sollten Entwickler Open Source-Pakete niemals blind nutzen, sondern immer einem Secure Software Development Lifecycle folgen. So kann bereits während der Entwicklung getestet werden und Risiken von Softwareimplementierungen können ganzheitlich verwaltet werden. Es sieht ganz danach aus, dass die allermeisten hier mit einem blauen Auge davonkommen. Nur sehr wenige werden die neusten Versionen von Fedora und co. im Einsatz haben, welche die Schwachstelle beinhalten. Der Entwickler Andres Freund hat die Schwachstelle gerade noch rechtzeitig erkannt. Hier hat das Open Source-Konzept also funktioniert.

Dr. Martin J. Krämer

ist Security Awareness Advocate bei KnowBe4.

Roger Homrich

Recent Posts

Microsoft nennt weitere Details zu kostenpflichtigen Patches für Windows 10

Erstmals liegen Preise für Verbraucher vor. Sie zahlen weniger als Geschäftskunden. Dafür beschränkt Microsoft den…

15 Stunden ago

Microsoft verschiebt erneut Copilot Recall

Die Entwickler arbeiten noch an weiteren „Verfeinerungen“. Windows Insider erhalten nun wohl eine erste Vorschau…

1 Tag ago

GenKI im Job: Mitarbeitende schaffen Tatsachen

Laut Bitkom-Umfrage werden in jedem dritten Unternehmen in Deutschland private KI-Zugänge genutzt. Tendenz steigend.

1 Tag ago

97 Prozent der Großunternehmen melden Cyber-Vorfälle

2023 erlitten neun von zehn Unternehmen in der DACH-Region Umsatzverluste und Kurseinbrüche in Folge von…

1 Tag ago

„Pacific Rim“-Report: riesiges, gegnerisches Angriffs-Ökosystem

Der Report „Pacific Rim“ von Sophos beschreibt Katz-und-Maus-Spiel aus Angriffs- und Verteidigungsoperationen mit staatlich unterstützten…

2 Tagen ago

DeepL setzt erstmals auf NVIDIA DGX SuperPOD mit DGX GB200-Systemen

NVIDIA DGX SuperPOD soll voraussichtlich Mitte 2025 in Betrieb genommen und für Forschungsberechnungen genutzt werden.

2 Tagen ago